CAPRI › ISCHIA › PROCIDA touristische informationen CAPRI›ISCHIA›PROCIDA touristische informationen Inhalt 9 Capri Orte, events, feste Marina Grande, von der Piazzetta bis zur Villa San Michele Gusto Ravioli, Salat, Torte Shopping Boutiquen, Kunsthandwerkerläden und Kreationsateliers Ischia 11 34 36 39 41 Gusto 72 Kaninchen nach ischitanischer Art, Wein und Freilandgemüse Orte, events, feste Eine Tour durch die Gemeinden der Insel Copyright © 2010 COM.TUR - Agentur der Handelskammer von Neapel Corso Meridionale, 58 - 80143 Napoli Tel. 081.266512 - Fax 081.5634839 www.com-tur.com [email protected] texte Ciro Cenatiempo übersetzungen Shopping Vasen, Teller und Keramikfliesen, Raphiakörbchen Procida Orte, events, feste Inselarchitektur, Karfreitag, Landschaftsbild Ralf Krause Gusto photography Zitrone, Pfirsich, Blätterteigzunge Marco Maraviglia by Clik for look Archivio Com.Tur graphische gestaltung und realisation Massa Editore s.r.l. Shopping Limoncello, Spitzen und gehäkelte Ohrringe 74 77 79 92 94 EINFÜRUNG ür die Reisenden der Antike stellten die Inseln Orte des Mythos, der Utopie und des Wunders dar. Die Erzählungen und Geschichten der Vergangenheit betrachteten diese Gegenden inmitten des Meeres als exotische Orte par eccellence: anders, geheimnisvoll und faszinierend. Die geographischen Beschreibungen wurden durch exotische Symbole bereichert und und färbten sich mit einer magischen und legendären Athmosphäre . Für die Touristen unserer Zeit, welche den Golf von Neapel bereisen, hat sich das eindrucksvolle Landschaftsbild nicht geändert: Auch heute begeben sie sich noch nach Capri, Ischia und Procida, mit dem Wunsch, F 6 auf ihnen die entfernten Paradiese wieder zu finden, die Glückliche und Selige Insel der Rubinen. Zudem haben sich Capri, Ischia und Procida viele Jahrhunderte lang die flüchtigen und gewinnenden Seiten der schwärmerischen Inselerzählungen geteilt, deren Protagonisten jeweils die bezaubernden und prächtigen Sirenen, der vulkanische Riese Typhón sowie der starke und göttliche Herakles sind. Während der Grand Tour des 19. Jahrhunderts wurden dann die Eindrücke und Wahrnehmungen von den Inseln zeitgemäß. Die Orte auf Capri, Ischia und Procida in ihrer Intimität offenbart zu haben, ist auch das Verdienst von Kunst, Literatur und der wissenschaftlichen Forschung in Biologie und Archäologie. Dabei schufen diese wiederum weitere globale Mythen um die drei vom Blau des Tyrrhenischen Meeres umgebenen Mikrokosmen. So bleiben Capri, Ischia und Procida weiterhin drei verschiedene, faszinierende und unwiderstehliche Inseln. Sich ihnen zu nähern, erfüllt das Gemüt noch vor der Ankunft mit einem einzigartigen Rausch. Capri besitzt einen exklusiven mondänen Charakter in Verbindung mit jahrtausendealten, ein wenig dionysischen Zeichen, die sich von Augustus bis Tiberius, von Malaparte bis Fersen und darüber hinaus wiederholen. Ischia ist wegen seines charakteristischen Klimas und seiner sich nie gleichenden Landschaften, in denen schwefelhaltiges Thermalwasser kocht, ein richtiger Kontinent in Miniatur. Procida ist maritimer, echt wie eine Venusmuschel und fast eine magische Architekturfalle, mit seiner Fischerflotte und seinen nicht rostenden Seeleuten. Dieser praktische Reiseführer zu den drei Inseln des parthenopeischen Archipels ist daher ein nützliches Instrument, um in Emotionen zu schwimmen, ein kleiner Kompass zur Orientierung der Empfindungen, zur Entdeckung von Naturperspektiven, herausragenden Monumenten, Sehenswürdigkeiten, Folkloredarbietungen und Gustotraditionen, welche die Reise in eine denkwürdige Erfahrung verwandeln. 7 EINFÜHRUNG Geschützte Meereszone des Neptunreiches Eine üppige Korallenbesiedlung mit den auffallenden Fächern der gelben Gorgon-Qualle. Einführung CAPRI “ In keinem Ort der Welt gibt es so viele Möglichkeiten wonniger Ruhe wie auf dieser kleinen Insel. (Charles Dickens) ” INSEL CAPRI INSEL CAPRI Orte, events, feste apri ist nach Ausdehnung und Einwohnerzahl die zweite unter den Inseln des parthenopeischen Archipels. Einigen Wissenschaftlern zufolge gibt es für den Ursprung des Namens eine zweifache Erklärung; denn statt “Insel der Ziegen” könnte er eher “Insel der Wildschweine” lauten, von griechisch kapros (Wildschwein). Von diesem Tier wurde zahlreiche Fossilien gefunden. Sie wurde als “ein Kapsplitter” definiert, weil sie ursprünglich den äußersten Punkt der Sorrentiner Halbinsel darstellte. Von Letzterer bewahrt sie noch die morphologischen Kennzeichen des Karstbodens (sie ist reich an Grotten und Schluchten), hat sich aber nach Erdbewegungen von ihr getrennt. Kolonisiert von den Griechen aus Akarnanien, wurde die Insel Capri mit Augustus, der dort im Jahre 29 v. Chr. an Land ging, römisch. Augustus hatte die Gelegenheit, sie vom griechischen Neapel im Tausch mit Ischia zu erwerben. Auf Capri ließ er große Siedlungen erbauen und trieb so die Entwicklung voran. Nach seinem Tode im Jahre 14 n. Chr. erwählte sie Tiberius (der Erbe des Imperiums), um hier die seine letzten zehn Jahre fern von Rom zu verbringen. Das Gebiet der Insel wird vom Monte Solaro (589 m) zweigeteilt. Seine über- C Der Uhrturm auf der Piazzetta. 11 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Blick auf den Hafen. CAPRI Panorama. 12 INSEL CAPRI Sobald man aus der Fähre oder dem Schnellboot gestiegen ist, befindet man sich in Marina Grande, dem gewerblichen und touristischen Anlegeplatz. Er ist ein wenig wie ein großer Basar mit kleinen Läden und Büros von Reiseagenturen, wo es von Wanderern und Tagesreisenden wimmelt. Auch erscheint es wie ein schwimmendes Dorf wegen hunderter von Wasserfahrzeugen, die dort angelegt haben (viele weitere machen an einer Reede fest). Ihre “Bewohner” gehen gerne abends an Land, wenn die Ausflügler die Insel verlassen. Man hat die Wahl zwischen einem Sprung ins Wasser, sei es im Strandbad Bagni di Tiberio oder am nicht fernen freien Strand, und einem Spaziergang durch die fußläufigen Gassen und Treppenwege, die ihren Ausgangspunkt an der Via Acquaviva haben. Am Ende dieser Straße ist Capris mittelslterliches Stadttor. Geht man vom Hafen durch die Via provinciale Maria Grande bergan, so ist dort die Kirche San Costanza (Schutzpatron der Insel hängenden Klippen bedingten zwei getrennte Siedlungen: Capri und Anacapri als selbständige Gemeinden. Ausgehend von diesen Hauptzentren verlaufen die Routen strahlenförmig ins Landesinnere und zu den Küsten, vorbei an denjenigen Orten auf der Insel der Sirenen, deren Besichtigung am meisten lohnt. 13 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Die Piazzetta von Capri. Der Treppenzugang zur Funiculare. 14 INSEL CAPRI ner Panoramaterrasse zeigen sich die Liebespaare, und hier ist der erste Annäherungspunkt mit einer Vielzahl an bezaubernden Aussichten. Man kommt so auf die Piazza Umberto I, oder auf die Piazzetta, als Ausdruck von Capreser Mythos und Identität, sowie der Bestätigung der Mondanität dieser Insel. Dieser Platz ist das Herz der Insel, und von ihm geht tagsüber und vor allem nachts das Capreser Leben aus - Bezugspunkt für den internationalen Jet-set, der es mag, gesehen zu werden, sich zu treffen und sich an den Tischen der Bars, auf engem Raum und bei Plaudereien in vielen Sprachen unter die Touristen zu mischen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war hier der Markt, also genauso ein strategischer Ort wie heute. Auf der Piazzetta stehen das Rathaus, der Uhrturm und die Kirche des Heiligen Stefan, die einst (bis zur Aufhebung des Bistums 1818) Kathedrale war. Ihr gegenwärtiges Gebäude wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts vollendet. Interessant gegen die Sarazeneneinfälle). Sie ist allerdings der Madonna della Libera geweiht und war bis 1596 Sitz eines Erzbischofs. Errichtet auf den Resten einer frühchristlichen Basilika, ist sie nach Art eines byzantisch beeinflussten griechischen Kreuzes gegliedert. Das Fest zu Ehren der Maria Santissima della Libera geht auf eine altre religiöse und volkstümliche Tradition zurück. Es wird am auf den 8. September folgenden Sonntag im Fischerdorf gefeiert. Der traditionelle Rahmen der Prozession und der festlich beleuchteten Straßen endet mit einem Konzert, dem um Mitternacht ein Feuerwerk folgt. Um sich vom Anlegeplatz zu entfernen, besteht die Alternative in jedem Falle darin, die Standseilbahn von der Piazza Vittoria zu nehmen: Auf einer Strecke von 648 Metern gelangt man mit ihr in fünf Minuten in den Ort. Sie würde zu Beginn des 20. Jahrhunderts eröffnet, und seitdem fünktioniert sie ohne Pause und, vor allem während des Sommers, in schnellem Rhythmus. Auf sei15 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Die Piazzetta von Capri. Shopping in den Straßen des Zentrums. nicht die einzige Kirche: Da ist zum Beispiel die am Ende des 14. Jahrhunderts errichtete Kirche Sant’Anna, mit einer Fassade aus dem 17. Jahrhundert; und nicht zu vergessen die Kirche Santissimo Salvatore mit dem Theresianerinnenkloster. Im kleinen Gebäude aus dem 14. Jahrhundert gegenüber der Kirche des Heiligen Stefan ist dasArchäologische Museum des Capreser Zentrums “Ignazio Cerio”. Es wurde 1949 von Edwin Cerio gegründet und seinem Vater gewidmet, der ein Arzt und 16 Naturforscher war und ein tiefer Kenner der Insel wurde, auf die er 1868 gezogen war. Wieder in der weltlichen Dimension müssen wir die Aufstellung der ersten Tische auf der Piazzetta erwähnen. Sie erfolgte 1938 dank der Erfindungsgabe von Raffaele Vuotto, eines jungen Capresen. Die Piazzetta ist (überflüssig zu sagen) auch Schauplatz der Veranstaltungen an Neujahr und dem Dreikönigsfest (auch in Anacapri), deren Kennzeichen die Tarantella ist. Es sind emblematische Ereignisse unter den vielen auf der Insel, die auch ein Kongressort ist. Wenn man sich von der Piazzetta entfernt, hat man natürlich vielfältige und reizvolle Möglichkeiten. Die enge Via Le Botteghe hat im historischen Zentrum eine arabische Atmosphäre: Hier wurden die ersten Lebensmittelläden eröffnet. In der Via Camerelle gelangt man in das Shopping-Paradies der eleganten Geschäfte und Weltmarken; aber man darf nicht vergessen, dass diese Straße zwischen dem Piazzale del Quisiana und der Via Tragara römische Ursprünge hat. Ihr Kennzeichen waren eine Reihe von kleinen Räumen (vielleicht Zisternen), versehen mit einer Stützmauer. Via Tragara wird als die romantischste Straße Capris angesehen. Hier kommt man an Villen und Hotels vorbei, nimmt Farben und Düfte wahr und gelangt bis zu einem Belvedere sowie unten zur Bucht, wo zwischen den Faraglioni-Felsen und dem Monacone sich der römische Haupthafen befand. Die Römer erbauten im Zeitalter des Prunkes in diesem Gebiet Wohnsitze und Nymphäen. Viel später, im 20. Jahrhundert, wurden sie von zahlreichen Künstlern imitiert, welche die Zone zu ihrem idealen Zufluchtsort erwählten. Die drei mythischen FarglioniFelsen wurden Sirenum Scopuli genannt, also die Felsen der Sirenen. Es sind drei von Erdrutschen und Erosionen verschonte Pinakel, welche drei verschiedene Namen haben: Stella ist mit einer Höhe von 111 Metern die erste und am nächsten an der Küste gelegen; der mittlere Faraglione mit 81 Metern, und der Scopolo (oder äußerer Faraglione), den ein Zwischenraum von 8 INSEL CAPRI ist der vielfarbige Fußboden mit Marmorintarsie von der Ausgrabungsstätte Villa Jovis vor dem Hauptaltar. Hier wird die Statue von San Costanzo aufbewahrt, des Schutzheiligen der ganzen Insel. Das Fest zu seinen Ehren wird am 14. Mai gefeiert. Am Vortag wird die Statue ausgestellt und danach in einer Prozession zur Kirche von Marina Grande getragen, wo aus diesem Anlass Karussels und Stände aufgestellt sind. Inmitten der bewohnten Zone und in unmittelbarer Umgebung ist es 17 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Die archäologischen Reste der Villa Jovis. Die Faraglioni. Der russische Schriftsteller Maxim Gorki. 20 Metern auf Meereshöhe mit Bogen in der Mitte mit jenem verbindet. Nur auf dem Scopolo lebt die berühmte blaue Eidechse (Podarcis sicula coerulea oder Lacerta coerula faraglionensis, welche 1870 von Ignazio Cerio entdeckt wurde. Eine Viertelstunde von der Piazzetta entfernt befindet sich auf der Südseite dagegen die Bucht von Marina Piccola, die man über die streckenweise auf Stufen verlaufende Via Mulo erreicht. Hier ist die vom russischen Schriftsteller Maxim Gorki - mit der nahegelegenen Villa Serafina - erworbene Villa Pierina. Er wohnte darin zu Beginn des 20. Jahrhunderts und setzte sich, gemeinsam mit den anderen Exilrussen, für die Vorbereitung der revolutionären Schule ein. Marina Piccola ist mit seinen renommierten Strandbädern ein Anziehungspunkt für den Badetourismus. