VIVALDI
Ottone in villa
27./29. August 2010
Inhalt
Werkangaben und Mitwirkende ........................... 04
Inhaltsangabe ....................................................... 08
Vivaldi in villa ........................................................ 16
A Baroque State of Mind . .................................... 20
Antonio Vivaldi . ..................................................... 22
Was wären die Innsbrucker Festwochen
ohne die italienische Oper?................................... 26
Biografien der Mitwirkenden................................. 30
Libretto................................................................... 38
~ Werkangaben und Mitwirkende ~
Freitag 27. August 2010 Premiere
Sonntag 29. August 2010
Jeweils 18.00 | Tiroler Landestheater, Foyer
Einführungsgespräch zu „Ottone in villa“
Antonio Giacomin (Video)
Sergio Ciomei (Musikalische Assistenz)
Andrea Erhard (Regieassistenz)
Ellen Piendl (Inspizienz)
Bernhard Fleig (Stimmen Cembali)
Veronika Abermann (Übertitel)
Jeweils 19.00 | Tiroler Landestheater
Ottone in villa
Christoph von Bernuth (Operndirektor und Produktionsleitung)
Sebastian Juen (Produktionsassistenz)
Oper in drei Akten von Antonio VIVALDI (1678–1741)
nach einem Libretto von Domenico LALLI (1679–1741)
Herbert Kuen (Technischer Direktor)
Gerhard Spöttl, Wolfgang Elsenhans (Bühnenmeister)
Andreas Achammer, Jürgen Fend, Steve Gehrke, Andreas Gatterer, Arnold
Westreicher, Andreas Huber, Walter Ronacher, Andreas Kössler, Peter Lepp,
Roman Rieth, Thomas Niedermair, Christian Spörr, Richard Hörmann,
Benjamin Peer, Harald Mairhofer (Bühnentechnik)
Aufführung in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Dauer der Aufführung bis ca. 22.00
Eine Pause nach dem 1. Akt
Sonia Prina
Veronica Cangemi
Sunhae Im Lucia Cirillo Krystian Adam
Ottone
Cleonilla
Tullia
Caio
Decio
Philipp Baumgartner (Requisite)
Alex Paget (Beleuchtungsmeister)
Johannes Grimm, Franz Fedrizzi, Dietmar Scherz, Oliver Albert (Beleuchtung)
Andreas Lamprecht (Tontechnik)
Giovanni Antonini (Musikalische Leitung)
Deda Cristina Colonna (Regie)
Pier Paolo Bisleri (Bühnenbild)
Monica Iacuzzo (Kostüme)
Il Giardino Armonico
Stefano Barneschi, Fabrizio Haim Cipriani, Judith Huber, Liana Mosca (1. Violine)
Marco Bianchi, Francesco Colletti, Ayako Matsunaga, Maria Cristina Vasi (2. Violine)
Renato Burchese, Armando Barilli (Viola)
Elena Russo, Marcello Scandelli (Violoncello)
Giancarlo De Frenza (Kontrabass)
Andrea Mion, Magdalena Karolak (Oboe)
Alberto Guerra (Fagott)
Marco Scorticati (Flöte)
Sergio Ciomei, Riccardo Doni (Cembalo)
Margret Köll (Harfe)
Dieter Lena (Chefmaskenbildner)
Marisa Di Spalatro, Angelika Habicher (Maskenbildnerinnen)
Anneliese Aschbacher (Leitung Ankleiderinnen)
Jaqueline Geyr, Tzvetkova Tzvetelina (Ankleiderinnen)
Alois Schlatter (Chef Einlassdienst)
Julia Aufhammer, Judith Dierigl, Waltraud Hanel, Brigitte Hassl, Johanna Hofer,
Anna Nolf, Ruth Kowar, Charlotte Franco, Manuela Niklas, Sonja Noggler,
Anna Sporrer, Juditha Waibl, Tamara Stocker-Niklas (Einlassdienst)
Teatro Verdi, Triest (Anfertigung des Bühnenbildes)
Casa d’arte fiore, Mailand (Anfertigung der Kostüme)
Francesco Cucco, Mailand (Anfertigung des Kopfschmucks)
Calzature epoca, Mailand (Anfertigung der Schuhe)
Mario Audello, Turin (Anfertigung der Perücken)
Entwurfzeichnungen von Monica Iacuzzo
~ Inhaltsangabe ~
DIE HANDLUNG
Zweiter Akt
Decio warnt Ottone, dass ihm Cleonilla
­das Genick brechen werde, da Rom ihre
zahlreichen wohlbekannten Affären
miss­billige. Dies bringt Ottone aus
der Fassung. Decio verschweigt dem
Kaiser, dass Caio dessen Rivale sei.
Caio glaubt sich allein und denkt
über seinen Kummer nach, wird aber
­ins­geheim von Tullia belauscht. Darauf­
hin gibt sich „Ostilio“ zu erkennen und
be­­singt­ den Konflikt ­zwischen den „zwei
Tyran­nen“ Verach­tung und Liebe.
Caio geht zu Cleonilla und überreicht ihr
einen Brief, in dem er seine Gefühle dar­
legt. Als sie ihn lesen will, erscheint Ottone
und entreißt ihr den Brief. Er erkennt aus
den Zeilen, dass Caio sein Rivale ist, aber
Cleonilla kann sich mit einer Lüge aus der
Affäre ziehen. Der leichtgläubige Ottone ver­
traut ihr. Sie treibt das Spiel der Täuschung
noch weiter, indem sie einen zweiten Brief
schreibt – ihren eigenen Appell an Tullia –
und Ottone bittet, ihn zu überbringen.
Decio trifft ein, um von neuen Ver­
schwörungen in Rom zu berichten, doch
Ottone will immer noch kein böses Wort
über Cleonilla hören und zitiert Caio herbei.
Er tadelt Caio, weil dieser Cleonilla um Rat
gebeten habe, anstatt sich an den Kaiser zu
wenden. Caio ist erleichtert, dass Ottone
nicht seine Affäre mit Cleonilla aufdeckt.
Erster Akt
Die Oper spielt auf dem Landsitz des
römischen Kaisers Ottone. Ottone ist ver­
liebt in die schöne Cleonilla. Sie bekennt,
dass es ihr trotz der Liebe des Kaisers
un­möglich sei, den Reizen ansehnlicher­
junger Männer zu widerstehen. Sie be­­
teuert gegenüber Caio, ihrem bisherigen
Geliebten, dass sie ihn noch liebe, verrät
jedoch dem Publikum, dass sie Ostilio,
den neuen Pagen, anziehender fände.
Ottone bittet Caio, ihm zu helfen, um
Cleonilla von ihm zu überzeugen. Caio
wundert sich über die Leichtgläubigkeit des
Regenten. Tullia erscheint. Die ehemalige
Braut Caios hat sich als Page Ostilio ver­
kleidet, um so Caio unauffällig folgen und
nahe sein zu können. „Ostilio“ fragt Caio, ­ob
er Tullia noch liebe, doch Caio gesteht seine
Liebe zu Cleonilla. „Ostilio“ sinnt auf Rache.
