Die Kontorhàuser an einer Gracht in Brugge sind einTraum vonWohnidyll. Der ArchitektVincentVan Duysen, sonst ein Purist, stellte sich ganz in den Dienst derTradition und inszenierte mit Licht und Farbe ein Haus voller Geftihl FOTOS Andrea Ferrari PRODUKTION Roberta Mutti TEXT DetlefWittkuhn V. O- ft 2. 3 ffi « HOME VincentVan Duysen Sonnenlicht kommt iiberreichlich zu den Fenstern des MuBezimmers herein - weiRe Wànde hàtten es iiber die MaBen gesteigert, fand VincentVan Duysen. Der Seele tut das Grau viel wohler, versichert der Architekt. Die sanitene Stimmung des Raums ist beeindruckend harmonisch geraten. Dazu tràgt die Stoffauswahi der Hausherrin bei. 5/2004 DECORATION 39 IO M E Vincentvan HOME VincentVan Duysen Sonnenlicht kommt ùberreichlich zu den Fenstern des MuBezimmers herein - weiBe Wànde hàtten es iiber die MaBen gesteigert, fand VincentVan Duysen. Der Seele tut das Grau viel wohler, versichert der Architekt. Die sanitene Stimmung des Raums ist beeindruckend harmonisch geraten. Dazu tràgt die Stoffauswahl der Hausherrin bei. 5/2004 DECORATION 39 LINKE SEITE Im Hausflur hinter der Eingangstùr empfangen Stille und Leere die Ankommenden - Raum und Licht allein teilen ihnen mit, dass Hektik hier endet und Entspannung beginnt. Das weiBe Sofà und die Leuchte hatVincent Van Duysen entworfen. OBEN Warm und leise wurde das Kleider- und Arbeitszimmer im Obergeschoss mit dem alten knorrigen Holz und einer gemauerten Feuerstelle. Als Stimmungsextra: der graue Flanellanzug fiir die Schrànke. 5/2004 DECORATION 41 LINKE SEITE Die Marmorbadewanne entwarf Architekt Van Duysen nach den Wiinschen seìner Auftraggeber, ,,ein unwiederholbares Einzelstìick" - und Stimmungstràger wie die Badausstattung, die er gestaltet hat: von unpràtentiòs matter Natur. OBEN Der Wandschirm, der das Doppelbett umfàngt, zàhit zum Repertoire des Architekten, ein Kniff, der Geborgenheit herstellt.Vorhànge und Bettwàsche stammen aus dem Leinengeschàft der Hausherrin in Knokke. 5/2004 DECORATION 43 OBERE REIHE In der wohltuenden Leere der Ràume kommen einzelne Mobelstiicke und wieder aufgearbeitete Baumaterialien gut zur Geltung. In der Garderobe mit dem deckenhohen Spiegel gibt es eine Wartebank mit Samtbezug. Das Vestìbùl mit dem antiken Ziegelsteinboden - schon die AuBenzone des Hauses - ist mit nur einem Sofà mòbliert. In der Kiiche dienen antike Pinienholzbretter als Schrankturen. LINKS UND RECHTS Den Look des Be- und Gelebten herzustellen, war Vincent Van Duysens Ziel: in der Kiiche mit einem Herd alten Stils, in der Garderobe mit Gemàlden. UNTERE REIHE Das Reich der Kinder in der oberen Etage ist mit dem alten Holzboden so robust.dass die unausbleiblichen Schrammen niemanden storen. Hier hat sìch Architekt Vincent Van Duysen aber mit dem Stimmungmachen zuriickgehalten: Das matte WeiB an den Fronten der Schrànke und an den Wànden erfiillt die Zimmer mit Helligkeit. Als Minimalist mit Gefuhl hat sichVincentVan Duysen einmal beschrieben: als Architekt Anhànger der strengen Form,als lnteriordesignersinnenfreudig.Einrichten,sagter,istTherapie DECORATION HerrVan Duysen, kònnen Sie den Umbau und die Einrichtung auf einen Begriff bringen? VINCENTVAN DUYSEN Es ging um ,,Re-Balancing", einen Ausgleich zwischen heutigem Wohnen und der Architektur derbeiden Hauser, das eine aus dem 16., das andere aus dem iSJahrhundert.Ichwollte ein Interieur mit Seele, poetische Gestaltung. Dann geht der Kuschel-Look, dieses weiche Interieur, auf Ihr Konto? Ja, ich wollte intime und zugleich karge Ràurne schaffen. Als Architekt sind Sie