Thema: Giovanni Francesco Fortunio "Regole grammaticali della volgar lingua"1 Gliederung des Referats: 1.) Biographischer Hintergrund 2.) Entstehung der Regole 3.) Ziele Fortunios 4.) Das Publikum 5.) Quellen der Regole 6.) Gliederung der Regole 6.1) Proemio 6.2) Libro Primo 6.3) Libro Secondo 7.) Rezension Bibliographie 1 Im weiteren Verlauf abgekürzt mit Regole 1.) Biographischer Hintergrund - * wahrscheinlich zwischen 1460 und 1470 in Pordenone - zwar keine Dokumente, die es beweisen, aber Fortunio muss zum Ende des Quattrocento schon einen gewissen Ruf durch seine dichterischen Aktivitäten gehabt haben Æ bezeugt ist diese dichterische Tätigkeit durch einen Abschnitt in dem Gedicht Il Monte Parnaso von Filippo Oriolo, in dem Fortunio explizit als Dichter dargestellt wird - von dieser Tätigkeit allerdings nur noch eine Ekloge namens "Amonio et Egialo" überliefert (von Dionisotti wieder entdeckt und veröffentlicht - in den Regole sagt Fortunio außerdem, er folge den Werken von Petrarca und Boccaccio in der Prosa, es gibt allerdings keinen Beleg dafür, dass er auch Prosawerke verfasst hat - eine wichtige Bekanntschaft in Fortunios Leben war die mit Sabellico Æ Verbindung entstand wahrscheinlich zwischen 1473 – 1483, als Sabellico in Udine lehrte - die letzten drei Jahre des 15. Jh.s, in denen Fortunio viele öffentliche Ämter inne hatte, sind relativ gut belegt so war er 1497 Vikar (d.h. Anwalt für Zivilangelegenheiten) in Triest im selben Jahr hat er außerdem noch das Amt eines Richters für Rechtsangelegenheiten inne bis 10. Mai 1498 war er Statthalter von Triest im Jahr 1499 ist des weiteren seine Arbeit als Rechtsanwalt belegt aus einem Dokument von 1499 erfährt man, dass er Einwohner und Bürger der Stadt Triest war ebenfalls 1499 war er Prokurator der 'Confraternita del Corpo di Cristo o die Battuti' vom Präfekt der Stadt Erasmo Brasca erhielt er den Auftrag, Streitigkeiten mit der Stadt Venedig zu klären - 1509 war er ganz sicher in Venedig, denn zu diesem Zeitpunkt stellte er beim Stadtrat den Antrag auf 'privilegio di stampa' - 1509/10 war Fortunio Mitglied des Konzils der Patrizier in Triest 1514 war er verheiratet mit einer Triester Bürgerin namens Pasuta zwischen Venedig und Triest kommt es in den Folgejahren zu weitreichenden Krisen durch die Bindung zu beiden Städten kommt es auch in Fortunios Leben zu einigen Spannungen wahrscheinlich einer der Gründe, warum Fortunio seine Regole erst 1516 und nicht wie geplant in Venedig herausbrachte - 12. Januar 1517 fand man Fortunio tot auf dem Hof des Amtsgerichtsplatzes 2.) Entstehung der Regole Richiesta di privilegio (1509) "Serenissimo Principi et excellentissimo Domino: Humiliter expone il fidel divoto del Vostro Serenità Zuanfrancesco Fortunio come ha composto et de zorno in zorno compone versi in laude de questa excellentissima Republica et ha composte regule grammaticale de la tersa vulgar lingua cum le sue ellegantie et hortographia, et altre opere a niuno iniuriose. Item expone haver opere de altri excellenti poeti fin hora non impresse, et volerle per commune utilità et dilectatione farle imprimer. Ma aziochè cum damno et vergogna de esso altri non le imprimano, et corrote, supplica a Vostra Serenità se degni concederli de special gratia, come in similibus ad ogni supplicante è solita, che le opere che lui primo farà imprimer da altri non siano impresse nè vendute sotto il dominio de quella senza licentia de esso supplicante per anni diexe, da poy che per lui sarano facte imprimer, sotto le pene che a Vostra Celsitudine parerà, a li cui piedi devotissime se 2 ricommanda." 