Cleonilla und Ottone werden von Decio,
Ottones treuem Berater, unterbrochen. Er
teilt dem Kaiser mit, dass Rom mit seiner­
Abwesenheit unzufrieden sei. Decio sagt
Cleonilla, dass die Liebe eines Königs
nicht den Mangel an wahrer Ehre auf­
wiegen könne. Daraufhin macht Cleonilla
Ostilio eine Liebeserklärung. Ostilio geht
darauf ein und ermutigt Cleonilla, ihre
Abneigung gegenüber Caio zu bekunden.
Caio, der alles mit angehört hat, be­schließt, den Kaiser über den Verrat von
„Ostilio“ aufzuklären.
Dritter Akt
Decio versucht erneut, Ottone von der Gefahr
zu überzeugen, die ihm von Seiten Roms
droht, aber der Kaiser erklärt, dass ihm an
Thron und Reich nicht gelegen sei, solange
er Glück in der Liebe habe. Decio prophezeit
Ottone den baldigen Sturz vom Thron, da
Liebe bei einem Herrscher ein Zeichen von
Schwäche sei. Er wird jedoch vom Eintreffen
Cleonillas und Caios unterbrochen.
Als „Ostilio“ erscheint, richtet Cleonilla
abwechselnd liebevolle Worte an ihn und
abweisende an Caio. Caio tut so, als wolle
er ihren Rat befolgen und fortgehen, hält
sich aber lediglich verborgen. Cleonilla fährt
fort, ihre Liebe zu „Ostilio“ zu beteuern.
Der Anblick des sich umarmenden Paares
ist zu viel für Caio, er stürzt sich mit einem
Dolch auf „Ostilio“. Cleonillas Geschrei
macht Ottone und Decio aufmerksam,
deren Erscheinen Caio zu einer Erklärung
veranlasst. Er beschreibt, was er mit ange­
sehen hat – Cleonilla und „Ostilio“ hätten
sich geküsst und umarmt. Der erschütterte
Kaiser befiehlt ihm, sein Vorhaben zu Ende
zu führen und den Verräter zu töten.
„Ostilio“ klärt jedoch alles auf, indem er
seine Verkleidung ablegt und sich als Tullia
zu erkennen gibt. In ihrer wahren Gestalt
versichert sie nun Cleonillas Unschuld und
beschuldigt Caio, der wahre Verräter zu
sein. Alle sind verblüfft, doch Ottone findet­
seine Fassung wieder. Er bekundet sein
Verlangen, Caio und Tullia zu ver­heiraten
und bittet Cleonilla um Verzeihung.
~ Synopsis ~
Synopsis
Act II
Decio warns Ottone that Cleonilla will be
his downfall, for Rome disapproves of her
numerous well-known affairs. Ottone is
astounded. Decio refrains from telling the
Emperor that Caio is his rival. Caio muses on
his misery, but he is overheard by the hidden
Tullia. “Ostilio” sings of the conflict between
the “two tyrants” indignation and love.
Caio gives Cleonilla a letter declaring­
his feelings for her, but as she is about
to read it, Ottone arrives and snatches it
from her. He reads that Caio is his rival,
but Cleonilla saves herself with a lie. She
tells Ottone, that the letter is from Caio
to Tullia, who has a new lover. She even
tells him, that Caio has asked her to write
another letter to Tullia in his favor.
Decio arrives with further news of
plotting­ in Rome, but Ottone still will not
hear a word against Cleonilla. Ottone chides
the guilty Caio for not seeking­ his help
instead of Cleonilla’s.
Act I
Ottone is besotted with the beautiful
Cleonilla. She reveals that, despite being
loved by the Emperor, she finds it impossible
to resist the attractions of other handsome
young men. One such old flame is Caio Silio,
but he has recently been replaced in her
affections by her new page, Ostilio. Cleonilla
leaves Caio in the belief that she is still in
love with him, although she now finds Ostilio
even more attractive. Ottone arrives. He asks
Caio to help him win Cleonilla over. Tullia
now enters. Formerley betrothed to Caio
and seduced by him, she has followed him
disguised as a man and is, in fact, none other
than Ostilio.
“Ostilio” asks Caio if he still remembers
his betrayal of the unfortunate Tullia. Caio
declares his love for Cleonilla, which leads
“Ostilio” to seek revenge.
Decio, Ottone’s faithful advisor, inter­
rupts Ottone and Cleonilla to report to the
Emperor that Rome is unhappy about his
absence. Ottone is unconcerned, but Decio
tells Cleonilla that she is deceiving herself
if she believes that the love of a king can
make up for the lack of true honor. As Decio
departs, “Ostilio” arrives and Cleonilla imme­
diately declares her love for him. “Ostilio”
seizes on this as a means for revenge against
Caio and encourages Cleonilla to swear an
oath of love for him and abhorrence of Caio.
Caio, who has overheard all this, resolves to
reveal “Ostilio’s” treachery to the Emperor.
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Act III
Decio once again tries to persuade Ottone
of the danger he faces from Rome, but the
Emperor declares in his aria that he cares
nothing for throne or empire, so long as
he has happiness in love. Decio prophesies
Ottone’s imminent downfall, for love in a
ruler is a sign of weakness. Cleonilla arrives
and addresses alternate words of love to
“Ostilio” and rejection to Caio. The sight of
the pair embracing is too much for Caio,
and he rushes at “Ostilio” with a dagger.
Cleonilla’s cries alert Ottone and Decio.
Caio describes the scene that he has just
witnessed – Cleonilla and “Ostilio” kissing
and embracing – and the shocked Emperor
commands him to complete his task and
kill the traitor. “Ostilio” removes his dis­
guise and reveals himself as the wronged
Tullia. Now in her true guise, she professes
Cleonilla’s innocence and accuses Caio of
being the real traitor. Ottone expresses
his desire to see Caio and Tullia married­
and asks Cleonilla for forgiveness.
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~ Vivaldi in villa ~
Vivaldi in villa
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Weise ein kontinuierliches berufliches
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nomische Sicherheit zu gewährleisten.
Der rechte Augenblick für das Opern­
debüt schien im Frühling des Jahres 1713
gekommen, als Vivaldi den Auftrag erhielt,
„Ottone in villa“ von Domenico Lalli für
das Teatro delle Garzerie (auch Teatro di
Piazza oder Teatro Nuovo) in Vicenza zu
vertonen: Im Mai wurde die Oper erst­
mals dem Publikum präsentiert. Lange
Zeit wurde davon ausgegangen, dass sich
Vivaldi wegen des exponierten venezia­
nischen Opernlebens bewusst für ein
peripheres Debüt entschieden habe, doch
lassen einige Hinweise darauf schließen,
dass das Werk ursprünglich doch für das
venezianische Teatro Sant’Angelo geplant
gewesen war (um die zweite Saison-Oper
zu ersetzen, die der Impresario Giovanni
Orsatti bei Johann David Heinichen
in­ Auftrag gegeben hatte), und erst in
der Folge nach Vicenza gelangt war.