ein Minimalist? Nicht nur. Bei mir gibt es auch die Sinnlichkeit, Behaglichkeit Sehen Sie sich die Kùche aia: Diese alte Art entspricht dem Stil meiner Auftraggeber. Aber sie zeigt auch mich. Solite denn alles alt aussehen? Nicht alt, sondern bewohnt, belebt. Es gibt noch etwas, das Ihren Stil stark ausdriickt: die Farbgebung. Stimmt. Wir haben die Farben sehr sorgfàltig mit dem ubrigen Interieur, mit den Stoffen, abgestimmt; wie das Grau im grofèen Wohrizimmer. Dort wollten wir eine ruhige Stimmung haben, besser gesagt: wiederherstellen. Friiher war hier das Rauchzimmer, das «fumoir", in dem der Kamin brannte, in dem man sich entspannte, las, rauchte. Das Grau gefiel Ihren Kunden? Ja, sofort. Es ist stili, meditativ, gastfreundlich. Farben sollen Stimmungen evozieren. Wenn Sie an einen Ort heimkehren, an dem Sie sich nicht wohl fuhlen, làuft etwas falsch. Ist das Dunkelgrau nicht bedrùckend? Oh nein, es bezeichnet ja einen introvertierten Raum. Aber ich habe ja nicht nur Grau im Raum. Ich habe schòne Mòbelstùcke, den Kamin, den Holzboden. Das hat alles mit Intimitàt zu tun. Sie kònnen auch Jhr Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer grau streichen und werden es sehr gemùtlich finden. Dann wurden Sie auch Gclb, Grange oder Rot nehmen? Nein. Ich mag die Primàrfarben nicht. Ich rnuss sie immer verpersònlichen. Gelb geht. Ich habe fùr B&B Italia Mòbel in Strohgeìb entworfen. Das ist ruhig, hell. Woher haben Sie diese Gewissheit? Intuition. Und Erfahrung: Keine meiner Farben wird jemals kalt sein. Und noch etwas kònnen Sie erkennen wie einen roten Faden: Ich wie™ derhole mich nicht. Es geht immer nach den Wùnschen der Kunden. Haben Sie sich von der Ara der total weiBen Ràume verabschiedet? Ich habe dazu eine klare Uberzeugung: Unser gegenwàrtiges Leben ist voller Reize. Dagegen propagieren die Lifestylemagazine, dass die Privatràume pur sein mlissten und weifé. Jetzt haben die Menschen eine zweifache Bestimmung von auféen und verlieren die Orientierung. Sie lassen keine Objekte oder Farben in ihrem Leben zu, aus Angst, es kònnten die falschen sein. Was wir aber in unseren Interieurs suchen, ist Wàrme. Wir kònnen inzwischen unsere Àngste abstreifen, kònnen etwas in unseren Wohnungen zulassen, das Emotionen reflektiert, egal ob es antik ist oder modern. Dann sehen Sie sich in der Rolle eines Therapeuten? S1NN FÙRS SINNLICHE Der Antwerpener Vincent Van Duysen gilt als Architekt in puritanischem Geist, Vertreter von Strenge und Nuchternheit. Mit dem Umbau des alten Bùrgerhauses in Brugge hat der 42-Jàhrige als Interiordesigner seinen Sinn fur Sinnlichkeit, fiir Material und Farbe ausgespielt. Als Architekt realisiert er Gewerbebauten ebenso wie Privathàuser in intensìver Zusammenarbeit mit den Kunden. Zu seinem Repertoire als Designer zàhlen Keramik, Mòbel, Badausstattungen und Leuchten. Architekten und Inneneinrichter kònnen eine Menge zur Selbstfindung beitragen. Wir kònnen helfen, wie man mit Ràumen umgeht. Ein Architekt rnuss ùberraschen, berùhren, Gefùhle evozieren. Sind Sie beim Ankleideraum zu weit gegangen? Der wirkt eher d l'iste r. Das Foto mit den Larnpen und dem Hocker dràngt den Eindruck in die falsche Richtung. Wir haben einen sehr privaten Raum geschaffen, Intimitàt erzeugt, vor alleni durch die mit Wollflanell bespannten Schrankfronten. Glauben Sie mir, in dem Raum fùhlt man sich fantastisch! Er ist warm, leise. Wenn Sie einen Duft entwerfen kònnten - wie wàre der? Natur. Nicht sehr blumig, aber grùn. 5/2004 DECORATION 45 INSIDE Know-How BUCH-TIPPS DIE MENSCHENVON