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es hier nur die Hütten der Korallenfischer: Geht man ein paar Stufen hinunter, stößt man die kleine Kapelle des Heiligen Andreas. Der deutsche Ingenieur Ugo Andreas, welchem die Villa Capricorno in Tragara gehörte, ließ sie im Jahre 1900 nach einem Plan des Malers Riccardo Fainardi erbauen. Zu erwähnen ist, dass Ugo Andreas mit Moritz von Bernus von 1899 bis 1901 den Bau zur Errichtung der Evangelischen Kirche in Tragara bezahlte. Sie entsprach den Bedürfnissen der INSEL CAPRI damals zahlreichen deutschen Gemeinde, und man erkennt sie an ihrem abfallenden Dach und dem gotisierenden Stil. Beim Weitergehen gelangt man zum Sirenen-Felsen, welcher die Bucht in die Marina di Pennauro und Marina di Mulo teilt. Einige Leute vermuten, dass sich hier “die blühende Wiese” befand, die in den Erzählungen von Homer und Apollonio Rodio der Ort war, wo die Sirenen Odysseus mit ihrem melodiösen Gesang vesuchten, Oberhalb von Marina Piccola, am Südwesthang des Monte Solaro, steht 150 Meter über dem Meer die Farngrotte (Grotta delle Felci), wo die ältesten menschlichen Spuren zum Vorschein kamen, vom Jungpaläolithikum bis zur Bronzezeit, und besonders aus der mittleren Jungsteinzeit. Stets von der Piazzetta aus, oder alternativ von der Via Longano, erreicht man durch die Via Supramonte hindurch nach der Kreuzung Quadrivio della Croce Via Tiberio. Hier kann man die berühmteste Capreser Route nehmen, die bis zur Villa Jovis und zum Monte di 21 INSEL CAPRI INSEL CAPRI F. Alvino: Blick auf die Ruinen der Villa Jovis. Tiberio (335 Meter) führt. Es erwartet uns, in den Ortschaften Cesina, Monetella und Moneta, eine dörfliche Szenerie mit Wein-, Gemüse- und Obstgärten, Agrumenpflanzungen und kleinen Wäldern, vorbei an der Kapelle von San Michele (einem kleinen Kloster mit einem Glockengiebel und byzantinischem Charakter). Die dem Hauptgott Jupiter geweihte Villa Jovis des Kaisers Tiberius ist die erste vom zwölf römischen Villen auf der Insel. Sie ist riesig mit ihren 7000 Quadratmetern bebauter Fläche, 13000 Quadratmetern Park mit Terrassen und Nymphäen, die sich über 40 Meter Höhenunterschied erstrecken, und ist majestätisch zur Sorrentiner Halbinsel und Punta Campanella hin ausgerichtet. Die Ausgrabungen von Amedeo Maiuri haben den Hauptkern mit großen Zisternen ans Licht gebracht. Um diese herum lassen sich vier Bereiche identifizieren: das Kaiser- und Hofviertel, der Bereich für die Dienerschaft, die Thermalzone und der Raum für die öffentlichen Audienzen. Jedenfalls kann man mindestens zwei Phasen historischer Schichten feststellen: die erste aus 22 Panorama. INSEL CAPRI Augusteischer Zeit, unter Verwendung von Kalkstein, der mit verputztem und bemaltem Retikolatmauerwerk bedeckt ist, und mit Mosaikfußböden aus Marmor; die zweite wird in den Fußböden mit Marmorplatten und mit Glasmosaiken verkleideten Wände sichtbar. Geht man weiter zum äußersten nördlichen Punkt der Villa, so kommt man zum sogenannten Salto di Tiberio, 297 Meter steil über dem Meer, welches – nach den legendären Erzählungen des Sueton – die Stelle war, von welcher der Kaiser “zum Vergnügen Menschenopfer” hinabstürzen ließ. Um der “heidnischen Atmosphäre” die Stirn zu bieten, wollten die Capreser auf der höchsten Terrasse der Villa das Kirchlein Santa Maria del Soccorso errichten. Es war Treffpunkt der Fischer zum Dank für den guten Fischfang. Hier feiert man am 7. und 8. September mit Konzerten und Verkostungen das Fest zu Ehren der Jungfrau Maria, das sich mit dem Tiberianischen Piedigrotta-Fest verbindet. Vom ersten Teil der vorhergehenden Route gelangt man nach Abzweigung in die Via Lo Capo zur Villa Fersen. Sie wurde vom französischen Dichter und Grafen Jacques d’Adelsward Fersen (1880-1923) erbaut und ist auch als Villa Lysis bekannt, nach dem Namen des jungen Freundes vom Philosophen Sokrates. Fersen war ein Dandy der Dekadenz, ein symbolistischer Ästhet, der in seinem Vaterland wegen seiner Homosexualität verfolgt wurde. Klassizismus Die ihn umgebende Natur ist wunderschön; und das Gebäude ist klassizistisch, in einer Neuinterpretation durch den Jugendstil. Von der Kreuzung Quadrivio della Croce kann man sich dagegen zu den wilden Szenarien des Felsentores Arco Naturale, der Matermania- (oder Matromania-) Grotte hin orentieren, bis zum Fußweg Pizzolungo und darüber hinaus. Dabei werden die Hänge des Monte Tuoro gesäumt, bis man die Silhouette der Villa Malaparte entdeckt. Der Arco Naturale befindet sich 200 Meter über dem Meeresspiegel, in der Bucht von Matermania; und er ist das, was nach einem Erdrutsch von einer großen Aushöhlung im Berg bleibt, wobei er sich 23 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Via Krupp. 24 mit der Zeit zunächst durch die Meereserosion, dann durch Wasser und Wind verbreiterte. Weiter bergab ist die Matermania-Grotte interessant. Man denkt nämlich, dass sie der Ort des Kultes der Fruchtbarkeitsgöttin Kybéle gewesen sei, der Großen Mutter der Antike. Zur Kaiserzeit wurde sie - wie die Mosaikdekorationen an den Wänden beweisen - als luxuriöses Nymphaeum genutzt. Hier ruhte man sich aus und tafelte. Beim Weitergehen wird der Blick auf die besondere Architektur der Villa Malaparte gelenkt. Der Schriftsteller Curzio Malaparte gab 1936 300 Lire aus, um den Felsvorsprung Punta Massullo zu kaufen, wo er - von 1938 bis 1940 das “Haus wie ich” (Casa come me) erbauen ließ. Mit Hilfe des rationalistischen Projektarchitekten Adalberto Libera sollte es in Konzeption und Ausführung sein eigenes Abbild sein oder ihm ähneln Das Panorama reicht von den Faraglioni bis zur Wand der MatermaniaGrotte, während das Auge sich im Osten in der Amalfitanischen Küste verliert: ein wahrhaft faszinierender Ort. Ein weiteres Mal von der Piazzetta ausgehend, gebietet es der nahe Horizont, die nur wenige Schritte entfernten Gärten des Augustus zu besuchen. Diese öffentlichen Gärten mit ihren Panoramaterrassen gehörten zum Eigentum des deutschen Stahl-Industriellen Alfred Krupp; der Kanonenkönig, dessen große Liebe zu Capri INSEL CAPRI Villa Malaparte. nicht in gleichem Maße erwidert wurde. Krupp schenkte diesen Park, der bis 1918 seinen Namen trug, der Gemeinde. Vom Bildhauer Giacomo Manzù enthält er ein Denkmal Lenins zur Erinnerung an dessen Aufenthalt. Auf derSeite von Marina Piccola verbindet ein anderes Stück Capreser Mythos die Gärten des Augustus mit der Marina di Pennaulo: die Via Krupp, die nicht zufällig als ein regelrechtes Kunstwerk betrachtet wurde. Steil mit windet sie sich 1346 Meter im Zickzack.Sie war das Werk des Schweizer Ingenieurs Emilio Mayer, wurde 1902 in weniger als zwei Jahren vollendet und von Krupp vollständig finanziert, mit einer Summe von 43.000 Lire. Wenige Minuten von den Gärten gibt es einen Talkessel, der zum Bau des Klosters Certosa di San Giacomo diente. Es wurde 1371 vom Capreser Grafen Giacomo Arcucci, Sekretär von Königin Johanna I. von Neapel, gegründet. Gemäß den Regeln des Kartäuserkodex (Gebet, Arbeit, Einsamkeit), zeigt die monumentale Anlage zunächst den Eingang mit Gästehaus und Apotheke; dann den kleinen Kreuzgang des späten 14. Jahr- 25 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Die Casa Rossa. ANACAPRI Die Kartause. 26 hundert, an dessen Portikus Refektorium, Bibliothek und Kirche zusammentrafen; schließlich das eigentliche Kloster mit dem großen Kreuzgang vom Ende des 16. Jahrhunderts mit den Zellen und Dienstbereichen, dem Kapitelsaal, und den anch Westen zum Meer ausgerichteten Gemüsegärten und der Wohnung des Priors.Die aus einem einzigen Schiff bestehende Kirche weist drei Kreuzgewölbe auf, während das Refektorium den Museumssaal mit den Gemälden des deutschen Symbolisten Karl Wilhelm Diefenbach enthält, der auf Capri von 1900 an bis zu seinem Tode 1913 lebte. Außerdem gibt es dort eine Gemäldesammlung vom 17. bis 19. Jahrhundert sowie die römischen Statuen vom Grund der Blauen Grotte. Der Uhrturm hat einen Giebel mit barocken Voluten. Zu erinnern ist an die schweren Schäden, welche die Certosa 1534 durch den Einfall Barbarossas erlitt, welchem die von Mustafa Pascià (1553) und des Korsaren Dragut folgten. Nach der Flucht der Mönche wurde der Komplex erweitert und befestigt. Die langjährigen Arbeiten endeten 1636, wurden aber 1691 wieder aufgenommen. Es wurden dann der Turm, der große Kreuzgang und das Presbyterium restauriert, sowie der dreibogige Campanile zwischen den beiden Kreuzgängen erbaut, der 1908 abgerissen wurde. Heute ist die Certosa Sitz eines Museums, einer Schule und der Gemeindebibliothek. INSEL CAPRI Begibt man sich auf die andere Seite der Insel gen Westen, dann ist dort die Kirche von Anacapris Schutzheiligen Sankt Antonius von Padua (bekannt auch als Kirche der Seefahrer), mit einer Anlage aus dem 17. Jahrhundert, 1899 restauriert und erweitert. Sie hat eine kleine Panoramaterrasse und wird von der sogenannten Phönizischen Treppe überquert, die in Wirklichkeit griechisch ist: Diese war bis zum Bau der Straße 1874 der einzige direkte, steile und beschwerliche Zugangsweg vom Hafen nach Anacapri. Im historischen Zentrum angekommen, geht man weiter durch die Fußgängerzone links vom Gefallenendenkmal und findet dort die pompejanisch rot bemalte Casa Rossa. Sie wurde in verschiedenen architektonischen Stilen geschaffen, die von der Sammelleidenschaft des spaten 19. Jahrhunderts inspiriert sind. Mit zweibogigen Fenstern und Zinnen bezieht sie einen Aragonesischen Turm aus dem 16. Jahrhundert mit ein, der einen quadratischen Grundriss aufweist, und hat einen von Bogengängen umgebenen Innenhof. Ihre Geschichte ist mit der Landung des amerikanischen Generals John Clay H. Mac Kowen auf Capri verbunden, der als Veteran des amerikanischen Bürgerkrieges hier 23 Jahre blieb. Sein Leben zeigt Analogien zu dem von Axel Munthe, der Villa San Michele in ein bewohntes Museum verwandelte. Er sammelte und verwahrte nämlich zahlreiche archäologische Funde: Epigraphe, Flachreliefs und Statuen, welche er hier und da auf der Insel sichergestellt hatte. Die Casa Rossa enthält eine ständige Ausstellung von Gemälden italienischer und internationaler Meister. Zwei Kunstliebhaber, Spiridone und Savo Raskovich sammelten und bewahrten Werke, die Capri gewidmet waren und boten diese Sammlung der Gemeinde Anacapri zum Kauf an, der dann auch vollzogen wurde. Seit 2008 befinden sich hier ferner die drei römischen Statuen, die 1964 und 1974 in der Blauen Grotte gefunden wurden. Die Villa San Michele ist einer der absolut am meistbesuchten Orte und befindet sich in der Gegend von 27 INSEL CAPRI Villa San Michele, nach einem Eintwurf des Schweden Axel Munthe. Panorama. INSEL CAPRI Capodimonte, fünf Minuten vom Ortszentrum. Sie wurde nach Axel Munthes eigenem Plan zum Teile auf römischen Ruinen erbaut. Axel Munthe war ein schwedischer Arzt und Schriftsteller (1857-1949), Autor des berühmten autobiographischen Romans “Storia di San Michele”. Einigen Personen zufolge haben wir es hier mit einer Art von “eigener Verrücktheit” zu tun, anhand des auch Graf Fersen inspirierenden, umstrittenen und zugleich faszinierenden eklektischen Stils der Architektur. Die Villa wird von der Axel Munthe-Stiftung “San Michele” getragen. 1940 wurde es Axel Munthe verboten, Standvögel zu jagen - eine weitsichtige Maßnahme. Nach seinem Tode richtete die Universität Stockholm auf dem großen Landgut eine ornithologische Forschungsstation über die Vogelmigrationen ein. Sie bleibt ein Bezugspunkt für die Wissenschaftler, welche sich mit der Erforschung der Vogelwelt und dem Umweltschutz befassen, und zwar in einem räumlichen Umfeld, das auch das mit einer außergewöhnlichen Vegetation versehene Kastell Barbarossa umfasst. Der in Frage stehende Barbarossa ist Khair ad-Dîn, der auch für Capri eine Geißel war, weil er das Kastell von Anacapri (errichtet um das Jahr 1000) belagerte und in Brand steckte. Wenn wir in der Naturlandschaft bleiben, so gebietet sich die Exkursion zum Monte Solaro, oder zur Einsiedelei Santa Maria a Cetrella. Eventuell kann man auch einen Spaziergang auf dem Passetiello wagen, der einst der einzige und beschwerliche Verbindungsweg zwischen Anacapri und Capri war. Während der französischen Besetzung erfüllte der Passetiello eine strategische Rolle, weil er den Durchzug der Truppen von einer Gemeinde zur anderen gestattete. Den Gipfel des Monte Solaro kann man zu Fuß oder aber bequemer mit dem Sessellift erreichen, den man - von der Piazza Vittoria - rechts nach Via Caposcuro nimmt. Man genießt hier einen traumhaften Blick mit atemberaubenden Szenarien. Im Tal zwischen Monte Solaro und Monte Cappello, befindet sich oberhalb von Marina Piccola die Einsiedelei, welche ihren Namen dem aromatischen Zitronenkraut (cedrina) verdankt, eines von vielen Duftsymbolen. Diesen exklusiven Ort der Einsamkeit und Kontemplation erwählten 29 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Der Leuchtturm von Punta Carena. 