Der Librettist Domenico Lalli (mit bür­
gerlichem Namen Sebastiano Biancardi,
1679–1741), Wahlvenezianer mit neapoli­
tanischen Wurzeln, war ein intelligenter
und skrupelloser Mann, den peinliche
Geldsorgen dazu zwangen, in Italien umher­
zuziehen. Er gehörte zu jener Generation
von Dichtern, die das Libretto – ausgehend
von den literarischen Vorbildern des späten
siebzehnten Jahrhunderts – allmählich der
Reform Pietro Metastasios annäherten.­ Der
Text von „Ottone in villa“ geht auf ein sehr
viel älteres Libretto zurück, „Messalina“
von Francesco Maria Piccioli (Venedig,
1680, Musik von Carlo Pallavicino), ein recht
typisches Beispiel für den erotischen und
antiheroischen Strang innerhalb der vene­
zianischen Oper jener Zeit. Dass „Ottone“
tatsächlich von dem älteren Text abstammt,
wird von einigen Schreibfehlern enthüllt,
die in der Partitur und dem gedruckten­
Die Opernanfänge eines venezianischen
Komponisten an der Peripherie
Als Vivaldi seine erste Oper in Angriff nahm,
war er bereits ein „berühmter Violin­virtuose“­
von 35 Jahren; er hatte 1711 mit großem
Erfolg seine Konzertsammlung „Estro
armonico“ op. 3 herausgebracht, war seit
rund zehn Jahren Lehrer am venezianischen
Ospedale della Pietà und konnte gewiss
nicht mehr als Anfänger bezeichnet werden.
Und doch hatte sich der „Rote Priester“
vor 1713 nie dem Theater zu­gewandt, jener
Welt, die einem Komponisten – auch im
ökonomischen Sinn – wahrhaftige Größe
verhieß. Das fehlende Opernschaffen ist
als Schwierigkeit Vivaldis im Umgang mit
dem Musiktheater interpretiert worden­
– so, als hätte seine herausragende­
Stel­­­lung als Instrumentalkomponist es
ihm unmöglich gemacht, die Sprache
der menschlichen Stimme zu sprechen.
Neuere Untersuchungen (unter anderem­
von Reinhard Strohm, Michael Talbot
und Egidio Pozzi) vermitteln jedoch viel­
mehr den Eindruck, Vivaldi habe bewusst
Antonio Vivaldi. Karikatur von Leone Ghezzi, 1723
16
Libretto von 1713 aufscheinen: John Hill, der
Herausgeber des Faksimiles von „Ottone“,
zitiert Stellen, an denen statt der Namen
der Protagonisten fälsch­licherweise jene
des Vorbildes aufscheinen („Claudio“ statt
„Ottone“ oder „Messalina“ statt „Cleonilla“).
In seiner Neubearbeitung übernimmt Lalli
zahlreiche Elemente der Vorlage, während
er andere eliminiert. So erscheinen etwa
die explizite Erotik und die schamlose
Lasterhaftigkeit Messalinas in gemilderter
Form, während die Figur des Lismeno
gänzlich gestrichen wird. Diese – ein Über­
bleibsel der komischen (also niedrigen)
Charaktere – wäre fehl am Platz in einer
Oper, die sich, ungeachtet ihres Vorbildes,
die Formvorstellungen der „Accademia
degli Arcadi“ zu Eigen macht, die dem
Nebeneinander ernster und komischer
Elemente mit strikter Ablehnung begegnet.
Lalli passt also das alte Libretto den
veränderten Anforderungen an: Er ver­
einheitlicht die Handlung, entfernt über­
mäßig freizügige Passagen und ordnet den
Text in Hinblick auf Versmaß und formale
Struktur. Dennoch bleiben einige Elemente
bestehen,­ die das kulturelle Klima des
späten 17. Jahrhunderts evozieren: die dezi­
dierte Freizügigkeit Cleonillas (=Messalinas),
die bereits in ihrem ersten Rezitativ ihre
Neigung zu amourösen Ausschweifungen
einbekennt, die Ambiguität, die aus der
Travestie von Tullia–Ostilio erwächst,
sowie die geringe moralische Festigkeit
Ottones, eingebunden in eine Geschichte
von Liebschaften und Seitensprüngen,
welche die bittere Bemerkung Decios in
der letzten Szene provoziert („O quanto­
vil di Roma è fatto il trono“ – „Oh wie
gemein ist doch Roms Thron gemacht“).
Vivaldi nähert sich dem Libretto mit
einer gewissen Erfahrung in der vokalen
Kammermusik: Das Komponieren von
Kantaten und Serenate hatte ihm im Vorfeld
ein hervorragendes Übungsfeld geboten.
Das Theater von Vicenza verfügte nicht
über die Mittel der größeren venezianischen
Theater, ganz zu schweigen von jenen der
großen Theater in den Residenzstädten
Wien oder Neapel. Die Regieanweisungen
lassen auf Szenen schließen, die eher durch
Ausstattung als durch Erfindungsreichtum
bestechen (der Bühnenbildner wird nicht
einmal namentlich genannt), es kommt
keine Bühnenmaschinerie zum Einsatz,
das Orchester dürfte klein bemessen
ge­wesen sein (wobei die Oboisten, dem
Usus entsprechend, zugleich als Flötisten
fungierten), und Tanzeinlagen oder
Inter­­mezzi fehlen. Die vokale Besetzung wurde hingegen
oft unterschätzt: Wenn es sich bei den
Interpreten des „Ottone“ auch nicht um
die größten Stars des Augenblicks han­
delte, so waren es doch durchwegs solide
Sänger oder Nachwuchskünstler, die sich
bereits wenig später auch außerhalb des
provinziellen Umfelds einen Namen machen
sollten. Ottones Hosen trug Diana Vico,
eine Altistin von europäischem Namen, die
auf Travestie-Rollen spezialisiert war (so
sang sie im Jahr darauf etwa den Dardano
in Händels Londoner „Amadigi“). Die
römische Sopranistin Anna Maria Giusti als
Cleonilla, die ihr durchaus ebenbürtig war,
trat – ebenso wie die aus Vicenza stam­
mende Margherita Faccioli (Tullia) – in der
folgenden, von Vivaldi geleiteten Saison
des venezianischen Teatro Sant’Angelo in
Erscheinung. Caio wurde von einem jungen
Kastraten, Bartolomeo Bortoli, verkörpert,
dem eine beachtliche Karriere im In- und
Ausland bevorstand, während der Römer
Gaetano Mosso (laut Libretto Mozi) die Rolle
des Decio übernahm, eine – der damaligen
Gewohnheit entsprechend – eher tiefe
Tenorpartie von beträchtlicher Schwierigkeit.