2 Richardson,Brian Il contesto e la genesi delle Regole, S.9 - während des Jahres 1516 hat sich Fortunio entschieden, seine Regole in Ancona drucken zu lassen, vom einzigen Herausgeber, der dort tätig war ( Bernardino Gueralda) es ist sehr wahrscheinlich, dass Fortunio die Regole auf eigene Kosten hat drucken lassen - die zwei letztlich gedruckten Bücher waren laut Fortunio allerdings nur "principio di mia nova grammatica" - seit 1509 war das Projekt gewachsen, und das Gesamtwerk sollte noch drei weitere Bände umfassen ► Buch 3: Lexik ► Buch 4: Syntax ► Buch 5: 'volgare arte metrica' (Metrik) - entstanden aus den Werken von Dante, Petrarca und Boccaccio und aus dem Bedürfnis, die Regeln zu sammeln, mit welchen sie so harmonisch schrieben "tanto nella letteratura delle volgari cose di Dante, del Petrarca et del Boccaccio" 3 3.) Ziele der Regole - die Literatur der Klassiker des volgare bringe eine solche Harmonie zutage, dass ein grammatischer Zusammenhang zu vermuten ist (d.h., Fortunio zufolge sei es nicht möglich, dass Dante, Petrarca und Boccaccio mit soviel Eleganz und Perfektion geschrieben hätten, ohne in Kenntnis der grammatischen Strukturen des volgare gewesen zu sein (Pr 2) "E scernendo tra scritti loro ... non mi potea venir pensato che sanza alcuna regola di 4 grammaticali parole la volgar lingua così armonizzamente trattassono." - mit diesen Vorbemerkungen ist klar, dass sich Fortunios Grammatik auf die Schriftsprache bezieht - mögliche Vorgehensweise: Æ notierte zunächst Formen und bedeutende Wörter an den Rand seiner Ausgaben von Dante, Petrarca und Boccaccio Æ zunächst hat er sie wohl gesammelt, um sie sich selbst beizubringen, erst später hätte er den Bitten seiner Freunde nachgegeben, das Werk zu veröffentlichen (Pr 3) "Et con più cura alquanto rileggendoli et il mio aviso non vano ritrovando, per ammaestramento di me medesimo, quelli finimenti di voci che a ffare o generali regole overo 5 con poche eccettioni mi paressono convenevoli, comincai a raccoglere." 4.) Das Publikum - Fortunio adressiert seine Regole wie folgt "Agli studiosi della regolata volgar lingua"6 3 Fortunio, Proemio, S.3, Pr = Proemio Fortunio, Proemio, S.3 5 Fortunio, Proemio, S.3 6 Fortunio, Proemio, S. 3 4 "Come è stata giustamente rivelata, l`opera del Fortunio è una grammatica della lingua scritta dei Toscani del Trecento [...] per la lingua scritta dei dotti del 7 Cinquecento." " [...] se vogliamo ben considerare il parlar delli già detti auttori et quello che tra huomeni scienti si usa, 8 ritrovaremo assai poco l' uno dall' altro differente" - - er wollte vor allem dem Bedürfnis all derjenigen entsprechen, die wie er das volgare studierten, um in geregelter Form schreiben zu können allerdings waren nicht Jugendliche angesprochen, sondern vielmehr solche, die wie er, als er mit seiner Sammlung begann, bereits Basiskenntnisse in der toskanischen Literatursprache hatten, die z.B. den Plural belli (von bello) kannten und für die es überflüssig war, bestimmte Adjektive wie onde (im Sinne von là dove) zu erklären Fortunio ging sozusagen von einem idealen Leser aus (arbeitete u.a. auch oft mit lateinischen Terminologien) - ein weiteres Problem ist, dass Fortunio nicht immer ein und dieselbe Bezeichnung für einen Sachverhalt verwendet, sondern diese variiert → er sagt Nominativ, aber auch caso primo oder retto → folgende Bezeichnungen außerdem für Singular und Plural → minor, del meno, primo, solo → non minor, del più, secondo, moltiplicato - - er benennt z.B. auch nicht einzelne modi und tempi, weil er davon ausgeht, dass sie vom Leser wiedererkannt wuerden (bereits bekannt aus lateinischen Grammatiken) viele Sachen werden ausgelassen → nicht Komplettheit seines Werkes sei ihm wichtig, sondern die Erklärung vor allem von Problemfällen geht nur ganz kurz auf regelmäßige Fälle ein (un sasso, piu sassi etc.) stattdessen Diskussion mit vielen Beispielen über Ausnahmen wie la mano, le mani, le