30 die Dominikaner-Eremiten am Ende des 15. Jahrhunderts. Dem Kloster angegliedert ist ein Kirchlein mit quadratischem Campanile, die ein Beispiel für die spätgotische Architektur Capris darstellt. Hier feierte man die Verehrungsliturgie der Korallenfischer. Vom Herzen Anacapris aus verläuft ein weiterer, bedeutender Spaziergang für die Naturfreunde unter den Ausflüglern. Er beginnt links von der Station des Sesselliftes und führt zum Belvedere della Migliera. Hier wurden Baureste aus der Kaiserzeit gefunden. Entweder tritt man an die steilen Felsen der Tuono- oder LimnoBucht heran, oder richtet den Blick gen Westen bis zur Punta Carena und zum Leuchtturm, der am 1. Dezember 1867 in Betrieb genommen wurde und Bedeutung und Leuchtkraft nach in Italien an zweiter Stelle steht. Die Migliera ist “der Ort, wo man die Hirse anbaut”, eine vor Eintreffen des Mais sehr verbreitetete Getreideart. Man spaziert an Weinfeldern, Olivenhainen, Zierund Gemüsegärten vorbei, und am Ziel hat man eine wahrhaft grandiose Aussicht. Wenn man will, kann man sogar ein wenig weiter bergan, am Fuße eines eisernen Kreuzes die Faraglioni-Felsen erblicken. Punta Carena und der Leuchtturm sind jedenfalls von Via Nuova del Faro aus erreichbar. Auch hier kommt man an einzigartigen Szenarien vorbei, die wegen der Forts Pino, Mesola und Orrico die Erinnerung an die Geschichte wachrufen. Sie bildeten nämlich, zusammen mit dem Dame- cuta- und Wach-Turm das westliche Verteidigungssystem bis zur Blauen Grotte im Norden, im Wechsel von unvergesslich schönen kleinen Buchten, darunter die Tombosiello- und Rio-Bucht. Von der grandiosen Kaiservilla Damecuta bleiben nur wenige Reste in der Hochebene. Die dortigen Grabungen wurden 1937 von Amedeo Maiuri begonnen. Ihm gelang es, die Existenz einer von Bögen getragenen langen Loggia zu ermitteln und die Präsenz von Säulenfragmenten aus reinem griechischem Marmor. Sicherlich war sie reich an Marmorbögen, Stuckwerk und hochwertiger Dekorationen. Der zylinderförmige DamecutaTurm, im äußersten Westen der Villa und 151 Meter über dem Meeresspiegel, wurde zur Verteidigung vor den Sarazeneneinfällen erbaut und erneut von den Engländern als Fort gebraucht, und zwar zur Zeit des Konfliktes mit den Franzosen (1806-1815). Vom Belvedere INSEL CAPRI Archäologische Reste der Kaiservilla Damecuta. Archäologische Reste der Forts. 31 INSEL CAPRI INSEL CAPRI Blaue Grotte. 32 erkennt man den kleinen Anlegehafen Gràdola mit felsigem Strand dicht vor der Blauen Grotte. Der Schriftsteller Domenico Rea bezeichnete die Blaue Grotte als “die berühmteste Grotte nach derjenigen von Betlehem”, und man weiß von ihr, dass sie in der kollektiven Vorstellungswelt einen der weltberühmtesten Orte darstellt. Sie wurde am 18. April 1826 von vier Persönlichkeiten entdeckt, welche in die Geschichte eingegangen sind: dem deutschen Maler August Kopisch mit seinem Freund, dem Landschaftsmaler Ernst Fries, und dem sie antreibenden Don Giuseppe Pagano, zu jener Zeit einziger Gastwirt der Insel. Mit ihnen dabei war der “Lockige” genannte Fischer Angelo Ferraro. Unter seinen Zeitgenossen war er der einzige, der sie besichtigt hatte, während in der tiefen Vergangenheit die Grotte ein frequentierter und bekannter Ort war. Kopisch beschreibt sie in “Die Entdeckung der Blauen Grotte” mit Enthusiasmus und ist über jene Zeiten verwundert. Von dort an trat die Grotte in den Mythos der Welt. Der Eingang ist zwei Meter breit und einen Meter hoch. Die blaue Farbe des Meeres mit den sie umhüllenden Lichtreflexen auf den Felsen kommt von einem Durchgang unter der Was- INSEL CAPRI seroberfläche, durch welche das Licht eindringt. Es wurden dort Reste eines antiken Anlegeplatzes gefunden. Und die Römer nutzten die Grotte als mit Mosiken und Statuen geschmücktes Nymphäum. Bei der Rückkehr ins Zemtrum von Anacapri bleiben schließlich noch einige Kultstätten zu besichtigen. Die gewaltige barocke Kirche San Michele aus dem 18. Jahrhundert, deren Architektur auf Pläne von Antonio Vaccaro zurückgeht. Sie besitzt einen zentralen Grundriss mit einer Kuppel über einem Oktogon, das sich in sechs Apsisnischen verzweigt. Auf dem Majolikafußboden ist die beruhmte Vertreibung von Adam und Eva aus dem irdischen Paradies. Die Kirche Santa Maria di Costantinopoli stammt dagegen vom Ende des 14. Jahrhunderts, als sie unter dem Namen Santa Maria “alli Curti” errichtet wurde. Die dreischiffige Kirche Santa Sofia ist das Ergebnis zahlreicher historischer Schichten. Sie zeigt eine weiße Fassade aus dem 18. Jahrhundert mit einem aus mehreren Uhren bestehenden Campanile, und steht auf einen kleinen Platz.hin ausgerichtet. Nicht zu vergessen ist ferner das von Maiuri beschriebene Viertel Le Boffe aus dem 17. Jahrhundert. Der Name “le boffe” scheint wohl aus dem Dialekt zu stammen, denn so werden die Luftblasen unter der Brotkruste genannt; anderen Leuten zufolge ist der Terminus eine Verzerrung von d’Elboeuf, dem Kommandaten der französischen Garnison auf der Insel. Dieses Viertel liefert am 13. Juni die Szenerie für das Patronatsfest des Heiligen Antonius, wobei die Heiligenstatue.in einer Prozession umhergetragen wird. Anfang September findet die von der Gemeinde organisierte mitreißende Volkskirmes Settembrata Anacaprese statt. Sie vollzieht sich im Rahmen eines Festes der Weintraube, von Gastronomie mit Weinausschank, Kunsthandwerk, musikalischen Events sowie einem Umzug allegorischer Wagen, der ein regelrechter Wettbewerb zwischen den vier Ortsvierteln (contrade) sind: Le Boffe, La Porta, Le Stalle, La Pietra. Jedes gibt es ein Leitthema, das in einem geschickten Spiel befolgt wird. Dabei ist letzteres nicht nur rein organisatorisch und kreativ, sondern auch ästhetisch und künstlerisch. 33 avioli, Salat und Torte: Alles ist mit dem Adjektiv “caprese” verbunden, und deshalb ist jedes Gericht ein wirkliches Symbol für dessen Identität, dabei aber völlig einfach. Auf dieseWeise haben auch die Inselschätze des Gusto ein internationales Echo gefunden. Die Capreser Ravioli werden als “erster Gang par excellence” bezeichnet. Sie sind sehr delikat, mit Caciotta-Weichkäse gefüllt und mit Tomaten und Basilikum gewürzt. Aber manch einer bevorzugt sie mit Butter und Salbei oder frittiert. Der Capreser Salat besteht, wie alle wissen, aus Mozzarellakäse, Tomaten, Basilikum und Olivenöl. Viele ignorieren jedoch die Tatsache, dass er in Anacapri in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erfunden wurde. Und was soll man über die Capreser Torte aus Mandeln und Schokolade sagen, auf die man nun wirklich nicht verzichten kann? Zu probrieren auch in der Variante mit Zitrone und zusammen mit einem Eis. Man sagt, dass sie auf Capri im Gefolge einer russischen Familie nach Capri gelangt sei, dank der Hände einer Köchin, welche sie offenbar für die Offiziere der napoleonischen Truppen während des Russlandfeldzuges zubereitet hatte. In der kulinarischen Tradition fehlt es nie an der Kombination von Fleisch und Gemüse, und so bleiben in der Küche zu Hause der gefüllte Pfeilkalmar oder Pfeilkalmar mit Kartoffeln feststehende Gerichte. Nudeln mit Zackenbarsch- oder Skorpionsfischsoße oder auch mit Seeigelmark sind stets ein Muss, genauso wie die Kichererbsensuppe mit kleinen Tintenfischen. Im allgemeinen fehlt es an nie an Qualitätsfisch mit Krustentieren und Muscheln. Zum Beispiel ist die Pezzogna in “verrücktem Wasser” (“acqua pazza”) bekannt für ihre Güte. Genauso schmackhaft sind die goldgelb gebratenen und frittierten Sardellen, oder auch mariniert mit Zitrusfrüchten, und die geschmorten oder mit Rosinen und Pinienkernen gefüllten Zwergkalmare. Einer noch ländlicheren Gastronomie begegnet man besonders in Anacapri, wo es stets Personen gibt, die Wachteln mit geräuchertem Bauchspeck, Erbsen und Wildaromen zubereiten. An Fleisch stehen auch das auf der Insel R 34 “Die Pezzogna säubern, ausnehmen und schuppen. In einer hohen Pfanne einen Fond aus einer ungeschälten Knoblauchzehe (“Knoblauch im Hemd”), Öl und scharfem Paprika bereiten. Wenn alles angebraten ist, geviertelte Tomaten, die Pezzogna und vorher quadratisch kleingeschnittene Kartoffeln hinzugeben und 5 Minuten im Salzwasser mit Weißwein und Pfeffer kochen lassen. Wenn der Wein verdunstet ist, zwei Schöpfkellen Fischfond hinzufügen und ca. 10 Minuten zum Kochen bringen. Am Ende Kräuter dazugeben undmit altbackenem getoastetem Brot servieren.“ j j PEZZOGNA IN “VERRÜCKTEM WASSER“ (ACQUA PAZZA) gezüchtete Huhn und Kaninchen auf dem Tisch. Noch typischer ist die Suppe aus Platterbsen (cicerchie), einer inzwischen selten gewordenen Hülsenfrucht, welche dennoch Platz auf den Feldern und bei den überzeugten Verehrern findet. Der gleichermaßen gute Weiß- und Rotwein heute mit dem DOC-Prädikat (Denominazione d’origine controllata), also aus autochthonen Reben, wurde schon vom Kaiser Tiberius geschätzt. Und aus den stark duf- Die Capreser Schnellküche im Sommer ist tenden Capreser Zitronen gewinnt reich an vielfältigen einfachen Zubereitungen, man schließlich einen votrefflichen die oft im Freien zu genießen sind, nachdem man im Garten den Tisch gedeckt hat, im Zitronenlikör (limoncello). Bis vor ein paar Jahrzehnten wur- Schutz einer charakteristischen Laube. Dabei kann man sich von der salzhaltigen und de die Pezzogna von Fischern, aber entspannenden Nachmittagsbrise einhüllen auch von Köchen als ein minder- lassen, wenn der edle Maestrale weht. Eines wertiger und wemig bedeutender dieser Gerichte ist ein erster Gang mit Fisch angesehen. Aber seit einiger Nudeln, der volkstümlich als die Zeit fehlt die auch Meerbrasse “Chiummenzana” bekannt ist. Er ist durch (“occhialone”) genannte Pezzogna eine beispielhafte Frische gekennzeichnet. Praktisch ist ist er eine Variation über das wegen der organoleptischen Eigen- Thema der klassischen Spaghetti, die mit schaften ihres Fleisches nie in einem Knoblauch, Öl und scharfem Paprika kurz in hochwertigen gastronomischen der Pfanne angebraten (“saltati”) werden. In Angebot. Besonders die Küstenge- diesem Falle ist es die Hinzufügung von grob wässer von Anacapri sind, in einigen geschnittenen Tomaten, mit ein wenig Meilen Entfernung von Punta Care- Basilikum und einer Prise wilden Origano.In einer Viertelstunde ist das Gericht fertig. Mit na, reich an diesem Fisch, der auf seinen mediterranen Farben und dem felsigem Grund in 100 bis 300 einzigartigen Duft ist es eine Versuchung für Meter Tiefe lebt. den Gaumen, der man nur schwer widersteht. 35 INSEL CAPRI Gusto INSEL CAPRI INSEL CAPRI Shopping apri und Anacapri stellen definitionsgemäß zwei exklusive Orte dar, welche von großen Persönlichkeiten, die in der Politik und Industrie, im Film, in der Mode, Kunst, dem Theater und der Kultur allgemein etwas zählen, geliebt werden. Ein internationales Ambiente ohne Grenzen, das auch deswegen ein Reservoir für alle “Marken- und Designerartikel” ist in Geschäften und Boutiquen, Läden für Kunsthandwerk und Ateliers für “zu kaufende” Kreationen, als Erinnerung und Souvenir, aber auch im Zeichen von Originalität und Luxus. Alles verwandelt sich in ein Erkennungszeichen Capris. Und hier, in den bedeutendsten und bekanntesten Straßen befinden sich alle großen Marken. Extravagante Kleidung und Schmuck, Perlen und Korallen, raffinierter Modeschmuck, Halsketten und Ohrringe, aber auch T-Shirts oder qualitativ hochwertige Kunstkeramik. Und ferner Stoffe, die an eine entfernte Tradition erinnern, oder Schnürschuhe wie die mythischen espadrillas, die hier zu “zappateglie” wurden, um ein vor allem in der jüngeren Vergangenheit 36 INSEL CAPRI C “getragenes” Objekt zu nennen. Diese bilden heute ein Paar mit den maßgefertigten Sandalen. Nicht zu vergessen andere exklusive Produkte: die Capreser Parfüms, die per Hand hergestellt werden, unter Verwendung spezieller Kräuter und Gewürze, welche die Natur der Insel im Laufe der Jahrhunderte geschenkt hat. Diese werden mit Sorgfalt entlang der steilen Küsten und Fußwege gesucht. Es sind Essenzen, die ohne Übertreibung berauschend und elegant sind. Und darüber hinaus gibt es Antiquariate, Drucke, Gemälde von Künstlern der Insel, Skulpturen, handgefertigte Spitzen, wie auch Parei, Badeanzüge und Badehosen, Schals, oder Holzintarsien. Wie sollen wir sagen? Man geht daran vorbei, staunt und kauft, stets wie in einem verblüffenden Barnum-Zirkus. Nicht zu versäumen. 37 ISCHIA “ Die Insel Ischia, welche den Golf von Gaeta vom Golf von Neapel trennt, und deren schmaler Kanal sie selbst wieder von der Insel Procida scheidet, ist nur ein einziges steiles Gebirge, dessen weiße und zerklüftete Spitze ihre schartigen Zähne in den Himmel hineintaucht. Ihre Seiten, von Tälern, Schluchten und Strombeeeten durchfurcht, sind von oben bis unten mit Kastanienbäumen bewachsen. Auf den Plateaus, welche dem Meere am nächsten und von den Fluten bespült sind, liegen Strohhütten, ländliche Villen und Dörfer, halb versteckt unter den Palmendächern. Jedes dieser Dörfer hat seine Marina. So nennt man den Hafen, wo die Barken der Inselschiffer schaukeln und etliche Maste von Schiffen mit lateinischem Segel sich wiegen. Die Segelstangen berühren die Bäume und Weinstöcke der Küste. (Alphonse de Lamartine) ” INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Orte, events, feste schia ist die ausgedehnteste und bevölkerungsreichste Insel der Perlen des Golfes von Neapel. Seit Jahrtausenden nimmt sie unter den Schiffahrtswegen eine bedeutende Position im zentralen Mittelmeerbecken ein, und vor allem die Griechen aus Euböa trafen im 8. Jahrhundert v. Chr. die Entscheidung, hier die erste Siedlung während ihrer Kolonisierung des Abendlandes zu gründen. Die Insel gliedert sich in sechs Gemeinde: Iscchia, Cassamicciola Terme, Lacco Ameno, Forio, Serra Fontana, Barano. Jede dieser Gemeinden, die auf der Inseltour geographisch aufeinanderfolgen, ist ein Thermalbad für Kur- und Ferienaufenthalte, um die historischen Besonderheiten des Gebietes auszudrücken, die mit der Gastlichkeit im Zeichen des Wohlbefindens verbunden sind. Eine Jahrhunderttradition, die in den letzten Jahrzehnten von Unternehmern mit der Realisierung herrlicher und einzigartiger Thermalbadegärten - entlang der Küste - weiterentwickelt wurde. Gerade wegen seiner faszinierenden Natur ist Ischia (über deren Namensursprung zahlreiche Vermutungen geäußert wurden) zudem heute vor allem als Grüne Insel (Isola Verde) bekannt. I 41 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Castello Aragonese. Ischia Porto. 