Die Vokalpartien des „Ottone“ sind frei von
jener pyrotechnischen Virtuosität, welche
die Opern der folgenden Jahrzehnte kenn­
zeichnen wird, und entsprechen somit den
Gepflogenheiten der italienischen Oper
17
~ Vivaldi in villa ~
des ersten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts:
Der Ton­umfang ist relativ gering, und
auch die Koloraturen – obwohl vorhanden
– ­stoßen an ihre physiologische Grenze.
„Ottone in villa“ enthält einige­
äußerst­ markante Züge, in denen sich
der typisch Vivaldische Ton verrät:
Sequenzen, gebräuchliche Formeln der
Instrumentalmusik, ein anspruchsvoller
Part der Solo-Violine gegenüber einer
(mit wenigen Ausnahmen) relativen
An­spruchslosigkeit in Hinblick auf den
Kontrapunkt, der Gebrauch besonders
­einprägsamer rhythmischer Muster. ­
Andere Stilmerkmale wiederum teilt
„Ottone“ mit zeitgenössischen Opern
­anderer Komponisten derselben Genera­
tion, so etwa den Einsatz der BassettoTechnik – also die Begleitung der Stimme
durch Viola und Violinen ohne Bass, der
ausschließlich in den instrumentalen
Ritornellen zur Anwendung gelangt – oder
die Verdoppelung der Vokalpartie durch
die Streicher, was eine Ausdünnung der
kompositorischen Textur zur Folge hat.
Die Arien sind durchwegs sehr
an­sprechend, wobei sich einige durch
besonderen Ein­fallsreichtum auszeichnen;
diejenigen zu Akt-Ende sind – der Norm
entsprechend – aufwändiger gestaltet. Die
Ritornelle der Arie Caios am Ende des ersten
Akts („Gelosia“) sind zwar kompositorisch
äußerst einfach gestrickt, aber dennoch
mitreißend, und der markante Kontrast
zwischen erster und zweiter Strophe folgt
exakt der textlichen Vorlage. Ähnlich die
Arie Tullias am Ende des zweiten Akts, die
ebenfalls zwischen Rache und Schmerz
oszilliert, was durch einen abrupten
Wechsel der Agogik innerhalb der ersten
Strophe unterstrichen wird. Trotz ihrer
einfachen szenischen Umsetzung äußerst
suggestiv wirkt die Pseudo-Ombra-Szene
(zweiter Akt, dritte Szene), in der die ver­
steckte Tullia als „unglücklicher Geist“ ein
Zwiegespräch mit Caio führt. Vivaldi lässt
das „Recitativo semplice“ in ein „Recitativo
accompagnato“ übergehen und den Akt
mit einer großen Arie Caios schließen,
in der Tullias Stimme als Echo hörbar ist:
„L’ombre, l’aure, e ancora il rio“. Hier gehen
die Topoi der Ombra-Szene eine glückliche
Verbindung mit jenen der Pastoralszene
ein. Das Orchester ist geteilt: Zwei Flöten
und zwei Violinen sind auf der Bühne posi­
tioniert. Zusätzlich zum Zusammenspiel
von Bühne und Orchestergraben nützt
Vivaldi die Möglichkeit eines Dialogs
­z wischen den Soloviolinen beider Blöcke,
wodurch die instrumentale Komponente
an Reiz gewinnt. Diese Wirkung wird
durch das vokale Echo und die agogischen
Kontraste noch verstärkt. Gesamt gesehen­
gelingt Vivaldi hier eine überzeugende
Umsetzung des Textes, wobei häufig
auch harmonische Mittel zum Einsatz
kommen,­ um pathetische Effekte zu erzie­
len. Bemerkenswert ist auch die Arie „Chi
seguir vuol la costanza“ (erster Akt, fünfte
Szene, Caio), in der Vivaldi die Textaussage
durch eine strenge Imitation zwischen
den Hauptstimmen ausdeutet; diese Arie
wird Vivaldi später in anderen Zusammen­
hängen mehrfach wiederverwenden.
Vivaldi brachte „Ottone in Villa“ 1729 in
Treviso erneut auf die Bühne; die Varianten
sind im Autograph verzeichnet, aber die
Abweichungen zwischen diesem und dem
Libretto für Treviso legen nahe, dass noch
eine weitere Wiederaufnahme – vielleicht
in Venedig – beabsichtigt war, die jedoch
nicht zustande kam. Wie von Strohm und
Hill nachgewiesen, wurden einzelne Arien
des „Ottone“ in verschiedene Pasticci
sowie in Opern anderer Komponisten
auf­genommen – ein deutliches Zeichen
für das Ansehen, das die Oper bei Vivaldi
– aber auch bei den Interpreten – genoss.
„Ottone“ erscheint unweigerlich als Über­
gangsstadium auf der Entwicklung hin zu
einem Stil, der bereits kurze Zeit später
größere Robustheit und Einprägsamkeit
18
erlangen sollte – ein Schicksal, das im
Übrigen von den anderen Partituren jener
Zeit geteilt wird, die heute kaum Beachtung
finden. Ungeachtet dessen besitzt Vivaldis
erstes Musiktheaterwerk auch 300 Jahre
nach seiner Entstehung noch die Fähigkeit,
angenehm zu unterhalten und strecken­
weise auch zu ergreifen – solange es nicht
an Maßstäben gemessen wird, die sich erst
zehn oder zwanzig Jahre später unter völlig
veränderten Umständen entwickeln werden.
Angela Romagnoli
Entwurfzeichnung von Monica Iacuzzo
19
~ A Baroque State of Mind ~
„A Baroque State of Mind“
In unserer Aufführung möchten wir
einen der Leichtigkeit der Handlung pas­
senden Kontext wiedergeben, in dem
sich die Hauptfiguren mit dem Gefallen
der Fiktion messen und auch dazu bereit
wären, in der nächsten Aufführung die
Rolle zu wechseln. In der Zeitspanne
­z wischen dem alten Rom, dem Italien des
18. Jahrhunderts und dem zeitgenössischen
Theater leben fünf Personen in einem ima­
ginären Ort, in einer Fantasiewelt, in der
Natur, wo sie mit den Tieren ständig an der
Grenze zwischen Scherz und Halluzination
zusammen sind. In diesem Umfeld insze­
niert eine Gruppe von Intellektuellen (die
Frage, ob von damals oder von heute,
bleibt offen) ein Spiel, das bis zum labyrin­
thischen Finale immer verwickelter wird.