mano - er sagt, er suche die Kürze, statt die Länge (abgesehen von zweifelhaften Fällen oder Fehlerquellen) - 9 "quando vede dubitar et errar molti" Marcantonio Flaminio → Regole nicht zu empfehlen an junge Menschen, die sich Grammatik selbst aneignen wollen 10 " a causa della difficultà et la tediosa lunghezza de gli esempi et le spesse evagationi" 5.) Quellen der Regole - fast alle Beispiele Fortunios in den Regole stammen aus der Literatur, er gibt nur wenige selbsterfundene Beispiele (z.B. I 66, 67, 119, 125, 132, 134, 190, 226, 263 – 64, II 38, 84, 95, 125) mündliche Quellen nur von sehr geringer Bedeutung leider beschreibt Fortunio nur sehr knapp, nach welchen Kriterien er seine Quellen aussucht nur einmal wird er explizit (I 91) als er von einer Unterrichtsstunde des Quintilian und von 'altri maestri della romana grammatica e eloquentia' spricht (I 91) [...] perchè, come ensegna Quintiliano et gli altri maestri della romana grammatica et eloquentia, lo uso e non lo abuso dovemo segiutare [...] 7 Dizionario Biografico degli Italiani, S. 258 Fortunio, Proemio, S.7 9 Fortunio, Libro Primo 221 – 222 10 Richardson, Brian: La fortuna delle Regole, S. LXVIII 8 - es lassen sich zwei Arten von literarischen Quellen unterscheiden ► Autoren wie Dante, Petrarca, Boccaccio ► andere Schriften, die Fortunio konsultiert hat (wie bereits erwähnt besonders die lateinischen Grammatiken) - auf welche Autoren sich Fortunio bezieht, wird von Beginn an schnell klar gemacht, im Laufe des Werkes aber auf vielfältige Weise wiederholt "gli auttori nostri" ( I 27, 31, 176, II 20) "essi auttori che noi seguimo" ( I 5) "auttori del cui fonte il mio ruscelletto di questa mia grammatica si derriva" (II 79) - der meist zitierte Text ist die Commedia von Dante ► Fortunio zitiert 240 Stellen aus dem Inferno, 97 Stellen aus dem Purgatorio und 69 Stellen aus dem Paradiso ► kleinere Werke von Dante werden weniger gebraucht (5 Stellen aus dem Convivio, 1 Stelle aus der Vita Nuova, 4 Stellen aus den Liedern der Rime) - auch Petrarca wird viel zitiert ► 274 Stellen aus den Canzoniere ► 33 Stellen aus den Trionfi ( insgesamt wurden verschiedene Stellen der Commedia und von Petrarca auch mehrfach zitiert, so dass die Gesamtzahl der Zitate noch wesentlich höher liegt) - die von Boccaccio zitierten Stellen sind in ihrer Zahl wesentlich geringer ► 44 Stellen aus dem Decameron - referiert außer auf die Tre Corone auch auf Cavalcanti und Cino da Pistoia ( I 180, II 32) - im Buch II wird auch die Hinwendung zu dotti scrittori bzw. dotti moderni sichtbar ( II 11, 22, 41, 100, 104) - aber Fortunio spart auch nicht mit Kritik an zeitgenössischen Autoren hier und da nutzt er die Chance, um zeitgenössische Fehler aus dem Weg zu räumen (I 104, 116, 221, 226, II 68,78) (I 116) "Medesimamente quando prepositione precede o segue, come di me, di te, di se ( non de mi, de ti, de si, come è il comune abuso delli italici [...]"11 - der einzige Autor, der öffentlich getadelt wird, ist ein Mann namens Filefo (I 226,227) (I 226) "Per il quale essempio agevolmente si conosce quanto sia quel comune errore di coloro che, in loco di numquam, pongono mai senza negatione et, e quando vogliono dire che per nessun tempo ameranno, dicono mai ameremo come Francesco Philepho nella canzone tra le sue orationi latine [...] disse intorno alla fine."12 - ansonsten kritisiert er die Autoren, ohne deren Namen zu nennen ► I 28 "dicitori moderni non di oscuro nome" ► II 50 "uso de' moderni non di oscuro nome" 11 12 Fortunio, Libro Primo, S. 61 Was Fortunio zu den einzelnen der drei verwendeten Autoren sagt - über Boccaccio sagt er (II 86) - "chi voglia seguire la tosca lingua nella prosa deve imitare il Boccaccio" wenn es allerdings nötig ist, zu wählen bevorzugt Fortunio