42 Die Stadt, gleichzeitig Hauptort der Insel Ischia, ist das am meisten besiedelte Zentrum. Es wird nach Nordosten von den feinkörnigen Sandstränden sowie öffentlichen und privaten Pinienwäldern begrenzt, während Richtung Süden eine Waldhügel- und Agrarlandschaft vorherrscht, welche den Ansichtskarten-Ort par excellence dominiert: das Castello Aragonese mit seiner kleinen Insel. Man geht in Ischia Porto an Land, das mit dem nahen Viertel Sant’Alessandro einst wegen seiner zahlreicher Thermalquellen Villa dei Bagni genannt wurde. Heute werden diese dank moderner Anlagen genutzt. Vor langer Zeit war hier ein See, der sich auf einem antiken, später eingestürzten Vulkankrater gebildet hatte und den Ferdinand II. von Bourbon 1854 in einen Hafen verwandelte. Das bezaubernde rechte Ufer am Anlegeplatz beherbergt Restaurants und American Bars und gehört zu den charakteristischen Ecken der Movida. Wenige Schritte von den Pollern entfernt steht auf dem Kai die Pfarrkirche Santa Maria di Portasalvo und, in kurzer Distanz, die Militärbadeanstalt Francesco Buonocore: Sie war der Palazzo des Urmedikus im Königreich Neapel, der ihn in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbauen ließ. Von hier aus betritt man über die Via Roma das Reich des Shopping. Man kommt zur sogenannten Peterskirche mit dem Piazzale Battistessa: Hier findet in den ersten zehn Septembertagen der Kirchplatzseptember (Settembre sul Sagrato) statt, ein Fest mit Ausstellungen, Buchvorstellungen, musikalischen Events und Verkostung von Speisen und Wein. Man geht dann weiter durch den Corso Vittoria Colonna bis zur Piazzetta, wo zwischen Boutiquen und Nachtlokalen die kleine Kapelle San Girolamo auftaucht, welche schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts existierte. Weiter geht es zur Küste in Richtung Ischia Ponte, bis zur Grenze des vom bourbonischen Pinienwald bedek- INSEL ISCHIA ISCHIA PORTO 43 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA kten Arso-Lavastromes. Hier befinden sich die Franziskanerkirche Santa Maria delle Grazie und das Franziskanerkloster des Heiligen Antonius, sowie die Biblioteca Antoniana. Auf dem Weg nach Ischia Ponte, das als altes mittelalterliches Meeresviertel oder später als Gelsa-Viertel bekannt war, spürt man sofort die Bedeutung des Priesterseminargebäudes (Palazzo del Seminario), wo sich die Wohnung des Bischofs der Diözese Ischia befindet. Es wurde 1741 gegründet. In der Umgebung bemerkt man den Palazzo der Familie Lanfreschi aus Bellarena und denjenigen der Familie Lauro. Weiter geradeaus, zwischen den charakteristischen Läden der Handwerker und Maler, steht die um 1570 von den Seeleuten des Gelsa-Viertels gegründete Kirche Collegiata dello Spirito Santo: Hier hat der Kult von San Giovan Giuseppe della Croce seinen Sitz. Als Alkantariner-Franziskaner (geboren 1654 auf Ischia mit dem Namen Carlo Gaetano Calosirto und gestorben 1734 in Neapel) war er eine hervorragende Persönlichkeit in der neapolitanischen Religionsgeschichte des 18. Jahrhunderts und Schutzpatron der Insel. Im liturgischen Kalender wird am 5. März an ihn erinnert, aber die eigentlichen Feierlichkeiten finden vier Tage lang beginnend mit dem ersten Septembersonntag statt. Die Reliquie des Heiligen wird in einer Prozession durch die Straßen und auch in einem langen Zug von Fischerbooten über das Meer getragen. Am Ende der Feierlichkeiten gibt es ein Feuerwerk. Wenige Schritte entfernt ist die der Heiligen Jungfrau gewidmete Kathedralkirche Santa Maria della Scala. In der ersten Kapelle des linken Schiffes ist das Baptisterium: Das Becken ist dasjenige, wo am 15. August 1654 der spätere Heilige Giovan Giuseppe della Croce getauft wurde. An die Kathedrale grenzt der Palazzo dell’Orologio, mit einer öffentlichen Uhr auf der Fassade. Im 13. Jahrhundert wurde er das Haus der Parlamentarier genannt, als Sitz der Gemeindeverwaltung. Heute beherberbergt er das Meeresmuseum mit reichen Zeugnissen aus dem Leben der Seeleute und Fischer auf der Insel. 44 Das sofort dahinter zu erblickende Castello Aragonese ist ein Beispiel für die Lokalgeschichte. Es steht auf der sogenannten “isola minore” und bildet mit ihr ein monumentales und natürliches Unikum. Die Festung wurde im Jahre 474 v. Chr. von Hieron I. erbaut, der an Land gegangen war, um den Cumanern im Kampf gegen die Tyrrhener beizustehen. Aber seine Bedeutung wird seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. greifbar und wächst, bis sie vom 14. bis 16. Jahrhundert ihren höchsten Glanz erreicht. Das Kastell ist 115 Meter hoch, und der Zugang erfolgt nach dem Willen von Alfons I. von Aragona (ca. 1447) über eine in den Felsen gegrabene Straße. Vorher gab es nur eine Freitreppe, die man erkennt, wenn man mit einem Boot nahe daran vorbeifährt. Die Verbindung mit dem alten Viertel von Ischia wird durch eine Brück gewährleistet, ebenfalls auf Veranlassung Alfons’ I. Zu besichtigen sind: das Klarissenkloster (von 1575) mit Friedhof; die Reste der Kathedrale der Heiligen Jungfrau, die auf das Jahr 1301 zurückgeht. In der Krypta sind Fresken aus der Schule von Giotto. Die alte Kathedrale war dreischiffig mit Seitenkapellen. Am letzten Altar des linken Schiffes wurde 1509 die Hochzeit zwischen dem Truppenführer Ferrante d’Avalos und der Dichterin Vittoria Colonna gefeiert. Letztere war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die auf dem Kastell einen der bedeutendsten Intellektuellenzirkel der Renaissance schuf. An die Hochzeit wird am 26. August INSEL ISCHIA Ischia Ponte. Castello Aragonese Jakob Philipp Hackert: Blick auf den See von Ischia. 45 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Castello Aragonese. Anonymus: Blick auf Ischia in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vittoria Colonna. 46 anläßlich des Sant’Alessandro-Festes mit einem außergewöhnlichen Umzug in historischen Kostümen erinnert, welche die verschiedenen historischen Phasen der Insel darstellen. Sie verläuft durch die Straßen des Zentrums und wird von den Bewohnern des Sant’Alessandro-Viertels organisiert. Und als Anhang sieht man die Fahnenschwinger und bedeutende italienische Folkloregruppen, die sich zur Feier des Tages vereint haben. Auf der Kastell-Route folgt dann die rechtwinklige Kirche San Pietro a Pantaniello aus der Renaissance (Mitte 16. Jahrhundert), welche noch heute ihre ganze Faszination bewahrt. In den nahegelegenen Gefängnissen wurden während des Risorgimento einige Patrioten gefangengehalten. Heute beherbergen die Räumlichkeiten Ausstellungen und künstlerische Performances und sind in die Tour “del sole” miteinbezogen. Diese erstrekkt sich auf die Inseln Vivara und Procida sowie umfasst den majestätischen Golf von Neapel und die Cartaromana-Bucht, die von dem emporragenden, sogenannten Michelangelo-Turm mit seinen freskenreichen Sälen des 16. Jahrhunderts dominiert werden. Zu seinen Füßen steht das Kirchlein der Heiligen Anna mit den gleichnamigen, nur wenige Meter entfernten Felsen. Es stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Hierhin pilgerten die ischitanischen Familien am 26. Juli, dem Sankt Anna-Fest, mit eigenen Booten, um die Heilige zu INSEL ISCHIA verehren und den Festbrauch mit einem klassischen gastronomischen Rendez-vous bei einer Parmigiana di melanzane [mit Tomatensoße und geriebenem Parmesankäse im Ofen überbackene Auberginenscheiben] zu beschließen. 1934 dachten einige junge Leute daran, mit Lichtern und Girlanden die Boote der Gläubigen zu schmücken: So entstand das Fest mit einem zusätzlichen außergewöhnlichen Feuerwerk, welches zu einem der charakteristischsten Events des Ischitaner Sommers geworden ist. Es besteht aus einem Wettbewerb zwischen, wie allegorische oder Theater-Wagen geschmükkten Booten. Diese machen sich das von einem berühmten Künstler geschaffene Palio [kostbares Tuch] streitig, welches von einer Jury aus berühmten Persönlichkeiten verliehen wird, die auf der Insel in Ferien sind. In Ischia Ponte und auf dem Piazzale Aragonese finden im Laufe des Sommers zahlreiche bedeutende Events statt. Von der Küste geht man weiter ins Innere des Ortes bis zur Piazza di Campagnano, mit der Pfarrkirche San Domenico nella Santissima Annunziata. Der Platz ist Ausgangspunkt für atemberaubende Exkursionen nach Piano Liguori und den östlichen Vorgebirgen: unvergessliche Landschaften. Sant Anna-Fest. 47 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Badeort Casamicciola. William J. Ferguson: Blick auf Casamicciola. Casamicciola. 50 Die Ortschaft, wo - wie der Name dieses Küstenzentrums angibt - die Thermalkuren entstanden, hat sich in den letzten Jahren, dank der verbesserten Infrastruktur des Hafens zu einem Pol für den Wassersport entwikkelt. Casamicciola ist - auch unter kommerziellen Gesichtspunkten - die zweitbedeutendste Anlegestelle der Insel. Die Thermen auf der Piazza Bagni zogen Persönlichkeiten wie Lamartine, Renan, Ibsen und Garibaldi an (der hier die Verletzten vom Aspromonte gepflegt hat), während die reichen Tonerdevorkommen das Anwachsen eines blühenden Kunsthandwerks gestatteten und sich dabei mit den historischen Schicksalen der Bewohner und der Entwicklung des Tourismus gekreuzt haben. Die Marke der lokalen Keramikfabriken ist noch heute ziemlich bekannt. Über die Ethymologie von Casamicciola gibt es unterschiedliche Vermutungen, und 1265 ist erstmalig das Toponym Casamizcula bezeugt. Auf dem Castiglione-Hügel entstand ein Hüttendorf mit den typischen Kennzeichen der appeninischen Zivilisation (mittlere Bronzezeit - beginnende Eisenzeit). Hier kamen großdimensionierte Schalen, Amphoren und Schüsseln zum Vorschein, und daneben auch Vasen mit Gravierungen, welche nach dem großen Archäologen Giorgio Buchner die Geschicklichkeit der Töpfer in jener Zeit widerspiegelt. Entfernt man sich vom Hafenbereich von Piazza Marina, wo während der Karwoche geistliche Spiele stattfinbden, so stößt man auf das Kirchlein Buon Consiglio, auch Schifferkirche genannt, die ab 1821 von einer Gruppe von Offizieren der Handelsmarine gegründet wurden. In Richtung auf den Corso Vittorio Emanuele steht die Kirche San Pasquale Baylon, welche in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Francesco Antonio Corbera, dem Neffen von San Giovan Giuseppe della Croce errichtet wurde. Dann betritt man das Herz der Thermen von Casamicciola, jenseits des Gurgitello-Beckens: Hier ist die berühmte Piazza Bagni mit ihren alten Kur- und Ferienanlagen. Alle Kirchen der Umgebung weisen Zeichen einer fesselnden Geschichte auf, wie die dreischiffige und mit neun Altären ausgestattete Pfarrei, welche dem Heiligsten Herzen Jesu und Santa Maria Maddalena Penitente geweiht ist. Auf der Via Castanito zur Sentinella steht jenseits der früheren Geophysikalischen Beobachtungsstation die 1703 gegründete Kirche der Unbefleckten Jungfrau Maria (Immacolata). In unmittelbarer Nähe befindet sich die Villa Parodi Delfino. Sie war einst das Hotel Bellevue Villa Zavota und beherbergte vom 21. Juni bis 18. Juli 1864 Giuseppe Garibaldi als Heimkehrer vom Aspromonte. Ein anderer Gast mit berühmtem Talent war Ernest Renan, der nach einem ersten Aufenthalt 1875 mit seiner Frau Cornelia Scheffer 1877 und 1879 hierhin zurückkehrte. Renan huldigten auf ihrem Besuch auch Intellektuelle und Schriftsteller wie der Norweger Henrik Ibsen und der Däne Vilhelm Bergsøe. INSEL ISCHIA CASAMICCIOLA TERME Villa Bellavista. 51 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Der Strand des Thermalparks Negombo. Der charakteristische “Pilz” am Strand von Lacco Ameno. 