Die Aufführung beginnt mit der Pro­
jektion der Appia Antica in der Vor­stellung
von Piranesi: Vor diesem Hintergrund nimmt
die Illusion Gestalt an und Ottones Garten
bildet sich gegen das Licht, charakterisiert
durch die im Libretto von Lalli zitierten
Zitrusgewächse. Die Handlung beginnt,
wenn der Vorhang aus Tüll aufgeht; in der
„rotonda di bagni“ (=runder Baderaum), die
das Libretto vorschreibt, steigt Cleonilla,
von einer Projektion rauschender Gewässer
umgeben, aus der Wanne. Dieses proji­
zierte Wasser wird im Laufe der Szene zum
echten Wasser. Caio versteckt sich in einer
dafür in der Gartenarchitektur gebauten
Schlucht und verfolgt von da aus das Spiel.
Im Hintergrund sieht man eine Reihe von
Zypressen, die das zweite Ambiente, den
„entzückenden Zaun aus grünen Pflanzen
unter dem schönen Hügel“ bilden. Ottone
lebt im Garten mit einer fantastischen
Kreatur, einem Straußenvogel. Sie leistet­
ihm Gesellschaft und dient ihm nach
Bedarf als Thron. Der Garten beherbergt
auch das „boudoir“ der Cleonilla, das im
Libretto als „Tischchen, um sich den Kopf
zu adjustieren“ beschrieben wird; die
Eine Aufführung zwischen Spiel
und Realität
Die Geschichte von Vivaldis „Ottone in
villa“ spielt in einem Garten am römischen
Land, in dem Rom nur als Erinnerung,
Idee, Ausrede und Gemütszustand über­
lebt. Das imaginäre Rom von Piranesi
– schon am Anfang unserer Aufführung
als Projektion zitiert – verschwindet in
den Bühnenhintergrund und erscheint ab
und zu wieder, gleichsam als Erinnerung
der handelnden Personen an den Kontext
der Fiktion. Der Garten von Ottone ist ein
wunderbarer Ort, der in Lallis Libretto mit
lebhaften und beschwörenden Bildern
vom Prunk des „Settecento“ beschrieben­
wird: Die Alleen, die Perspektiven, die
Brunnen, die Blumen stellen ein Ambiente
dar, in dem das Wort die Hauptrolle
spielt – es ist das einzige reale Element
– und wo kein Gespräch stattfinden
kann, ohne belauscht zu werden.
Der Garten, die Hauptfiguren, die
Handlung, das Bühnenbild, die Kostüme:
Alles in unserer Aufführung ist Wort, alles
ist Spiel. Materialien und Farben verbinden
sich in den Kostümen, um ein Universum zu
erwecken, in dem die Natur im Ornament
aufgeht, die Stickerei und die Tätowierung
zusammentreffen, die flatternden Zipfel
der Drapierung fest werden und das Spiel
mit vollen und leeren Flächen Geschöpfe
erweckt, die als halb Mensch und halb
Statue erscheinen. Der Gebrauch der im
Theater des 18. Jahrhunderts so beliebten
Rhetorik in der Rezitation trägt dazu bei,
dass das gesungene Wort zum idealen
Instrument für dieses expressive Universum
zwischen Spiel und Realität wird: Ich werde
es „A Baroque State of Mind“ nennen, in
Anspielung an den Titel des Liedes von
Billy Joel, „A New York State of Mind“.
Raserei der Matrone wird durch die fanta­
sievollen Formen eines themenbezogenen
Frisurenwahns dargestellt. Hier ereignet sich
auch das höchste Kunstmittel Cleonillas,
die Lüge über Caios Brief. BuchsbaumHecken verbreiten sich nach und nach im
Garten, bis sie während der Schlussszene
zu einem Labyrinth werden: Man besingt
die Wiederkehr der Harmonie, obwohl jeder
einen guten Grund hätte, nicht glücklich zu
sein, und Decio kommentiert: „Ach, selt­
sames Ereignis, ach, unvermuteter Tag!“
In der Projektion übernimmt das Labyrinth
den Platz der Appia Antica; die Freude am
intellektuellen Spiel ist stärker als der Ruf
der Logik. Am Ende der Oper bleibt nur
ein Blumenduft (eine Erinnerung an den
Garten, in dem sich das Spiel ereignet
hat), der den Vorhang wieder schließt.
Deda Cristina Colonna
Entwurfzeichnung von Monica Iacuzzo
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21
~ Vivaldi ~
Antonio Vivaldi
päischen Berühmtheit von hohem inter­
pretatorischem Können heranbildet.
Mit dem Ruhm des Mädchenorchesters
stieg auch Vivaldis eigene Bekanntheit.
Daten aus dem Leben und
Nachleben des Komponisten
4. März 1678 Ein Erdbeben erschüttert
Venedig und die umliegenden Gestade. In
einem Haus am Campo grando kommt ein
Knabe zur Welt, der auf den Namen Antonio
Lucio getauft wird. Sein Vater Gianbattista
Vivaldi ist gelernter Barbier und ausübender
Geiger der Sovvegno dei musicisti di Santa
Cecilia. Der Sohn erbt vom Vater die roten
Haare und die musikalische Begabung. Er
vertritt den Vater schon in jungen Jahren
als Violinist an San Marco, eine Stelle, die
Vivaldi senior 1685 angenommen hatte.
Frühling 1707 Vivaldi genießt auf dem
Lande die wärmende Sonne, lauscht
dem Gezwitscher der Vögel und packt
seine Violine aus, um einem schla­
fenden Hirten eine Schlummermusik zu
spielen.­ In der Ferne bellen die Hunde.
22. Juli 1708 Vivaldi hat beim Über­queren
der Rialtobrücke einen seiner­ Anfälle ­
von Atemnot.
Dezember 1708 König Friedrich IV. von
Norwegen und Dänemark lauscht bei
einem Besuch im Ospedale einem
von Vivaldis Concerti und erlebt Chor
und Orchester des Waisenhauses.
23. März 1703 Antonio Vivaldi wird­
zum Priester geweiht.
Sommer 1703 Zum wiederholten Mal
verspürt Vivaldi „strettezza di petto“,
wie er dies selber später in einem Brief
beschreibt, eine „Enge der Brust“.
1712 Beim Verlag Estienne Roger in
Amsterdam erscheinen unter dem
Titel „L’Estro armonico“ zwölf Concerti
Vivaldis, die seine Musik nach ganz
Europa tragen und den venezianischen
Komponisten international berühmt
machen. Bis 1729 erscheinen in Amsterdam
weitere elf Folgen von Concerti.