BRUSSEL sind scheu und in dem insprrierenden Band zu Architektur und Lebensstil in der belgischen Hauptstadt selten zu sehen. Umso mehr aber ihreWohnungen und Hauser. Die zeigen eine groBe unverkitschte Liebe zu Tradition und Ènterieurs mit sehr vie] Wurde. Wohnen und Leben in Brùssel, Piet Swimberghe (Text) und Jan Verlinde (Fotos),Grenz-EchoVerlag 1997 DEN SINN PUR SCHÒNHEIT, sagt die belgische Innenausstatterin Walda Pairon, habe sie zwar geerbt, wìchtiger aber war: Sie konnte ihn entfatten. Ihre Interieurs sind voller Leben und Wàrme, sie offenbaren Auge.Talent, Gefuhl fiir Formen und Farben, fiir die Seele der Materialien und das Universum der Harmonie. Walda Pairon - Poesie des Wohnens, Hans Fonk (Fotos) und AnnemieT'Seyen (Text), alle Texte in vier Sprachen, Dumont Monte Verlag 2003 Auf die flàmische Art Nostalgie und Natùrlichkeit als eine kunstvolle Mischung aus Raum, Licht und Materia!: Wie ein Wohniook authentisch wird DIE FARBEN Reine Farben wie Rot, Blau und Gelb kommen bei VincentVan Duysen nicht auf die Palette, auch WeiB ist nicht seine Sache: Jch muss diese Farben immer verpersònlichen", erklàrt er. Deshalb iàsst er sie warm abtònen und am liebsten auf saugendem Wandputz mit breitem Pinsel auftragen. So ergibt sich eine Abstimmung mit den unbehandelten Holzbòden, ein mattes, wie gehauchtes ,,AII-over" mit naturlicher Anmutung. Kein Raum wirkt wie fabrikneu, sondern wùrdevoll und lebendig.Vor dunklem Grau hat ArchitektVan Duysen keineAngst mehr, seit er sein eigenes Schlafzìmmer dunkelgrau anstrich und erlebte.wie entspannend dieser Farbton wirkt. DIE STOFFE Die kuschelìgen Polsterstoffe undVorhànge stammen aus dem Geschàft der Bauherrin. Corinne Stukkens betreibt im belgischen Badeort Knokke eine exquisite Stoffhandlung, ,,The Lìnen House",wodurch sìe gute Kontakte zu den Herstellern hat. Mit ihnen und Architekt VincentVan Duysen bestimmte sie die Farben der Polsterstoffe, die dann nach Vorgabe gefertigt wurden. Der matte Glanz vor allem der Samtstoffe trà'gt viel zur stimmungsvollen Materialsprache des Hauses bei. DAS HOLZ ,,Das Materia! mussWohlfùhlen erzeugen", sagt VincentVan Duysen und verzichtet darauf, Hoizoberflàchen zu versiegeln. Die Deckenbalken lieB er freilegen. Fur die Bodendielen verwendete er aufgearbeitetes Holz, das sogar, wie im Bad, nass werden darf. In der Kuche wurden die Schrankturen aus antiken Pinienbrettern gefertigt. Man mòchte Freude am RegelverstoB dahinter vermuten, aber es gehtVan Duysen um Naturtichkeit und Schònhéit. ,,Holz patiniert durch das Leben und bietet so einen schònen Anblick." DIE FARBEN FLANDERNS sind matt und warm, sie scheinen zu atmen wie eine Haut ~ so scheint's in dem Katalog von Flamant, dem Antwerpener, làngst auch internationalen Einrìchtungsspezialisten. Flamant -The Originai Paint Collection, iiber Flamant und www.flamantpaint.com DIE KUCHE Glatte Oberfiàchen, in denen man sich spiegeln kann, sind furVincentVan Duysen Synonyme fùr das moderne Leben voller Signale, Reflexe und Reize — die in der Wohnung nichts zu suchen haben. Deshalb wàre ihm nie in den Sinn gekommen, die jahrhundertealten Gemàuer von Brugge mit einer edelstahlblitzenden Kuche auszustatten - wie es bei vielen Minimalisten seiner Zunft Usus ist. Die Familienkuche solite alt aussehen und wurde mit einem tradìtionell gestalteten Herd der Marke ,,La Cornue" ausgestattet. Die hellen Delfter Fliesen an derWand sind handgemacht, die Arbeitsfìàchen bestehen aus dunklem belgischem Hartstein. >*• Die Adressen finden Sìe auf Seite 124 46 DECORATION 5/2004