52 LACCO AMENO Die flächenmäßig kleinste Inselgemeinde erstreckt sich auf dem schmalen Küstenstreifen, der vom bekannten Tuffelsen in Form eines Pilzes (Fungo) gesäumt wird. Sie ist einer der idealen Anlegeplätze für die Kleinschiffahrt, die touristischen Ausflugsboote und Fischerkähne. Lacco Ameno wurde zur Perle der Eliteferien, und es ist das Verdienst von Angelo Rizzoli, den dortigen Thermenreichtum weltweit aufgewertet zu haben. Und dieser bleibt das pulsierende Herz der Nobelhotels in dieser Zone. Das Toponym stammt von laccos: Mulde, Talkessel. Das Städtchen ist untrennbar mit den Ereignissen in der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. verbunden, als die von den wichtigen euböischen Inselzentren Calcide und Eretria stammenden Griechen dort an Land gingen und Pithekoussai gründeten. Sie wählten das leicht zu verteidigende Vorgebirge Monte di Vico, mit einer nahezu ebenen Fläche, das zur Errichtung der Akropolis geeignet erschien. Dann entwickelten sich die Nekropolis im San Montano-Tal, ein Viertel mit Hüttenwerken in Mazzola auf dem Hügel Mezzavia, und die Anlegeplätze. Der Ort wurde von Francesco De Siano, dem Priester und Physiker aus Lacco Ameno gefunden. Seine Thesen wurden bestätigt durch die Ausgrabungen und Forschungen des großen Giorgio Buchner, des Prie- INSEL ISCHIA ster-Archäologen Don Pietro Monti und von David Ridgway. Als Experten der bildenden Künste nutzten die Griechen die Tonerdevorkommen und riefen eine blühende Vasenindustrie ins Leben. Zunächst wiederholte die Produktion die euböischen Formen, aber dann wurde diese reicher, bis man schließlich typische Vasen aus Pithekoussai schuf. Dann spezialisierten sich die Griechen auch auf die Formung von Import-Eisen der Insel Elba, und sie zeigten sich geschickt bei der Bearbeitung kostbarer Gegenstände. Die archäologischen Ausgrabungen am Fuße des Monte di Vico brachten auch einen Tempel aus republikanischer Zeit sowie eine von Geländern in Retikolatmauerwerk umzäunte Palästra ans Licht, Zeichen eines römischen Dorfes aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Verschiedene Funde deuten auf das Vorhandensein einer christlichen Gemeinde zur Aufnahme des Leichnams von Santa Restituta hin, der Märtyrerin aus Karthago, welche nach einem Bericht des 11. Jahrhunderts “in loco qui dicitur Eraclius” begraben wurde. Diese Heilige ist eine weitere Schutzpatronin der Insel Ischia. Ihr Fest findet im Monat Mai vom 16. bis 18. statt. Stände und farbige Lichter erneuern ein altes 53 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Villa Arbusto. Der Krug des Nestor. 54 selbständigen Museum geworden sind. Ein faszinierendes Museum unter der Erde. Die Ausgrabungen zeigen die Spuren, welche der Mensch in der verwickelten Aufeinanderfolge vergangener Kulturen hinterlassen hat: ein visueller Querschnitt durch die Inselgeschichte, von der Prähistorie über die griechisch-römisch-hellenistische Zeit bis zu den frühchristlichen Zeugnissen auf der Insel. Der Gang von den Ausgrabungen von Santa Restituta zum Archäologischen Museum der Villa Arbusta ist obligatorisch. Dank dieses Baues wurde der mythische “Tagesanbruch von Magna Grecia” zu einem sichtbaren Zeugnis. Das Museum ist in thematische Säle untergliedert, die von der älteren Prähistorie (Mittel- und Hochneolithikum, Bronzezeit) zunächst zur jüngeren Prähistorie (Eisenzeit) reichen. Dann folgen die griechische Kolonie von Pithekoussai und die Nekropolis, vom 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. und in hellenistischer Zeit, sowie schließlich Ischia in römischer Zeit. Die Säle enthalten die bedeutsamsten Funde der von den Griechen gegründeten Siedlung. Die Bevölkerung Mittelitaliens änderte von den pithekousanischen Griechen das Alphabet, wie das Epigramm in drei Versen bezeugt, das auf einer berühmten Tasse eingraviert ist. Letztere spielt, auf euböisch, an auf den bekannten, in der Ilias beschriebenen Becher des Nestor. Es sind Stücke einer Epoche intensiven Handels und einer starken politischen Bedeutung, deren Niedergang erst nach der Entwicklung von Cuma begann. Geht man im kleinen Lacco Ameno von der Strandpromenade Angelo Rizzoli zu den sanft abfallenden Hügeln und weiter bis zum Ortsteil Fango mit der Kirche San Giuseppe, so atmet man eine vornehme und zugleich volkstümliche Atmosphäre. Kehrt man dann an die Küste zurück, dann kann man nicht dem gewaltigen Bauwerk des MontevicoTurms entgehen, den Alfons I. von Aragona (15. Jahrhundert) als Sichtungs- und Verteidigungsturm gegen die Sarazeneneinfälle erbauen ließ. INSEL ISCHIA Ritual, das seinen Clou am ersten Tage hat, wenn in der San Montano-Bucht die Aufführung des Martyriums und der Ankunft der Heiligen in Lacco Ameno organisiert wird. Herz von Lacco Ameno ist natürlich die Piazza Santa Restituta, welche die Kulisse für bedeutende Sommerevents ist: Festspiele unter Beteiligung von bekannten Persönlichkeiten. In jedem Falle bewahrt der Platz seit fernen Zeiten eine starke religiöse Besonderheit, die sich in den dort erbauten Tempeln und vom geistlichen und intellektuellen Weg von Don Pietro Monti offenbart. Als Priester-Archäologe trug er dazu bei, die Geheimnisse der Vergangenheit zu enthüllen. Die Wallfahrtsstätte Santa Restituta kennzeichnen eine sogenannte “große”, von den Karmelitanern errichtete Kirche mit angeschlossenem Kloster, sowie das aus einem römischen Gebäude hervorgegangene Kirchlein und die kleine Basilika. Zum Komplex der Wallfahrtsstätte gehören - ebenfalls auf Veranlassung von Don Monti - auch “die Ausgrabungen und das Museum von Santa Restituta”. Sie sind ein Beispiel für Grabungszonen, die zu einem 55 INSEL ISCHIA Die Soccorso-Kirche. FORIO D’ISCHIA INSEL ISCHIA Paläste, Gassen, Monumente wie die Torrioni, und architektonische Perspektiven verleihen Forio, von flos (der Inselblüte), eine unvergleichbare Identität. Als Buen Retiro von Künstlern und Intellektuellen aus der ganzen Welt: von W. H. Auden bis Visconti, von Moravia bis Capote, von Walton bis zu vielen anderen wurde das größte Gemeindegebiet der Insel jahrzehntelang als ein mehrsprachiger Salon betrachtet, der sein “entscheidendes Anziehungszentrum” an den Tischen der mythischen Bar Internazionale von Maria hatte. Geographisch gleitet Forio vom Epomeo hinab zum Sandstrand von Citara und bis nach San Francesco. Es windet sich durch die Viertel Santa Maria al Monte, Monterone, Cierco, San Vito und Soccorso mit ihren Kultstätten: zum Beispiel der Päpstlichen Basilika Santa Maria di Loreto, der Erzbruderschaft Santa Maria delle Grazie sowie den Kirchen Santa Maria della Neve und San Carlo Borromeo. Dies alles sind Orte, welche vielfältige Geheimnisse hüten, die es, angefangen vom historischen Zentrum, zu entdecken gilt. Auf der Piazzetta Luca Balsofiore steht die Kirche San Gaetano, welche eine für die lokalen Kirchen typische Fassade aufweist und die für An einem Tisch der mythischen Bar Maria auf einem Foto der Sechziger Jahre. 57 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Kirche San Gaetano. Die Soccorso-Kirche. 58 pulsierenden Herz des Städtchens, begibt man sich in Richtung auf das Kap Soccorso. Auf der Piazza del Municipio (Rathausplatz) gibt es zwei Kirchen: San Francesco di Assisi, mit dem altem Kloster (heute Sitz des Stadtpalastes), und die Erzbruderschaft Santa Maria Visitapoveri. Im Kreuzgang des Klosters befinden sich die Reste von Gemälden des Neapolitaners Filippo Baldi mit Episoden aus dem Leben des Heiligen Franz von Assisi und seinen ersten Jüngern. Erzbruderschaft und Kirche wurden um 1614 gegründet und bildeten das Zentrum eines intensiven religiösen Kultes. Kennzeichen der Architektur ist die doppelte Fassade, das heißt von Kirche und Hof. Die Kirche zeigt die bildnerische “summa” von Alfonso Di Spigna. Wenige Schritte weiter zum Meer steht die Santa Maria della Neve geweihte INSEL ISCHIA den Ort charakteristische Kuppel. Nach wenigen Metern ist dort eine regelrechte Gemäldegalerie: die Päpstliche Basilika Santa Maria di Loreto, die mit dem angeschlossenen alten Krankenhaus und dem Oratorium der Heiligen Jungfrau Maria zur Erzbruderschaft Santa Maria di Loreto gehört. Nach der Überlieferung hatte sie ihren Ursprung im 14. Jahrhundert und wurde als Zentrum der Marienfrömmigkeit angesehen. Im Laufe der Jahrhunderte war sie der Mittelpunkt einer intensiven Wohltätigkeit, die man durch Formen der Fürsorge und der Leitung des im Jahre 1596 gegründeten Krankenhauses realisierte. Besondere Verehrung gilt der Madonna von Loreto, deren Ikone am Ende der Apsis auf einem Marmorthron aufgestellt ist. Von der Straße des Shopping und des Flanierens, dem 59 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Kirche Santa Maria auf dem Monte Epomeo in einer historischen Aufnahme. Thermalgarten. 60 Soccorso-Kirche, wegen ihrer typischen Fassade eine der schönsten Ansichtskarten Italiens. Der Kirchplatz und ein Teil der Seitenwände sind mit Majoliken aus dem 18. Jahrhundert verkleidet, die ornamentale Motive, Passionsszenen Jesu und verschiedene Heilige darstellen. Auf dem Piazzale davor endet am Karfreitag die geistliche Prozession Actus Tragicus, eine Aufführung in theatralischem Stil von seltener Intensität mit richtigen Schauspielern in Kostümen. Sie geht den Veranstaltungen der Karwoche voran, die im sogenannten Flug des Engels zu Ostern ihren Höhepunkt finden. Auf der Hügelseite trifft man auf Perspektiven von seltenem Reiz und noch religiöse Stätten, die wegen ihrer geschichtlich-kulturellen Charakteristiken von Bedeutung sind. Nicht zu versäumen ist die dem Schutzpatron San Vito geweihte Mutterkirche des Ortes, welche zur Päpstlichen Basilika erhoben wurde. Ihre Ursprünge liegen in alter Zeit: Ein Dokument von 1306 macht den Forianern ihr Recht auf das Patronat der Kirche geltend, das sie schon seit der vorhergehenden Epoche besaßen. Das bedeutendste erhaltene Werk ist natürlich die aus Silber und vergoldetem Kupfer bestehende Statue von San Vito - eine Schöpfung der neapolitanischen Goldschmiede Del Giudice, nach einem Ent- INSEL ISCHIA wurf des Bildhauers Giuseppe Sammartino. Das San Vito-Fest wird vom 14. bis 17. Juni gefeiert. Es zeichnet sich durch intensive Momente sowohl unter dem Gesichtspunkt des Glaubens als auch der Folklore aus: Messen, Prozessionen (auch auf dem Meer) und Konzerte von Kapellen in einer mitreißenden Szenerie von Ständen und Karussels, sowie eines spektakulären Feuerwerks. Ganz Forio ist miteinbezogen und überfüllt durch Tausende von Touristen, Neugierigen und Gläubigen. Auf der Via Gaetano Morgera steht hingegen die Kirche San Carlo Borromeo, ein von den Gebrüdern Sportiello 1620 errichtetes Meisterwerk. Die Kirche hat ein lateinisches Kreuz mit einem einzigen Schiff. Wegen der Verwendung von grünem Tuffstein der Insel ist sie einzigartig; denn gewöhnlich ist er Baumaterial für Wohnhäuser, wird aber hier für das Außenportal, die Bögen und für das Kranzgesims gebraucht. Dabei weisen die Pfeiler, Lisenensockel und Verkleidung einiger Kapellen eine halbe Muschelschale aus einem einzigen Tuffblock auf. Wunderschön. Alle Gemälde stammen vom Forianer Cesare Calise. Obwohl auch das Viertel Monterone und die Panoramazone auf der anderen Seite, also in San Francesco, von Bedeutung ist, kann man nicht der Kletterpartie bis zu den Hängen des Epomeo entgehen. Hier, auf über 400 Metern über dem Meeresspiegel, fällt die Kirche Santa Maria al Monte ins Auge, die 1596 von der Familie Sportiello gegründet wurde: Sie steht am Gipfelpunkt einer Tour durch ein faszinierendes Habitat, ideal für die Freunde des Höhenwanderns. Von diesem strategischen Punkt aus kann man zwischen einer Exkursion zu den Frassitelli, dem Land des Weißweins, wählen oder nach Bianchetto, um den Falanga-Wald zu erreichen, eine geheimnisvolle und überwältigende Oase von mediterraner Macchia und Kastanienbäumen. Hier stehen Steinhäuser, Weinkeller und alte Zufluchtsorte für die ersten Bauern der Gegend, unter denen die sogenannten “neviere”, also Schneegruben hervortreten. 61 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA La Mortella-Garten. 62 che San Leonardo Abate. Ihre Existenz ist seit 1536 dokumentiert. Eine Exkursion in das Gemeindegebiet von Forio gebietet es auch, bei der Villa La Mortella im Zara-Wald Station zu machen. Dort findet von April bis September eine Konzertsaison statt mit Konzerten an jedem Wochenende. Sie ist auch als Villa Walton bekannt und wurde mit ihrem herrlichen Garten schon vor einigen Jahren als schönster Park Italiens bezeichnet. Sir William Walton, der große englische Musiker, ließ sich 1956 mit seiner Frau Susanna auf Ischia nieder und beschloss, sein Domizil mit einem prächtigen Garten in der vulkanischen Gegend des Monte Zaro zu erbauen. Der Garten ist ein Ort voller Zauber und Anziehungskraft. Entworfen vom Landschaftsmaler Russel Page, stehen im Garten über 3000 seltene Pflanzen. Lady Susanna gelangte 1948 von Argentinien nach Europa, dem Jahr ihrer Heirat mit William. Zusammen mit dem Trio der Gebrüder Sitwell nahmen sie dort an einer der bedeutendsten Konzertsaisons des 20. Jahrhunderts von England teil. Der exotische Garten war für jene Gruppe die “summa” ästhetischen Denkens, welche dann von Page Genius interpretiert wurde. Der Garten hat eine Progression, wobei die Mikroklimen sein Geheimis bilden. Er ist der Triumph von Biologie und Technologie. In einem geräumigen Tropenhaus befindet sich die größte Seerose der Welt, die Victoria Amazonica, mit bis zu 40 cm breiten Blüten und Tablett-Blättern mit einem Durchmesser, der auch zweieinhalb Meter erreicht. Nicht weit von der Mortella und stets im Zaro-Wald besteht die Möglichkeit, die eindrucksvolle Villa Colombaia mit einem beachtlichen Garten zu besichtigen. Ihr Eigentümer war der große Film- und Theaterregisseur Luchino Visconti, welcher entschied, sich hier begraben zu lassen. INSEL ISCHIA Man erkennt sie am tropischen Farn, das hier entlang der trockenen Begrenzungsmauern gedeihen konnte. Es ist ein einzigartiges Szenarium. Natürlich ist der Weg, der von hier aus zum Gipfel des Epomeo führt, ein Traumpfad. Von oben werden Buchten wie die herrliche Citara-Bucht überragt, mit aufeinanderfolgenden Sandstränden bis nach Cava dell’Isola und darüber hinaus, und von Chiaia bis nach San Francesco; und natürlich auch die am Rand