September 1703 Antonio Vivaldis Laufbahn
als Priester endet kurze Zeit, nachdem er
zum Maestro di Violino an das Ospedale
della Pietà berufen wird. Er liest am
Ospedale zwar noch einige Monate lang
Seelenmessen, wird aber von seinen
Aufgaben als Musiker so sehr in Anspruch
genommen, dass er seine seelsorgerische
Tätigkeit aufgibt. Er behält aber lebenslang
den Status eines Priesters. Am Ospedale
obliegt dem jungen Musiker die musika­
lische Betreuung und Ausbildung der im
Haus aufgenommenen Waisenmädchen
ebenso wie die Komposition von welt­
lichen Musikstücken. Vivaldi beginnt die
Produktion von Concerti für verschie­
dene Soloinstrumente, von Sinfonien
und Sonaten sowie die Arbeit als Leiter
des Mädchenorchesters am Ospedale,
das er im Laufe der Jahre zu einer euro­
17. Mai 1713 Im Teatro delle Garzerie
in Vicenza erlebt Vivaldis erste Oper
„Ottone in villa“ ihre Uraufführung. Für
die Arbeit an der Oper erhält Vivaldi vom
Ospedale eine Freistellung. Auf dem
Libretto wird Vivaldi „celebre virtuoso
di Violino“ genannt. Er brilliert bei der
Premiere nicht nur als Komponist, sondern
auch als Violinsolist im „Duett“ mit den
Sängerinnen und Sängern. Die erfolgreiche
„Ottone“-Premiere in der „Provinzstadt“
Vicenza steigert Vivaldis Ansehen in der
„Metropole“ Venedig beträchtlich. Der
gefeierte Musiker baut seine Stellung
im venezianischen Musikleben aus.
22
Sommer 1714 Vivaldi wischt sich mit einem
Tuch den Schweiß von der Stirn. Die Luft
steht vor Hitze still. Kuckuck, Taube und
Distelfink kündigen mit ihren Liedern ein
baldiges Gewitter an, das der Nordwind
in die Lagune trägt. Vivaldi flüchtet vor
Blitz, Donner und Regen in eine Trattoria.
als Konzert- und Opernkomponist auf
und lässt sich am Hof zu Mantua als
„Maestro di Capella, die Camera di S.A.S.
il Sig. Principe Filipo Langravio d’Assia
Darmstat“ anstellen. Er bleibt einige Jahre
Kammerkapellmeister des in Mantua liberal
herrschenden Landgrafs von Darmstadt.
Er hat mit Opern Erfolg und wird durch
die schöne Landschaft der Lombardei
zu naturhaften Concerti inspiriert.
Herbst 1714 Nur ein Jahr nach „Ottone“
in Vicenza wird in Venedig im Teatro
Sant’Angelo Vivaldis Oper „Orlando
finto pazzo“ uraufgeführt. Neuerlich
brilliert­ Vivaldi dabei auch als Sologeiger
und lässt sich als Komponist in den
Arien des „rasenden“ Opernstoffes
mit seinen Naturerscheinungen und
Zaubereien zu lautmalerischen musika­
lischen Schilderungen hinreißen. Vivaldi
steigt in der Folge zum Impresario des
Teatro Sant’Angelo auf. Der überaus
fleißige Komponist wird neben seinen
Hunderten Instrumentalwerken auch
noch mehr als 50 Opern komponieren.
Herbst 1719 Nach einem weinseligen
Erntedankfest im Kreis von lombar­
dischen Bauern träumt der eingeschla­
fene Vivaldi von gedämpften Streicher­
akkordfeldern, über die Cembalotöne
schreiten. Die Signale von Jagdhörnern
wecken den Komponisten auf.
Ende Mai 1724 Vivaldi konzertiert in
Rom vor Papst Benedikt XII.
1725 In Amsterdam erscheint die zwölf
Konzerte umfassende Sammlung „Il cimento­
dell’armonia e dell’inventione“, was so viel
heißt wie „Der Wettstreit zwischen Har­
monie und Erfindung“. Die ersten vier
Konzerte der Sammlung tragen den Titel „Le
Quattro Stagioni“ („Die vier Jahreszeiten“).
2. Juni 1715 Vivaldi erhält von den Vor­
gesetzten am Ospedale della Pietà eine
Gratifikation von 50 Dukaten für die
Komposition einer Messe, einer Vesper,
eines Oratoriums und 30 Motetten. Vivaldi,
als Maestro de concerti eigentlich für
die weltliche Musik zuständig, erfüllt am
Ospedale zwischendurch, wenn dort die
für die Kirchenmusik zuständigen Maestri
di choro gestorben oder unpässlich sind,
auch sakralmusikalische Aufgaben.
2. April 1716, nachts Vivaldi schlummert­
ein und hat turbulente Träume. Aus
diesen­ „Fantasmi“ fällt der Komponist
in einen traumlosen Tiefschlaf. Die
Idee zu einem Allegro weckt ihn aus
dem „sonno“. Das Flötenkonzert g-Moll
erhält später den Titel „La notte“.
Winter 1726 Vivaldi ist nach Venedig
zurückgekehrt. Er übernimmt die musi­
kalische Leitung des Teatro Sant’Angelo.
Zähneklappernd wartet er eines Abends vor
dem Teatro auf ein Gefährt, das ihn nach
Hause bringen soll. Auch Füßestampfen
vertreibt die Kälte nicht, der eisige Wind
weht Vivaldis rote Mähne hoch. Später,
daheim am Kamin, wärmt sich Vivaldi und
schaut den Regentropfen zu, die außen
auf den Fenstern herunterrinnen. In den
daraus entstehenden Mustern erkennt
der Komponist Notenfolgen von Musik.
November 1717 Antonio Vivaldi gibt seine
in Venedig erfolgreichen Bastionen
Opernsaison 1727 Am Teatro Sant’Angelo
wird Vivaldis Oper „Farnace“ gegeben.
23
~ Vivaldi ~
Der König fühlt in der Arie „Gelido in ogni
vena“ das kalte Blut durch seine Adern
rinnen, als ihm der Geist seines Sohnes
erscheint, den er wegen vermeintlichen
Hochverrats zum Tode verurteilt hat. In
der Orchesterbegleitung erinnert sich
Vivaldi an die eiskalte Musik, die er an
den Anfang seines „Winter“-Konzerts in
den „Vier Jahreszeiten“ gesetzt hat.
Sie ist eine gute Schauspielerin und hat
einige Gönner; mehr bedarf es nicht, um zu
dem Rang einer Primadonna aufzusteigen.“
An einem Abend 1737 Vivaldi hustet und
schreibt in einem Brief an den Marchese
Bentivoglio von „einer Brustkrankheit,
einer Art Atemnot“, die ihn zwinge,
„fast dauernd zu Hause zu leben und
nur in der Gondel oder im Wagen aus­
zufahren, weil ich nicht laufen kann“.
Irgendwann um 1727 Der Opernkomponist
und Impresario Vivaldi lernt eine junge
Sängerin französischer Herkunft namens
Giraud kennen, die sich fortan in Italien
bei ihren Auftritten Anna Girò schreibt
und nennt. Die Sängerin wird zur stän­
digen Be­gleiterin des Priesters a. D..