Petrarcas Beispiele gegenüber denen von Dante oder Boccaccio (I 27, 222 – 225, 231) (I 27) - "Coltella, frutta, letta, ramora et altri tali si apparano in molti lochi avanti a chi legge la prosa del volgar Cicerone certaldese; però non trascrivo esempi. Il perchè io mi aviso doversi seguire quello che più frequentamente usano gli auttori nostri; pur peccati diremo, come 13 Petrarca, non peccata come Dante." Dante wird übrigens auch getadelt für seinen manchmal zu freien Umgang mit der Sprache, besonders in der Commedia, und wegen seines fehlenden Respektes gegenüber der Grammatik ( I 9, 10, 112, II 17, 29, 49, 97) [I 9] "[...] come che il medesimo poeta, intendo all` altezza del soggetto forse più che al regolato ordine di rime et di grammatica [...]" 6.1) Proemio - Entstehung der Regole werden erläutert danach stellt Fortunio einen Vergleich an zwischen Latein und volgare (Pr 9) "Oltre che il volgare, secondo l` uso che è mutabile, si varia, il che non così del latino, sopra l`arte fondato, suole avenire, come dice Dante nel principio de` suo Convivio [...]" 6.2) Libro Primo - behandelt 'modo del regolato parlare' besteht aus nur 4 Teilen ► Substantive, mit Adjektiven ( 5 Regeln, I 1 – 60 ) ► Pronomen mit Artikeln ( 5 Regeln, I 61 – 132 ) ► Verben ( 5 Regeln I 133 – 202 ) ► Adverben ( I 203 – 265) [I 1] "Le parti della volgar grammatica, così bastevoli, per cognitione di lei come necessarie, sono quattro: nome, pronome, verbo, avverbio." Die Substantive und die Adjektive ► Teil, der sowohl Substanive, als auch Adjektive enthält ► nome sostantivo ► nome adiettivo [I 1] 13 "La prima regola del nome essere che li nomi li quali in alcuna di queste vocali e ovvero o finiscono il loro minor numero in questa vocali i il maggior harran terminato." Fortunio, Libro Primo, S. 23/24 Æ für die einen sei es nicht nötig, Beispiele zu geben, denn die Formen seien laut Fortunio hinlänglich bekannt (un bello, più belli/ un sasso, più sassi) Æ in diese Regel sind auch Wörter eingeschlossen, die zwar weibliche Endung haben, aber auf o enden, wie z.B. mano Petrarca14 im Sonett XXI "col cor levando al ciel' ambo le mani" Dante15 im canto VII des Inferno "Allhora stese al legro ambe le mani" - le mano → mano ist ein 'tratto toscano /o popolare' , der dem lat. Plural der 4.Deklination manus zu erhalten "hai ragunato e stretto ambe le mano" D [5] ebenfalls gefunden hat er die Form 'mane', seiner Meinung nach allerdings nur mit der Bedeutung 'mattina' P "Stamane era un fanciullo et hor son vecchio" D "Fatto havea di qua mane et di là sora" [6] Nomen auf -e (unendlich viele Beispiele ) P Sonett CLXXIII "Dolci ire, dolci selegni e dolci paci" [7] morte → morti P XXXVI "mi vedete stratiar a mille morti" Parte → parti D canto XX d. Inferno "per lo pantan c' havea da tutte parti" [14] allerdings nicht alle Wörter, die im Sg. auf o enden, im Plural nur auf i (manche auch auf a oder e) P Sonett CXXIII "et ricercarmi le midolle e gli ossi" "Spirito ignudo od huom di carne et ossa" P Trionfo secondo dell' Amore 14 15 "vidi il pianto di Egeria; in vece d' osse" Im weiteren Verlauf gekennzeichnet mit P Im weiteren Verlauf gekennzeichnet mit D [15] membro P, canzone ultima "nei dolci membri del tuo caro figlio" D canto XVI d. Inferno "Haimé, che piaghe vidi nei lor membri" D canto VI Purgatorio "hai tu mutato, e rinovato membre" D canto XXIX Inferno "che suol uscir delle marcite membre" P canzone XXVI "ove le belle membra" (I 28) "La seconda regola sarà che li nomi nel numero primo in a terminanti, nel secondo regolarmente in e fanno il finimento loro, come stella, stelle; bella, belle; vesta, veste; greggia, gregge [...]" (I 32) "La terza, adunque, regola, dalle due preposte nascente, fia tale: che li nomi li quali si ritrovano haver per