gelegenen Ortschaften, wie der dichtbesiedelte Ort Panza, Bezugspunkt für Exkursionen nach Sorgeto, der winzigen Meeres- und Thermalbucht (die heißen Quellen fließen zwischen den Felsen, und das Quellwasser vermischt sich mit dem Meerwasser), und nach Sant’Angelo. Im Zentrum der Ortschaft steht oben auf einer Freitreppe mit weitem Hof die Pfarrkir- 63 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Die Landenge von Sant’Angelo. Bleibt man auf dem Gipfel des Monte Epomeo (788 Meter), der nunmehr zum festen Ankunftspunkt einer der schönsten Exkursionen Kampaniens geworden ist, so ist das Klima dasjenige hoher Hügel, also ein wenig kontinental. Steile Furchen, außerordentliche Gemüseund Weingärten, Wälder und Lichtungen sind die typischen Seiten dieser Gegend. Sie besteht aus den zwei Hauptorten Serrara und Fontana und ist durchsetzt von Toponymen wie Kalimera und Noia. Diese bezeichnen Dörfer, welche eine eindeutig griechische Prägung haben und wegen der Reste eines noch verwendeten gemischt-hellenischen Dialektes auch heute vom Geheimnis umhüllt sind. Dann gibt es Ciglio und Succhivo mit ihren unausbleiblichen weißen Kirchlein; und schließlich die Landenge von Sant’Angelo, die Fußgängerzone mit dem kleinen Hafen, der von den Promis und den Yachtmen aller Nationalitäten frequentiert 64 wird, sowie die kleinen Treppen und Straßen, welche das Viertel prägen. Sant’Angelo ist in jeder Beziehung ein gastfreundliches Viertel und, auch wegen seiner von der Historie erfüllten geographischen Charakteristiken touristisches Hauptzentrum der Gemeinde. Die 106 Meter hohe Landenge ist durch einen 119 Meter langen Sandstreifen mit dem Ort verbunden. Dort unten gab es ein kleines Kloster, und später wurde hier ein Wachturm errichtet, der zwar 1809 durch Kanonenschüsse zerstört wurde, von dem man aber heute noch den unteren Teil sieht. Hier feiert man in der Woche mit dem 29. September (Tag der Erzengel) das Fest des Erzengels Michael. Das Volksfest ist wegen einer Reihe von Besonderheiten überwältigend: nicht nur wegen der Musikkapelle, sondern vor allem wegen einer faszinierenden Prozession auf dem Meer mit Einschiffung im kleinen Fischerhafen. Zunächst wird Kurs auf die Punta Chiarito genommen INSEL ISCHIA SERRARA FONTANA Blick auf Sant’Angelo. 65 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Sant’Angelo. und dann auf die Maronti-Bucht. Dazu ertönt ein unaufhörliches Feuerwerk bis zum nächtlichen Schlusspektakel mit einzigartigen Impressionen. Nach Succhivo zu und dem Landesinneren trifft man auf die Kirche der Madonna von Montevergine, gegründet 1684 von der Familie Mattera. Im 18. Jahrhundert wurde sie einige Jahre lang von einem Eremiten behütet. In Serrara rastet man traditionellerweise an einem Aussichtspunkt auf das Meer und die Küste, welche die Landenge von Sant’Angelo dominieren. Im Westen geht der Blick auf die Pontinischen Inseln, und im Südosten nach Capri. In der Nähe des Aussichtspunktes steht die zweischiffige Pfarrkirche Maria Santissima del Carmine. Die Kirche rechts ist nichts anderes als die ehemalige, von Natale Iacono 1733 gegründete Kapelle San Pasquale. Heute bildet sie die Kapelle San Vincenzo Ferreri, dessen Kult hier sehr gepflegt wird und dessen Bild natürlich auf dem Altar thront. Beim Weitergehen ber66 INSEL ISCHIA gan nach Fontana tritt auf halber Strecke das Dorf Kalimera (von griechisch: “schöner Tag”) hervor, und nicht weit davon das Dorf Noia. Letzteres hat einen weiteren Namen griechischer Ethymologie (mit der Bedeutung: “hoch gelegener Ort - Oberland”). Es schützt die Stelle eines in ferner Vergangenheit bewohnten Ortes. Jenes griechische Erbe blieb, wie bereits erwähnt, für Jahrhunderte mit deutlichen Spuren im lokalen Dialekt erhalten. Zu sagen ist, dass in dieser Zone eine beachtliche Zahl von Töpfergefäßen gefunden wurde, und zwar aus dem Zeitraum vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 8. Jahrhundert n. Chr. Fontana ist ein altes mittelalterliches Dorf, von dem man schon in den Anjou-Registern von 1270 und auf einem Marmordenkmal des Bischofs Bussolaro spricht. Letzteres stammt aus Noias Fabriken, welche dieser Geistliche erbauen ließ. Wenn man von Fontana die Augen auf den Gipfel des Epomeo mit der Einsiedelei San Nicola richtet, verstärkt sich die Gefühlsregung um ein Vielfaches. Diese Orte erreicht man auf Fußwegen von außerordentlicher Schönheit oder auf dem Rükken eines Maulesels. Der Gipfel ist eine gewaltige Masse grünen Tuffsteins, in welche die frühere Einsiedelei und das dem Heiligen Nikolaus von Bari geweihte Kirchlein gegraben wurde. Einsiedlerei und Kirche gehen schon auf das 15. Jahrhundert zurück. Erstere erreichte ihre Blütezeit im Laufe des 18. Jahrhunderts, als dort einige Eremiten wie Giorgio il Bavaro verweilten, und auch der Inselgouverneur Giuseppe d’Argouth flämischer Abstammung. Die Eremiten blieben hier bis zum Zweiten Weltkrieg. 67 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Belvedere von Barano.. Sie ist flächenmäßig die zweitgrößte Gemeinde der Insel und hat einen ländlichen Charakter von unbestreitbarer Faszination bewahrt. Sie besitzt auf der Südseite Hügel, die zum Meer hin abfallen, wo sich die Maronti-Bucht öffnet, ein wichtiger touristischer Anziehungspunkt. Außer dem Hauptort bietet die Route zwischen den Siedlungen im Landesinneren die Möglichkeit von Exkursionen und Höhenwanderungen, vorbei an Weinkellern, Häusern mit “Tonnen”-Dächern und bedeutsamen Zeichen bäuerlicher Kultur, von Chiummano nach Schiappone und von Molara nach Testaccio. In Buonopane ist die schon seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. für ihre heilbringenden Eigenschaften bekannte Nitrodi-Quelle eine Station, auf die ein Wellness-Urlauber nicht verzichten darf, und dasselbe gilt auch für die 68 INSEL ISCHIA BARANO D’ISCHIA zwischen Pinienwäldern liegende Buceto-Quelle in Faiano. In Buonopane, dem alten Moropano, wird am 24. Juni das Fest Johannes des Täufers gefeiert, dem Schutzpatron der Gegend. Dabei wird auf dem Kirchplatz der bekannteste ischitanische Volkstanz, die ‘Ndrezzata vorgeführt. Sie ist ein sinnlicher und rhythmischer Tanz, sehr charakteristisch und voller Symbolik. Auch am Ostermontag wird die N’drezzata getanzt. Kommt man von Süden, also von Testaccio, so wird die herrliche Maronti-Bucht überragt. Auf der Piazza steht das Denkmal des Heiligen Georg, Schutzpatron der Ortschaft. Auf der Gedenktafel wird an das Wirken des aus Griechenland stammenden Generals Giorgio Carafa erinnert, der 1763 auf eigene Kosten die Straße zum Marontistrand erbauen ließ. Nicht weit davon in Richtung auf den Hügel steht die 1748 vom Priester Aniello Nobilione gegründete Kirche der Madonna delle Grazie. Hat man die Kirche passiert, so erblickt man den alten Turm der Familie Siniscalchi und die altehrwürdige Pfarrkirche des Heiligen Georg, von der wir seit dem 16. Jahrhundert Kenntnis haben. Der Georgskult ist schon seit dem 14. Jahrhundert dokumentiert, Der Marontistrand. 69 INSEL ISCHIA INSEL ISCHIA Testaccio. 70 Gekreuzigten, 1731 von der Familie Menga erbaut. Besichtigt man hingegen das Zentrum des Hauptortes Barano, so stößt man auf die Pfarrkirche des Heiligen und Märtyrers Sebastian, vermutlich vom Ende des 16. Jahrhunderts, und der vor kurzem restaurierten Kirche San Rocco. Nicht zu versäumen ist auf der entgegengesetzten Seite des Gemeindegebietes die Mariä Geburt geweihte Wallfahrtskirche Santuario dello Schiappone, gegründet im 17. Jahrhundert von der Familie Siniscalchi. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Kirche von Domenico Savino mit Stuckwerk dekoriert, während der Altar und die Marmorbalustrade aus dem 18. Jahrhundert stammen. Von hier aus gelangt man zu einer weiteren Etappe: dem Vorgebirge San Prancrazio mit der kleinen, gleichnamigen Kapelle, die nicht nur von den Pilgern während des Monats Mai aufgesucht wird. Dieser Ort blickt auf eine wirklich einzigartige Landschaft mit Steilküste und mediterraner Macchia. INSEL ISCHIA und außerdem wird er als ein kleiner Schutzpatron der Insel verehrt. Nicht zu vergessen ist ferner, dass sich im Pfarrarchiv wertvolle historische Informationen über die türkische Korsareninvasion der Insel Ischia von 1536 und vor allem von 1544 durch den aus Griechenland stammenden und Barbarossa genannten Khair ad-Dîn erhalten haben; sowie auch über die Zahl der Gefangenen, die er mit sich forttrug, um sie dann in Algerien als Sklaven zu verkaufen. Geht man durch die Pianole, also die Ebene, wo heute noch Der Strand von Fumarole, an der Westseite der Maronti- Äpfel und andere ObstsorBucht, ist bekannt für seine Erscheinungen von sekundä- ten angebaut werden, rem Vulkanismus: Wasser und Dämpfe erreichen bei 100 dann gelangt man zum Grad (°C) die Oberfläche. Hier hat sich die Tradition Vatoliere mit seiner tiefen bewahrt, Speisen direkt in gegrabenen Sandlöchern am vulkanischen Talmulde, Strand zu kochen, also in regelrechten natürlichen Öfen. dem “mythischen” Graben Man bereitet Kartoffeln, Fisch, Hühner und Eier zu, die in Tüten eingewickelt an einem Seil mit Vorsicht in die “Öff- kurz hinter der Kirche nung der Fumarole” eingelassen und mit heißem Sand Sant’Alfonso Maria de’Lizugedeckt werden. Den ungeschälten Kartoffeln wird ein guori: Von hier aus kann kleiner Rosmarinzweig beigefügt. Entsprechend sind die man anschließend eine Eier in 10-20 Minuten fast hartgekocht, mit einem leichten Höhenwanderung bis zum Schwefelgeschmack. Sehr geschätzt wird das Huhn, das Panorama von Chiummazusammen mit aromatischen Kräutern in einer Hülle aus Sil- no steil über dem Meer berpapier 70 cm tief untergebracht wird. Nach circa einer unternehmen und dann Stunde ist es fertig: Langsam zieht man das Seil mit dem unter dem Sand versteckten Bündel wieder hoch, und dann weiter den Saumpfad zum steinigen Meeresufer von verzehrt man das Huhn heiß. Scarraputa einschlagen. Geht man weiter, so erreicht man das Viertel Piedimonte, einst Piejo genannt, mit der Kirche Santa Maria la Porta, die früher der Unbefleckten Jungfrau Maria geweiht war. Bergauf gelangt man danach zur Ortschaft Fiaiano, von wo aus im Jahre 1301 die Vulkanlava strömte und auf Ischia die Arso-Zone schuf. Es gibt dort einen schönen Pinienwald, und dann geht man in die Waldoase Cretaio mit der Buceto-Quelle: obligatorisches Wanderziel und erreichbar über markierte Wege. Die Straße nach Cretaio, mit Blick über den Golf von Neapel, windet sich durch Kastanienwälder bis zum Dorfkirchlein des 71 j D 72 “a spaghetto”), Broccoli, Auberginen, Gartenkürbis (zucchine), Kartoffeln, Artischocken und Paprika. Auch fehlt es nicht an Linsen, Erbsen, Platterbsen (cicerchie) und Bohnen, wobei letztere in verschiedenen Sorten vorkommen: als Zampognari mit purpurroten Flecken, für Suppen; oder als Tabacchini und Fascisti klein und länglich, in den Nuancen weiß und schwarz. Der vulkanische Boden begünstigt das Gedeihen der Tomaten, welche gewöhnlich traubenweise geerntet werden und miteinander verflochten sind, um die charakteristischen Pendel (piennoli) zu bilden und dann für den Winter in belüfteten und trockenen Räumen gelagert werden. Herrlich erscheint dann das in denGärten angebaute Obst: Orangen, Zitronen, Mandarinen, Clementinen, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Feigen, Pfirsiche, Aprikosen; und dann Oliven, aus denen man auch ein vorzügliches Öl gewinnt. Verbreitet ist ebenfalls die Honigproduktion. Entlang der Küsten liefern die Fischer, je nach Saison, eine gute Menge an Seebarsch, Fleckbrassen, Seebrassen, Goldbrassen, Steinbutt, Kabeljau, kleine Thunfische, Blaue Fische (pesce azzurro); und dann Garnelen, Tintenfische, Pfeilkalmare und Langusten, welche mit weniger edlen Fischen nach einfachen und köstlichen Rezepten auf den Tisch kommen. j ie ischitanische Gastronomie als Ausdruck eines fruchtbaren Landes beruft sich auf die Landwirtschaft und vor allem auf den Weinbau. Sie verdankt alles der Zubereitungsweise “alla cacciatora” für das mit Korn gemästete Kaninchen, das in Tuff- oder Lapillusgräben der Landgüter gezüchtet wird, oder in Käfigen. Es wird auch in den Wäldern gejagt, wo es heute noch frei lebt, und zwar in einem natürlichen Umfeld reich an außergewöhnlichen Maronenpilzen, Brombeeren, Baumerdbeeren und Spargel. Das Rezept “Kaninchen (coniglio) all’ischitana” fand Eingang in die Haute Cuisine. Beim Essen herrschen Düfte von Gemüse- und Wildaromen vor wie Origano, Poleiminze, Rosmarin, Dill, Thymian und Majoran, aber auch viele natürlich wachsende Kräuter: Mangold, Rucola, Melisse und Gurkenkraut. Alt und fest ist die vorzügliche Tradition des im Holzofen gebackenen Brotes, welches man überall beim Bäcker kaufen kann. Zu den zahllosen ischitanischen Quellen des Gusto gehört auch eine tausendjährige Produktion von Qualitätsweinen mit der Bezeichnung DOC (Denominazione d’origine controllata) vieler Erzeuger, die sie in ganz Italien verkaufen und auch ins Ausland exportieren. Der Erfolg des Weines ist mit einigen edlen Weinreben verbunden. Die Weißweine tragen die Bezeichnung Biancolella, Forestera (1850 eingeführt und zu einer Besonderheit der Gegend geworden), Rilla; Guarnaccia und Per’e palummo als lokale Variante des Piedirosso sind Rotweine. Von Bedeutung sind auch San Lunardo, Cannamelu und andere autochthone Reben; und ferner werden Fiano, Aglianico und spezielle Weintrauben angebaut, um Prestigearomen zu produzieren. Seit Jahrhunderten werden auf den Hügeln der Insel auch Ziegen und Schafe gezüchtet, von denen man Milch und Käse gewinnt; und außerdem Rinder, Wildschweine und viele Schweine, dank derer die Produktion von Wurstwaren nun erneut lanciert wurde. Die vorherrschende bäuerliche Kultur wird durch den Anbau aller Arten von Gewächsen noch verstärkt: grüne Bohnen unterschiedlichen Typs (aber selten diejenigen INSEL ISCHIA Gusto INSEL ISCHIA KANINCHEN NACH ISCHITANISCHER ART (CONIGLIO ALL’ISCHITANA) Das Kaninchen zusammen mit einem ganzen Knoblauchkopf stückweise in der Sartana, der traditionellen Kupferpfanne anbraten. Nach dem Anbraten kommt es in den “tiano”, eine besonders empfohlene Pfanne aus Terrakotta, welche die Hitze der Flamme gleichmäßig verteilt und die Feuchtigkeit bewahrt. Dann Weißwein, Cocktailtomaten und einen kleinen Zweig Thymian hinzufügen. Gegen Ende des Bratens wird die schmackhafte Speise mit Basilikum und Petersilie gewürzt, während die Innereien, besonders “‘mbrugliatelli” und Leber - die besten Stücke -, die vorher gesäubert und in ein Bad aus Wasser, Zitrone und Wein gegeben wurden, in Petersilie eingehüllt (sie werden nach der Anbratphase hinzugefügt) gebraten werden. Die erzielte Soße am Ende des Bratens wird für die Nudeln verwendet. 