– Trotz seiner Krankheit, wahrscheinlich
Bronchialasthma, die ihn seit seiner Kindheit
plagt, fühlte sich Vivaldi jahrzehntelang
stark genug, um Concerti zu spielen und zu
dirigieren,­ als Violinvirtuose aufzutreten und
Opern­vorstellungen zu leiten. Wenn er zu
Hause ist, komponiert er: an die 50 Opern,
450 Concerti, 50 Sakralmusikstücke, un­­
zählige Sonaten. Unter musikalischer­
Atemnot leidet Vivaldi nicht. –
6. September 1728 Vivaldi trifft auf einer
­seiner vielen Reisen durch Oberitalien in
Triest mit Kaiser Karl VI. zusammen,­ der ­
ihn nach Wien einlädt.
27. August 1733 Vivaldi und Anna Girò genie­
ßen einen ruhigen Spätsommerabend und
entspannen sich von ihren Opernreisen, die
sie durch halb Europa, auch nach Wien­ und
Prag, geführt haben.
April 1740 Vivaldi und Anna Girò ver­
lassen Venedig und übersiedeln nach
Wien. Der einstige Gönner Karl VI.
ist aber inzwischen gestorben.
28. Juli 1741 Vivaldi stirbt in Wien und wird
auf dem „Spittaler Gottesacker“ nahe dem
damaligen Kärntner Tor begraben (heute
Karlsplatz). Niemand nimmt vom Ableben
des noch wenige Jahrzehnte davor berühm­
testen italienischen Komponisten Notiz.
1735 Am Teatro Filarmonico in Verona
erlebt Vivaldis Oper „Bajazet“ unter dem
Titel „Tamerlano“ die Uraufführung. Am
Teatro S. Samuele in Venedig kommt
Vivaldis Oper „La Griselda“ heraus. Für die
Vertonung bittet Vivaldi den damals noch
nicht 30jährigen Komödiendichter Carlo
Goldoni, das populäre Libretto Apostolo
Zenos zu bearbeiten und zu verändern.
Herbst 1926 In der Collegialbibliothek eines
Piemonteser Klosters werden 14 Bände mit
ca. 400 Kompositionen Vivaldis gefunden.­
In der Folge vergeht kaum ein Jahr, in
dem nicht in irgendeinem Schloss oder
Kloster ein Bündel mit noch unbekannten
Vivaldi-Kompositionen entdeckt wird. Die
bis heute anhaltende Vivaldi-Renaissance
bricht an. Der fast zwei Jahrhunderte
lang vergessene Komponist wird zum
Inbegriff der italienischen Barockmusik.
An einem Frühlingstag 1736, um die
Mittagszeit Goldoni lernt die Begleiterin
des komponierenden Priesters kennen
und beschreibt Anna Girò als „hübsch und
einnehmend aussehend“, ­mit einer „nied­
lichen Figur, schönen Augen, schönen­
Haaren, einem reizenden Mund. ­
24
April 1971 Vivaldi und Händel sitzen, so
erzählt es eine Novelle von Alejo Carpentier,
am Grab Strawinskis auf der venezianischen
Friedhofsinsel San Michele und diskutieren
über die Entwicklung der Musik. Vivaldi
kann nicht verstehen, dass sich Musiker
wie Strawinski unheimlich anstrengten,­
zu erfahren, was die Musiker der Ver­
gangen­heit machten, und sie die alten
Stile erneuer­ten. Vivaldi meint, er sei viel
moderner, ihm sei es egal, wie Opern oder
Konzerte hundert Jahre vor ihm klangen.
1972 Im zehnten Wiener Gemeinde­
bezirk (Favoriten) bekommt eine Gasse
den Namen Vivaldis.
2001 Das CD-Label Naïve beginnt im
Rahmen einer spektakulären Kollaboration
mit dem im Piemont beheimateten Istituto
per i Beni Musicale die „Vivaldi Edition“,
welche die CD-Aufnahmen der Musik
der kompletten Originalmanuskripte
Vivaldis umfasst, die in der Biblioteca
Nazionale in Turin lagern. Bis heute sind
schon mehr als hundert CD-Einspielungen
erschienen, darunter viele noch nie
zuvor­ aufgenommene Opern.
Sommer 2010 Das Ensemble Il Giardino
Armonico, das weltweit für seinen außer­
gewöhnlichen Vivaldi-Interpretationsstil
bewundert wird, wirkt bei den Innsbrucker
Festwochen der Alten Musik als Opern­
orchester in der Aufführung von Vivaldis
Opernerstling „Ottone in villa“ mit.
Venedig sinkt weiter, die Beliebtheit und
Bekanntheit von Vivaldis Musik steigt weiter.
Rainer Lepuschitz
25
~ Was wären die Innsbrucker Festwochen ... ~
Was wären die Innsbrucker
Festwochen ohne die ­
italienische Oper?
werden:­ Seine „L’Incoronazione di Poppea“
von 1642 wurde unter Alan Curtis in der
Inszenierung und Ausstattung des genialen
Bühnenarchitekten Filippo Sanjust zum
prägenden Ereignis. Unvergesslich auch
die Protagonistinnen Carmen Balthrop
(Poppea), Carolyn Watkinson (Nero) und
Andrea Bierbaum (Kaiserin Ottavia). Die
frei fließenden, ganz vom Ausdruck her
gestaltenden Stimmen über der zarten
Grundierung der Continuoinstrumente
waren das faszinierend Neue an diesem
Opernerlebnis. Aus Venedig ging es 1981
ins barocke Rom, wo 1632 Stefano Landis
„Il Sant’Alessio“ erstmals erschienen war.
Sensationell wirkte das dem römischen
Original von Lorenzo Bernini nachgebildete
Innsbrucker Bühnenbild, fabelhaft sang
William Christies Chor Les Arts florissants
und spielte das von Alan Curtis geleitete
Complesso barocco; Judith Nelson in der
Titelrolle und Daniela Mazzucato als Braut
ließen nobelste Gesangskultur hören.
Erstmals erregte auch die auf historische
Tanz-Notationen spezialisierte Choreo­
graphin Shirley Wynne mit dem Baroque
Dance Ensemble Aufmerksamkeit.