finimento nel numero minore a et e, ponno in e et in i terminar il maggiore [...]" (33) "Fronda et fronde si legge nel singular numero; però fronde et frondi nel plural si ritrova" P Sonett CCCXVIII "che da' bei rami mai non mosse fronda" Sonett XXVII "defendi l' honorata e sacra fronde" Sonett CLXIV "L' aura serena che fra verdi fronde" Canzone XXXI "Alla dolce ombra delle belle frondi" (34) loda / lode D Canto III/ Paradiso "fosse conchiuso tutto in una loda" P Canzone XXVIII "in qualche bella lode" Canzone CCXV "le degne lode, il gran pregio, e il valore" Canzone CCCXXXIX "che per lodi anzi Dio preghi mi rende." (36) froda/ frode, dafür findet er Nachweise für den Singulargebrauch, aber keine für den Pluralgebrauch "Ma chi, seguendo la regola delli già detti, ponesse il maggior numero, non credo che erasse." ( I 176) Et dir possiamo ..., con l autorita delle scritture degli auttori nostri, che chiunque in contrario modo parla o scrive non lo fa senza commetter erorri. (I 43) "La quarta regola sarà, che li nomi adiettivi, il cui minor numero nella volgar lingua da questa vocale e sia terminato, rimaranno comuni all' uno et l' altro sesso, come debile, grave, amante." (I 46) "La quinta et ultima regola del nome sia che molti nomi si trovano in medesima significatione et in variata voce dell' uno et l' altro sesso, come loda et lodo 6.2) Libro Secondo - mit rigoroser Konsequenz versucht Fortunio, eine vom Lateinischen unabhängige Orthographie des volgare zu schaffen - 6 nummerierte und abschließend eine allgemeine Regeln, welche die Konsonanten und die Vokale betreffen ( II 1 – 20) Æ besondere Betrachtung der Konsonantenverdopplung (in alphabetischer Reihenfolge für jeden Buchstaben) - lässt dabei aber q aus, welches sich nicht verdoppelt (bespricht nur kurz cq in II 7) - zwei weitere Aspekte ► Korrektur vieler Fehler in den verschiedenen Auflagen von Dante, Petrarca und Boccaccio ► Aufdecken von bewusst verschleierten Fehlern (Pr 22) "[...] li corrigimenti di molti errori di tutte le stampe di ambi li poeti, con la dichiaratione di non pochi loro velati intendimenti dagli loro male dichiariti [....]" - Verdopplung der Konsonanten erklärt er wie folgt 16 "per seguimento della tosca pronuntiatione et per differentia delle voci latine di simile finimento" - Toskanische Aussprache als Bezugspunkt, denn sie ist "quella meno assai di qualunque altro idioma Italico corrota et la quale sola il regolato ordine di parlare 17 ci può porgere" Beispiel Buchstabe B (21) b verdoppelt sich bei Verben in der Regel zwischen dem Vokal a z.B. abbaglio, abbatto, abbasso, abbandono P Sonett LV "et come vita anchor non abbandono" (22) so würden es auch die zeitgenössischen Gelehrten und Autoren verwenden, und wo man es anders findet, so handelt es sich, laut Fortunio, um einen Druckfehler P, Sonett CCXXI D, Canto XXV, Purgatorio "d` abandonarmi fu spesso intra due" "d` abandonar lo nido" (23) Verdopplung bei der 1. Pers. Sg. Ind. , z.B. debbio außerdem auch in den anderen tempi und modi, z.B. debbia, dobbiate, debbiano (31) Verdopplung des Konsonanten bei Wörtern, die auf io oder ia enden subbio, Danubbio, marubbio, annebbio, nebbia, arrabbio 16 17 Pacagnella, Ivano. S. 275 Pacagnella, Ivano. S. 275 7.) Rezeption - Fortunios fester Platz in der Riege der Grammatikschreiber durch das gesamte Cinquecento hinweg ist unzweifelhaft ein Beleg dafür ist die hohe Anzahl von Neuauflagen seiner Regole 1516 1517 1518 1524 1527 1534 1538 1551 1562 Erstauflage gedruckt durch Bernardino Gueralda Nachdruck in Mailand (Alessandro Minunziano, Giovanni Scinzenzeter) Druck durch Andrea Arrivabene in Venedig Francesco Bindoni Francesco Garone, außerdem 3 Auflagen von Melchiorre Sessa Francesco Bindoni und Maffeo Pasini Melchiorre Sessa ( weitere