73 INSEL ISCHIA Shopping in Souvenir findet man bestimmt. Die Geschicklichkeit der ischitanischen Töpfer geht auf längst vergangene Epochen zurück, und die Fähigkeit der lokalen Kunsthandwerker und Meister der Terrakotta, die Tonerde mit großer Leidenschaft und Kreativität zu bearbeiten ist ein wenig magisch geblieben: Sie sind die perfekten Erben von internationalem Karat einer gloriosen Vergangenheit, welche aus Handelsbeziehungen und außergewöhnlichen Handelsgeschäften bestand und uns an die griechische Zivilisation erinnern lässt. Ihre Läden befinden sich im Herz aller historischer Zentren auf der Insel und an den strategischen Orten des Tourismus, wo man einem regelrechten Wettbewerb von Farben, Formen und Erfindungsgabe beiwohnen kann, zwischen Vasen, Tellern und Fliesen mit Blumenmotiven; oder phantasiereichen Majoliken, raffinierten Landschaftsdarstellungen und kostbaren Objekten, die als wahre, ständig ausgestellte Kunstwerke zu betrachten sind. Eine Art von Kunsthandwerk, das die Verwurzelung der bäuerlichen Kultur ausdrückt, ist das Flechten von Myrtenrohren oder Myrtenzweigen: Mit dieser Technik schafft man, besonders in Buonopa- INSEL ISCHIA E ne, Körbe unterschiedlicher Dimensionen, Tragkörbe, Behälter in diversen Größen und allgemein gebräuchliche Gegenstände, die man vor allem während der Messeveranstaltungen und den verschiedenen, das ganze Jahr über gefeierten Patronatsfesten finden kann. In Forio besteht die Möglichkeit, zur Erinnerung an die nunmehr verschwundene Tradition des Getreideanbaus Personen zu finden, die Heu und Raphia gebrauchen, um daraus unterschiedlich große Körbchen und kuriose Puppen zu fertigen. Auf der Insel fehlt es nicht an ethnisch inspirierten Geschäften, voller lebhafter und farbiger Kunstobjekte, und Läden, wo das Holz der künstlerischen Phantasie freien Lauf lässt. Und für die Liebhaber alter Drucke ist es schließlich in Ischia Ponte und Forio möglich, Sammlerstücke zu kaufen. 74 75 PROCIDA “ Ach, ich würde weder eine Möwe noch ein Delphin sein wollen; ich würde mich damit begnügen, ein Drachenkopf, der hässlichste Seefisch zu sein, wenn ich mich nur dort unten wieder fände, um in jenem Wasser Spaß zu machen. ” (“L’isola di Arturo”- Elsa Morante, 1957) INSEL PROCIDA INSEL PROCIDA Orte, events, feste rocida ist die kleinste der parthenopeischen Inseln Sie bewahrt noch authentische Faszination als Ausdruck einer tiefverwurzelten, von bäuerlichen Traditionen durchsetzten Seefahreridentität. Ihr Name stammt von Prochyta, also Emporgeflossene, aus den Wassern Erhobene, und ist das Vulkansystem des phlegräischen Raums miteinbezogen.Übrigens kann man an ihren Küsten sieben Krater identifizieren, welche durch den Wechsel von Steilküsten und Stränden gekennzeichnet sind. Die auf der nahegelegenen kleinen Insel Vivara zum Vorschein gekommenen Funde bezeugen, dass Procida seit dem 17. und 16. Jahrhundert v. Chr. von den Mykenen bewohnt war: ein Zeitalter, in dem sie ein wichtiger Kreuzungspunkt für die Bearbeitung von Metallen und deren Vermarktung wurde. Die jüngere Vergangenheit lässt uns dagegen die Begebenheiten des Feudalherren Giovanni da Procida in Erinnerung zurückrufen, bekannt durch seine Vorbereitung der Sizilianischen Vesper. Aber als sympathischster Aspekt der Insel gelten die Wohnhäuser, welche die Seele ihrer alten Viertel bilden. Die Häuser sind farbig, um auch aus weiter Entfernung erkennbar zu sein, das heißt von den Seefahrern P Marina Grande. 79 INSEL PROCIDA La Graziella. Alphonse de Lamartine. Das Istituto Nautico von Marina Grande aus gesehen. 80 INSEL PROCIDA mitten auf dem Meer. Und sie sind auch originell, weil puzzleartig zusammengesetzt. Sie wirken auf auf dieReisenden schon bei ihrer Ankunft in Marina Grande, dem Handelshafen, neben dem sich die Anlegeplätze für die Fischkutter und der Touristenhafen für die Yachten und Boote der Wassersportler befinden. Die visuelle Wirkung ist sofort anziehend. Nicht per Zufall pries der große Cesare Brandi, Begründer des Restaurierungsinstitutes, diese “atemlos” lassenden Perspektiven. Er unterstrich dabei die “Aneinanderreihung hoher Häuser in allen Farben, eng gestellt wie eine Straßensperre, mit vielen halb geschlossenen Bögen, als wenn sie ein Auge zusammenkneifen würden”. Sie sind das Symbol für eine entscheidende Einkehr, für eine Architektur, die “mediterran ist und einen noch bis vor kurzer Zeit lebendigen Ausläufer der spätrömischen und Byzantinischen Architektur darstellt. Bögen und Gewölbe, nichts anderes als Bögen und Gewölbe, mit bestimmten Gestaltungen von Freitreppen, die liebenswert sind wie ein Kompliment.” Emblematische Äußerungen, welche entlang der procidanischen Routen begleiten. Vom Hafen ist der Blick auf den mit Zinnen versehenen Bau des Palazzo Montefusco gerichtet, der sogenannte Kettenpalast (eine Kette war als mobile Barriere am Eingang angebracht, um neugierige Passanten abzuhalten), einst im Sommerdomizil der Königlichen Familie. Diese Gegend war in der Vergangenheit durch in den Tuff gegrabene Unterstände für Boote auf einer Sandbank. Heute fallen dort die Werften auf - konkrete Zeichen für die Tatigkeit und historische Berufung der Bewohner. Rechts in Richtung Osten ist der Grotten- Strand oder della Silurenza. Links vom Hafenbecken befindet sich dagegen der Lido della Lingua, der gewöhnlich von den dort schwimmenden und ins Wasser springenden Tagespendlern gestürmt wird, die mit der Fähre von Pozzuoli und Neapel kommen. Man gelangt in das Herz der Flaniermeile Via Roma mit Restaurants, Geschäften und Kaffeebars, und bemerkt ein weiteres Symbol der Identität: das Holzkruzifix, welches seit 1845 die religiöse Hingabe der Seeleute wenige Schritte von der Piazza di Sent’Cò (dialektal für Sancio Cattolico) darstellt. Letzterer ist Anziehungspol für die folkloristischen und wichtigsten öffentlichen Veranstaltungen. Dort befindet sich auch die Kirche Santa Maria della Pietà, deren ursprünglicher Kern eine Kappelle von 1616 ist. Geht man den neuen Hafen weiter entlang, so spürt man bald den fernen Zauber der Aufenthaltsorte von Alphonse de Lamartine, dem Autor des 1852 geschriebenen Romans Graziella, der die Tugenden der auf der Insel lebenden Frauen in einen umfassenden Mythos verwandelte. Ein Gebäude von 1786 mit einem hohen Portal ist der Sitz der ältesten europäischen Navigationsschule Istituto tecnico nautico Francesco Caracciolo. Der Hafenbereich drückt auch veranstaltungsmäßig den procidanischen Stolz aus. Er ist der Schauplatz des Ende Juli stattfindenden Volksfestes Sagra del Mare; ein Ereignis, das jenseits von Spiel, Vergnügen und Sport zwei bedeutsame Momente bietet: den Wurf des Lorbeerkranzes ins Meer, und die Wahl der Graziella. Der Kranz wird nach einem Seelenamt für die auf See tödlich Verunglückten in der Seefahrerkirche von einem Schnellboot des Hafenamtes ins Wasser des Canale di Procida geworfen. Graziella ist natürlich die Hauptfigur des Meisterwerkes von Lamartine, das dieser vermutlich nach erlittenem Schiffbruch in den Gewässern der Insel geschrieben hat. Der Schriftsteller verliebt sich in ein süßes procidanisches Mädchen, das bei seiner Abreise nach Paris aus Liebe sterben wird. Die Geschichte unterstreicht jedoch auch die Liebe zur Insel. Die Wahl 81 INSEL PROCIDA INSEL PROCIDA eines Mädchens aufgrund seiner Schönheit, Accessoires und Frisur unter den Vertretern der “grancie”, also Vierteln der Insel, als symbolisches Erbe der nunmehr mystifzierten Graziella soll die Süße der procidanischen Frauen verewigen. Bei dieser Gelegenheit tragen letztere als historische Tracht das Kleid nach griechischerArt mit Goldstickereien, von dem jetzt nur noch wenige Originalstücke existieren. Auch bei den anderen zugkräftigen Veranstaltungsterminen gehören Folklore und Kultur zusammen: zum Beispiel bei der Route an den Tagen der Offenen Tür Procida Portoni Aperti im August, mit Besichtigung des Eingangsbereiches historischer Gebäude, bei verschiedenen handwerklich-künstlerischen, kulturellen und musikalischen Initiativen. Auf dem Weg in die Altstadt auf der Via Vittorio Emanuele II kommt man an der dem heiligen Leonhard geweihten Kirche (Ende des16. Jh.) vorbei. Er war der Schutzpatron der Sklaven, also 84 der während der maurischen Invasionen in großer Zahl gefangenen Inselbewohner. Man gelangt in das alte Herz der Architekturen von der Terra Murata, Marina Corricella und Casale Vascello, in einer Abfolge bezaubernder Panoramen. Die Terra Murata ist in der Tat der procidanische Felsen und ist die prächtige Synthese größter Gefühle, von Elsa Morante, Autorin von L’isola di Arturo, in unvergeßliche Seiten von Literatur verwandelt wuurden. Übrigens ist gerade ihr Anfang September, im Rahmen einer auf jeden Fall interessanten Kirmes, der Internationale Literaturpreis “Procida Isola di Arturo Elsa Morante” gewidmet. Auf der Terra Murata befindet sich nun die Abtei San Michele Arcangelo, dem Schutzpatron der Insel. Und hierhin flüchtete man beim Sturm der Insel durch die Piraten. Die Abtei ist Emblem der Geschichte und eine Pinakothek reich an Büchern und außergewöhnlichen Zeugnissen der Vergangenheit. Sie geht auf das Jahr 1000 zurück, als sie eine Benediktinergemeinschaft beherbergte, und wurde dann im 15. Jahrhundert säkularisiert. Während der Invasionen erlitt sie Verwüstungen, Brände und Plünderungen. In der Apsis hängt ein Gemälde von Nicola Russo aus dem Jahre 1690, welches die Versenkung der Barbarenflotte dank eines vom Schutzengel bewirkten Wunders darstellt. Die darunter liegenden Räumlichkeiten mit den zu den verschiedenen Kongregationen gehörenden Oratorien, sind reich an Faszination. Daneben ist das Kastell INSEL PROCIDA Terra Murata. Piazza dei Martiri. Kirche des Heiligen Michael. 85 INSEL PROCIDA INSEL PROCIDA Kastell D’Avalos. Karfreitagsprozession. 86 giösen Kultur. Die Prozession vollzieht sich am Freitag bei Tagesanbruch. Von der Terra Murata aus werden von jungen Leuten der Insel auf den Schultern die sogenannten Mysterien getragen, das heißt Bildtafeln mit den Episoden vom Leben und Tod Christi. Diese Tafeln werden von Jahr zu Jahr von den Jugendlichen Procidas in den Eingängen der alten Palazzi angefertigt, welche so in der Osterzeit zu einem regelrechten kunsthandwerklichen Atelier werden. Nach ihrer Fertigstellung werden sie in der Gründonnerstagsnacht zur Terra Murata gebracht. Am selben Abend findet die Prozession der zwölf vermummten Apostel statt, welche die in den acht procidanischen Pfarreien gestalteten Heiligen Gräber aufsuchen. Dabei ist zu betonen, dass diese Prozession von der Weißen Bruderschaft (Confraternità dei Bianchi) organisiert wird, während diejenige am Freitag das Werk der Tiefblauen Bruderschaft (Confraternità dei Turchini) ist. Außer den Mysterien werden am Karfreitag auch eine Holzstatue des Toten Christus und weitere Trauersymbole auf den Schhultern getragen. Die Statue stammt vom neapolitanischen Bildhauer Carmine Lantriceni, der sie 1724 schuf. Alle Teilnehmer tragen eine weiße Weste und einen tiefblauen Schulterumhang. Ein Gefühl von großer Ergriffenheit, genährt durch die Märsche der Stadtkapelle, schleicht sich unter die Tausenden von Personen (darunter viele Touristen), die sich entlang der Straßen drängen, um dem Ritual beizuwohnen. Die Insel ist völlig in die Prozession miteinbezogen. An ihr nehmen auch die Kleinen im zarten Alter teil und stellen, mit ihrem dukatengoldbestickten schwarzen Kleid in den Armen ihrer Väter Trauerengelchen dar. Die Corricella (von griechisch: kora kalè, “der schöne Ort), ist ein von den Regisseuren, die auf Procida Filmszenen spielen lassen, bevorzugter Drehort. Sie ist ein Fischerdorf, aber auch Anlegeplatz für die Schiffahrt und vor allem, mit ihren Restaurants und kleinen Läden ein perfekter Standort zum Empfang von Gästen. Die sozusagen aneinandergeklammerten Häuser beschwören eine Krippendimension herauf, mit Terrassen, Trep- INSEL PROCIDA d’Avalos, ein stattliches Gebäude des 16. Jahrhunderts. Es ist auch als Palazzo Reale bekannt, denn während des Bourbonenreiches wurde es zu einer Residenz des Monarchen bestimmt. Der König kam nach Procida, einer der vielen königlichen Jagdstätten, um Fasanen zu jagen.Im Jahre 1800 wurde das Kastell verändert und zur Strafanstalt bestimmt. Das Gefängnis wurde im Jahre 1986 geschlossen. Zum Casale Vascello gelangt man über die Piazza dei Martiri, wo die der Neapolitanischen Republik von 1799 angehörenden Patrioten erhängt wurden. Er ist ein weiter, von den dreigeschossigen Wohnhäusern völlig umschlossener Hof. Es war der erste bebaute Kern außerhalb des mittelaaterlichen Viertels Terra Murata, und er läßt sich auf das Ende des 16. Jahrhunderts datieren. An der Piazza d’Armi beginnt am Karfreitag beginnt die Mysterien- Prozession, auch Processione del Cristo Morto genannt - das spannendste und repräsentativste Ereignis für die starke Verbindung Procidas mit der reli- Karfreitagsprozession. 