Auflagen in den Jahren 1539 und 1550 Giovanni Padovano "Le osservazioni della lingua volgare di diversi huomini illustrati" (Anthologie von Francesco Sansovino) - ein weiteres, vielleicht sogar bedeutenderes Indiz ist die Tatsache, dass man sich auch nach Erscheinen der Prose von Bembo noch auf die Regole bezieht18 - weiterer möglicher Grund für das lange Überleben der Regole waren nach Richardson die knappen, kurzen Regeln, die ein solides Grundgerüst einer volgare - Grammatik darstellten - Aufnahme der Regole in den ersten Jahren nach der Veröffentlichung bisweilen allerdings recht feindlich - Bsp. Pietro Bembo er schätzte weder den Inhalt noch den Stil der Regole (dafür wohl aber persönliche Gründe ausschlaggebend) Æ Fortunio hätte sich des Plagiats schuldig gemacht ( die Teile, welche die Regole und die Prose gemeinsam haben, hätte Fortunio wortwörtlich übernommen "[...] quelle 'poche cose' che le Regole e le Prose della volgar lingua avevano in comune, il Fortunio gliele avrebbe 'furate con le proprie parole, con le quali io le avea scritte in un mio libretto, forse prima che egli sapesse ben parlare non che male scrivere, che egli vide ed ebbe in mano sua 19 molti giorni'." - das libretto, von dem Bembo spricht, ist ein Teil der Prose (bis dahin noch unveröffentlicht), die er 1512 einigen Freunden zuschickte mit der Bitte, sie zu lesen, aber sie nicht herumzuzeigen, " 'perchè sono alquanti, che ora scrivono della lingua volgare', e non mancano i 'Calmetti' pronti a rubare le idee altrui' "20 - Sansovino - allerdings gibt es neben einigen schlechten Kritiken auch zahlreiche Zeugnisse, die von einem Einfluss der Regole zeugen - Girolamo Muzio (1518) 18 → obwohl er Fortunio in seine Anthologie mit aufgenommen hat, ist seine Reaktion auf die Regole relativ verhalten, er sagt, Fortunio habe für die Sprache einiges Nützliches geleistet, allerdings kritisiert er (z.B. durch Randbemerkungen in seiner Anthologie) auch etliche Dinge "a me è stato molto cara di vedere, perchè egli insegna di molte cose, e delle ortografia, e della proprietà della lingua, della variazion de' nomi, e de' verbi" Nach Richardson Richardson zitiert damit Bembo: Lettere, vol. III, lett. 973, pp. 43 - 44 20 aus "Dizionario Biografico degli italiani", S.259 19 - einige einschränkende Bemerkungen macht er allerdings im Bezug auf die Einteilung der Verben in nur zwei Konjugationsklassen später schrieb Muzio außerdem, dass es Fortunio gewesen sei, der den Weg geebnet habe für Bembo und alle anderen, die nach ihm über diese Sprache geschrieben haben Ariosto → möglicherweise hat auch er die Regole konsultiert, denn er hat in seinem Werk "Orlando furioso" den Plural mane eliminiert Bibliographie Primärliteratur Fortunio, Gian Francesco (2001): "Regole grammaticali della volgar lingua" A cura di Brian Richardson, Roma: Antenore. Sekundärliteratur Pacagnella, Ivano (1984): "Grammatica come scienza: l` approssimazione di Fortunio (1516)"in: Winklehner, Brigitte (ed.): Literatur und Wissenschaft. Begegnung und Integration. Festschrift für R. Baehr. Tübingen: Stauffenburg, S. 273 – 289. Patota, Giuseppe (1993): "I percorsi grammaticali", in Serianni, Luca/ Trifone, Pietro (eds.): Storia della lingua italiana I. I loughi della codificazione. Torino: Einaudi, S. 93 – 137 Richardson, Brian (2001): "Il contesto e la genesi delle 'Regole' ", in: Fortunio, Gian Francesco: Regole grammaticali della volgar lingua, Roma: Antenore, S. IX – XXVIII. Richardson, Brian (2001): "Il Fortunio grammatico", in: Fortunio, Gian Francesco: Regole grammaticali della volgar lingua, Roma: Antenore, S. XXIX - LXI. Richardson, Brian (2001): "La fortuna delle 'Regole'", in: Fortunio, Gian Francesco: Regole grammaticali della volgar lingua, Roma: Antenore, S. LXII - LXXIII.