87 INSEL PROCIDA INSEL PROCIDA Chiaiolella La Corricella. 88 pen und gemeinsamen Innenbalkonen. Man gelangt zu ihnen über breite Treppenaufgänge oder enge Freitreppen. Zu den breiten Treppenaufgängen gehören die Gradinata larga und die am meisten frequentierte, gegenüber dem Kirchlein San Rocco (15. Jahrhundert) befindliche del Pennino-Treppe, zu den engen Freitreppen die charakteristische “Grariata scura” in Callìa (ein weiterer, auf die Schönheit anspielender Ortsname aus dem Griechischen. In einem Strudel enger Gassen stellen sie als Zeichen von Wegen eine Dimension der Mobilität auf der Insel dar: Von den Zentren aus schlängeln sich Wegrouten und winden sich Treppen, die alle an den Küstengürtel führen. An der Corricella als Oase für Fußgänger, bleibt man, bei den langsamen Rhythmen der Seeleute, dem Anblick von Sehenswürdigkeiten und Landschaft und beim Echo der netzeknüpfenden Fischer von einem natürlichen Licht geblendet, das wirklich einzigartig ist. Von der Via San Rocco nach Callìa gelangt man in die Via Marcello Scotti. Ihr Namensgeber war ein Gelehrter und Priester, der Opfer der bourbonischen Reaktion von 1799 wurde. Der Bereich zwischen Via Vittorio Emanuele und der Piazza Olmo besteht auf der linken Seite aus Palazzi mit wunderschönen Innenhöfen und Gärten, wo sich einst prominente Persönlichkeiten des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts ansiedelten: INSEL PROCIDA Palazzo Minichini, Romeo, Miramare oder Scotto di Pagliara und noch andere, welche das Meer und den Strand von Chiaia dominieren, in deren Richtung - von einem Belvedere aus - Wege bergab verlaufen, die von berauschenden Zitronenhainen gesäumt werden. Auf ebenso interessanten rechten Seite, wenngleich ohne direkte Spazierwege zur Meeresbucht, stehen der Palazzo Scotti Lachianca oder Mamozio (nach dem im Volksmund so bezeichneten ornamentalen Maskaron des Eingangs), Parascandola, Esposito, Fogoli und andere. Am Kirchlein San Vincenzo (1517) gibt es eine weitere kleine Straße, die zum Strand führt: Via dei Bagni. Weiter vorn sind die Gärten der Elsa, ein Elsa Morante gewidmeter Literarischer Park. Sie schrieb hier ihren Roman, der Procida in die Insel von Arturo verwandelt hat. Zwischen Villen und anderen Palazzi (der Palazzo Manzo ist von 1865) erreicht man die Kirche Sant’Antonio Abbate (17. Jahrhundert) am Anfang derVia Cavour. Von dort aus kann man sich zum De Iorio-Turm hin orientieren oder in die fruchtbaren Gebiete der Ortschaft Starza, mit Feldern und Weingärten eindringen und schließlich die Pfade begehen, die zur Punta Poppeto mit ihrem Leuchtturm von 1849 führen. Beim Zurückgehen kann man weitere Landperspektiven entdecken, bis zur Punta Cottimo, von wo aus man zum aragonesischen Verteidigungsturm gelangt. Er ist einer von drei Türmen, die Neapels Vizekönig don Pietro da Toledo errichten ließ. Durch weitere Wein- und Obstgärten hindurch erreicht man den Gipfel des Hügels, von wo aus man das Panorama der Bucht von Pozzo Vecchio (eines antiken Kraters) genießt. Dazu gehört der kleine Strand, der jetzt “Spiaggia del Postino” genannt wird, nachdem hier Szenen im Film von Massimo Troisi gedreht wurden. Er wird überragt von dem kleinen mit der Punta Serra abschließenden Friedhof, jenseits derer sich der Küstenabschnitt von Ciraccio erstreckt. Letzterer endet mit einem Streifen, einer Landzunge, welche die Insel mit dem Kap von Santa Margherita verbindet, Hintergrund zum Viertel Chaiolella. Und von hier macht man einen 89 INSEL PROCIDA INSEL PROCIDA Chiaiolella. Die kleine Insel Vivara. Die kleine Insel Vivara und die Zugbrücke vom Kap Santa Margherita. 90 “Sprung” zur kleinen Insel Vivara (oder Vivaro), eine Natur-, Kultur- und Tourismus-Ressource von internationaler Bedeutung, welche seit 1956 über eine kleine Brücke mit Procida verbunden ist. Diese Brücke wurde von der Cassa del Mezzogiorno erbaut, um die Aquäduktleitungen zur Trinkwasserversorgung Ischias von der Serinoquelle auf dem Festland zu stützen Um die Prinzessin Maria Josè, Ehegattin des Königs Umberto von Savoia würdig zu empfangen, wurde ein Treppenzugang konstruiert, der ursprünglich eine Rinne war. Mit 34 Hektar Fläche und drei Kilometer Küste wurde Vivara mit seiner dichten Macchia geschützter Flora und Fauna zu einem staatlichen Naturreservat bestimmt, und sie ist ein regelrechtes Labor der Natur. Hier wurden 800 floristische Biotope gezählt, und es gibt Hunderte von Zug- und Standvögeln, innerhalb einer bedeutenden archäologischen Zone: Denn es gibt Funde aus der Mykenenzeit, die im Gebiet von Punta D’Alaca mit Blick auf den Meeresarm des Genito-Golfes. In Chaiolella, seit Jahrzehnten Touristenstrand der Insel, mit einem kleinen Hafen speziell für die Sportschiffahrt (es fehlt nicht an Hotels und Restaurants) entlang des Anstieges zur Punta Solchiara, finden sich noch kleine Fischerhäuser, von vielen Inselgästen erworben, um im Sommer hier hinzuziehen. Vom Strand aus kann INSEL PROCIDA man in die Via Simone Schiano hineingehen, wo die Villa Chiaiozza steht, welche der englische Konsul M. Wentworty Gurney in der unmittelbaren Nachkriegszeit in neoklassischem Stil erbauen ließ. Man kann sich aber auch erneut, über Via San Giovanni da Procida und alternative Wege, dem Herzen Procidas nähern und dabei weitere Überraschungen suchen, wobei die Piazza dell’Olmo Bezugspunkt sein kann. Man gelangt in das Gebiet der “parùle”, einst Moorböden, die unter Einsatz charakteristischer Eimerbagger bewässert wurden, die Wasser aus den artesischen Brunnen entnahmen. Von der Via Monsignor Dom. Scotto Pagliara gelangt man dann zur Kirche des Heiligen Antonius aus Padua, die 1635 von Scipione und Giacomo Cacciuttolo gegründet wurde. Und über die Via IV Novembre erreicht man die Punta di Pizzàco, wo auf der Via Raia das Wohnhaus von Cesare Brandi ist. Dieses Gebäude wurde auch als Wohnhaus der Lamartineschen Graziella identifiziert. Vom Platz an der Kirche geht man weiter bis zum prächtigen Palazzo Guarracino, einst Jagdkasino der Bourbonen - eine obligatorische Etappe! Der Palazzo wurde zweigeschossig erbaut und zeigt in seinen Innenräumen Stuckwerk und raffinierte dekorative Elemente. Er überragt die Carbonio-Bucht in der Ortschaft Centane, mit ihrem Belvedere auf das südwestliche Meer. 91 j N Es gibt eine nicht allzusehr bekannte Meeres-”Frucht”, die - gerade wegen ihrer Definition eher ein Produkt des Landes zu sein scheint: die Carnummola. Als “Meereszitrone” oder “Meeresei” gleicht sie keineswegs einer Mies- oder Venusmuschel, sondern hat die Form einer großen schwarzen Trüffel und lebt geklammert an Felsen im Meer, auch entlang der procidanischen Küsten. Die Carnummole sind reich an Phenol und Kalium; und daher werden sie als ein starkes Aphrodisiakum betrachtet. Die Fischer verzehren sie fangfrisch und, geöffnet, mit ein paar Tropfen Zitrone. Auf Procida ist jedoch ein Rezept verbreitet, das sie mit Nudeln kombiniert. Man kann sie zermahlen und, mit Knoblauch, Petersilie, Minze, scharfem Paprika, Öl und Salz würzen. Das Ganze soll möglichst im “murtieddu”, dem Mörser zerstoßen werden. Erkaltet vermischt man es dann mit den Spaghetti. 92 j atürlich ist Fisch in allen Variationen das Gericht par eccellence in einer einfachen Küche. Dieser soll am besten “ärmlich” sein (das heißt die schmackhafte “Mazzamma”, winzige und frittierte Fische), aber in jedem Falle für jeden Geschmack und Geldbeutel, wozu süffige lokale Weiß- oder Rotweine (vorwiegend Aglianico) schmecken, die noch in kleinen Familienbetrieben hausgemacht werden. Auf Procida gibt es rund zehn Fischkutter, die jeden Tag einige Doppelzentner fangfrischen Fisches auf der Insel ausladen: Sardellen, Polypen und hochwertige Mazzancolle [eine Garnelenart], Goldbrasse, Seebarsch, Meeresfrüchte, Krustentiere und viele weitere Typologien und Arten. Das Kochbuch ist sehr abwechslungsreich und ruft die Erinnerung an kuriose Traditionen wach. In Zeiten der Not, als man man sich noch nicht einmal kleine Fische leisten konnte, wurde ein emblematisches Gericht erfunden, der “pesce fijuto”, das heißt eine Fischsuppe, bei welcher der Fisch aus der Pfanne “entflieht”: Knoblauch, Petersilie, Cocktailtomaten, Öl, und viel scharfer Paprika, was man alles kochen lässt und dann über altbackenes Brot schüttet. Als wenn man sagen wollte: “Warmes Wasser, das nach Fisch verlangt!”. Ein anderes typisches Rezept ist die Limone al piatto, bekannt als “Zitronensalat” (Insalata di limone), der jedoch in Wirklichkeit eine aus procidanischen Zitronen (groß wie Melonen und mit einem dicken Schaleninneren) zube- LIMONE AL PIATTO Den Knoblauch, die Minze und den scharfen Paprika klein hacken und in einen Teller geben, in dem die entkernten und in Stücke geschnittenen Zitronen und ein bisschen Wasser ist. Mit Öl und Salz anmachen. Viele Leute können diese Suppe nicht, die jedoch eine wahres gastronomisches, duftendes und farbiges Aushängeschild der Insel Procida ist. INSEL PROCIDA Gusto INSEL PROCIDA reitete Suppe ist. Diese bringt die Güte der einheimischen Zitrusfrüchte auf den Punkt, welche auch durch die Produktion von Likören und eines vorzüglichen Limoncello gepriesen wird. Auch an Fleisch fehlt es nicht, vor allem Freilandgeflügel und Kaninchen, die man an Festtagen zubereitet. Die Gemüse der berühmten Viertel “parùle” finden eine ideale Synthese in der “bobba”, eine Minestra aus Auberginen, Zucchini, Kartoffeln, Priester-Kürbis und Basilikum. Die Gemüse enden aber auch in der Füllung der Pizza, wie diejenige mit Eskariol und Artischocken. Gerade die Artischocken sind, ohne zu übertreiben, außergewöhnlich und sind das Essen der Fastenzeit und der Karwoche. Parallel dazu erreicht die Parmigiana di melanzane [mit Tomatensoße und geriebenem Parmesankäse im Ofen überbackene erlesene Auberginenscheiben] Qualität. Zu den charakteristischen Süßigkeiten Procidas (wenngleich importiert) gehört die sogenannte “Zunge” (Lingua), die aus Blätterteig und Creme zubereitet wird. 93 INSEL PROCIDA Shopping Gehäkelte Ohrringe. D INSEL PROCIDA as hübscheste Souvenir ist die vom Handwagen des Straßenhändlers gekaufte riesige procidanische Zitrone. Auch fehlt es nicht an Keramikateliers, wo die vielfarbigen Edelsteine bearbeitet werden. Aber insgesamt hat die Insel nicht wenige Zeugnisse des Kunsthandwerks vorzuweisen. Einige von ihnen rühmen sich einer tiefen Verwurzelung in der lokalen Tradition, wie die feinen Zeichen der Spitzen und Stickereien, aufgrund derer man Aussteuer der Bräute identifizieren kann. Diese wird mit Eifersucht in den Schubladenschränken aufbewahrt, und enthalten die Erinnerung an eine immer seltenere Tradition. Im Übrigen hat jede Stickerei ihre Geschichte und stellt eine unverzichtbare “Zugehörigkeit” dar. Im allgemeinen sind dann heute noch die Maschen- und Häkeltechniken sehr verbreitet, nachdem sie lange Zeit zur Herstellung von Bekleidungsstücken und Wäsche gebraucht wurden. Vor allem wird die Häkelnadel gebraucht, um verschiedene Modelle von Ohrringen in zahlreichen Farben und aus hochwertigen Baumwollfäden herzustellen, welche durch akkurate Modeschmuckapplikationen veredelt werden: originelle Gegenstände, deren Ruhm die Fachmagazine und Fachzeitschriften breiten Raum gewidmet haben. Es ist eine Form von Kunst, die sich in gewissermaßen mit derjenigen des Netzeknüpfens verbindet, die in den täglichen schnellen Praktiken der Fischer deutlich werden, sowie auch mit der Weiden- und Strohbearbeitung auf dem Land. Auf der Insel gibt es aber auch eine breite und vielfältige Produktion von Keramik mit den Sonnen- und Meeresfarben orange, blau und gelb: Tassen, Gläser, Schöpfkellen, Teller und Krüge. Und es gibt dort Handwerker, die Einrichtungsgegenstände fertigen: Lampen und Vasen, wirkungsvolle Uhren und Teller, Schirm- und Kerzenständer, Mauerplatten, sowie auch Tafelaufsätze, geflochtene Körbe und Taschen, Porzellanpuppen und so weiter. 94 95 Finito di stampare nel mese di maggio 2010 per conto della Massa Editore s.r.l. - Napoli