1982 gab es gleich zwei Barockopern zu
erleben: René Jacobs stellte im Riesen­saal
der Hofburg Pietro Antonio Cestis heite­res­­
Dramma musicale „Orontea“, 1656 in
Innsbruck uraufgeführt, als konzertantes
Vergnügen vor; Alan Curtis brachte zudem
Händels „Ariodante“ von 1735 auf die Bühne
des Landestheaters. Der Toskaner Cesti
war ja durch seine fast 14jährige Tätigkeit
als Maestro di capella am erzfürstlichen
Innsbrucker Hof für unsere Stadt so etwas
wie ein genius loci – und außerdem ein
wichtiger Vertreter der frühvenezianischen
Oper, mit deren Belebung René Jacobs wert­
vollste Pionierarbeit leistete. „Orontea“ war
schon im 17. Jahrhundert ein Bestseller auf
den führenden Bühnen Italiens gewesen­
und sogar in Deutschland bis hinauf nach
Hannover mit Riesenerfolg gespielt worden.­
Seit Beginn der Innsbrucker Festwochen
vor 34 Jahren war es Wunsch und Ziel
ihres Gründers Prof. Otto Ulf gewesen, vor
allem der Barockoper hier eine Bühne zu
bereiten, sie mit dem Klang historischer
Instrumente aus dem Dornröschenschlaf
der Jahrhunderte zu neuem Leben zu
er­wecken. Gerade in dieser Hinsicht sollte­
sich Innsbruck unter den zahlreichen
Festivals Alter Musik eine Pionierrolle
er­obern. Das Interesse galt vor allem jenem
Land, wo einst um 1600 die Wiege der Oper
stand: Italien und der frühen italienischen
Oper. Nach der Hochblüte der Polyphonie
hatte die Florentiner „Camerata“ am Hof
der Medici die Monodie, den „stile nuovo“
oder „stile recitativo“ aus der Taufe gehoben
und damit den Grundstein zur Entwicklung
der Gattung Oper gelegt. Jacopo Peris
„Dafne“ von 1598 sowie seine und Giulio
Caccinis „Euridice“ von 1600 schrieben als
erste dieser neuen Schöpfungen in Florenz
Musikgeschichte. Und in Mantua schuf
Claudio Monteverdi 1607 das erste bedeu­
tende Meisterwerk mit seinem „Orfeo“.
Die legendären Gestalten von „Orfeo
ed Euridice“ waren es denn auch, die
be­reits 1979 bei der jungen Innsbrucker
Festwoche in der „Azione teatrale“ von
Christoph Willibald Gluck – damals noch
konzertant in der Dogana – unter der
Leitung von John Eliot Gardiner lebendig­
wurden. Gardiners Monteverdi Choir blieb­
mit den eindrucksvollen Chören der Furien
und seligen Geister lange in Erinnerung.
Gesungen wurde natürlich in der Original­
sprache, und das war italienisch.
Im folgenden Jahr 1980 hieß es dann
„Vorhang auf“ für die langersehnte sze­
nische Barockoper im Tiroler Landestheater.
Kein Würdigerer als der große Claudio
Monteverdi konnte dafür ausersehen
26
Mit großem Engagement setzte sich
Jacobs für das Opernschaffen Claudio
Monteverdis ein. 1990 bot auch er
„L’incoronazione di Poppea“, die er zuvor
erfolgreich in Montpellier präsentiert
hatte, 1993 kam „Il Ritorno d’Ulisse in
­patria“ mit der herrlichen Bernarda Fink als
Penelope und 1999 „La guerra d’amore“ als
modernes Tanztheater auf die Bühne, um
von Innsbruck aus eine triumphale Gast­
spiel­­tournee bis Amerika zu starten. Mit
„L’Orfeo“ rundete René Jacobs im Jahre 2003
seinen großartigen Monteverdi-Zyklus ab.
Dessen Erbe trug neben Cesti auch
Francesco Cavalli in Venedig weiter;
Schatzgräber René Jacobs stellte 1985
Cavallis „Xerse“ konzertant vor, wobei er
– wie schon in der konzertanten „Orontea“
– selbst die männliche Hauptrolle sang.
1988 folgte Cavallis Bühnen-„Giasone“,
wieder eine Produktion von höchster
sänge­rischer Qualität, mit Michael Chance
in der Titelrolle. Aber auch ein Abend
vergnüglichster Art, denn wie schon bei
Cesti und Monteverdi beobachtet, liegen­
in der „eroicomico­“-Oper Ernst und buffo­
nesker Spaß dicht nebeneinander. Diener
paro­dieren ihre Herrschaften, Bucklige
und stotternde Komödianten sind ebenso
wie Verkleidungen und Verwechslungen
un­entbehrlich, und es war der unvergleich­
liche französische Haut-Contre Dominique
Visse, der mit Paradebeispielen alter ver­
liebter Weibsbilder immer wieder­ für köst­
lichste Effekte sorgte.
Opernabende von feiner Heiterkeit ver­
mittelte auch Francesco Conti, ruhmreich
am Wiener Hof tätig, mit seinem „Don
Chisciotte in Sierra Morena“, den René
Jacobs erstmals 1992 am Landestheater
präsentierte: in den witzigen Bühnenbildern
des genialen Topor, der alles auf den Kopf
stellte. Die Oper gefiel so gut, dass er sie
nochmals 2005 als Neuproduktion brachte;
wieder war Nicolas Rivenq, prädestiniert
Und kam mit ihrem Charme, mit der
Mischung aus tiefen Gefühlen und BuffoHumor auch in Innsbruck – 1986 und 1990
zudem als köstliche Bühnenproduktion
– glänzend an, wurde bei Gastspielen in
Brügge und Montpellier umjubelt. Hier
erfuhr das „recitar cantando“, der kunst­
volle, fast improvisiert wirkende und nur
von Theorbe, Barockcello oder Cembalo
begleitete Gesang mit den delikaten
Verzierungen schönste Ausprägung.
Auch die Orchester-Ritornelli waren klein
besetzt. Die kurz darauf gespielte HändelOper „Ariodante“ mit ihren Bravourarien
und dem schon viel größeren Orchester
samt Tanzensemble zeigte deutlich die
rasante Entwicklung der Barockoper.
Cesti aber sollte auch weiterhin von
besonderem Interesse für die Innsbrucker
Festwochen bleiben. 1983 brachte Alan
Curtis als Erstaufführung nach mehr als 300
Jahren dessen Oper „Il Tito“ (Titus) he­raus,
die 1666 in Innsbruck entstanden war. Diese
erste große Bühnenproduktion des Genius
loci, inszeniert von Shirley Wynne in den
Bühnenbildern von Peter Mühler, hatte
neben herrlicher Musik auch Spektakuläres
zu bieten, wie einen riesigen Walfisch, der
an einem lieblichen Meeresufer „landet“
und dem in die Judäerkönigin Berenice
­verliebten Kaiser Titus seine römische
Braut bringt, die ihn zur Ordnung ruft.
Das bedeutendste Cesti-Ereignis war 1996
René Jacobs’ Erarbeitung von „L’Argía“,
jener Oper, mit der am Innsbrucker Hof
1655 der Königin Christine von Schweden
gehuldigt wurde, die auf der Reise nach
Rom hier ihre Konversion zum katholischen
Glauben vollzog. Erzherzog Ferdinand­
Karl­ weihte­ mit dieser Prunkoper sein
neues Hoftheater (am Standort unseres
Landestheaters) ein.­ Kupferstiche der
zahlreichen phantasievollen Bühnenbilder
sind im Tiroler Landesmuseum Ferdi-­­­
nan­­­deum zu ­bewundern.
27
für den hageren Ritter von der traurigen
Gestalt, der fabelhafte Protagonist.
Schon 1979 war Alessandro Stradellas
Oratorium „Susanna“ in einer halb­
szenischen Aufführung in der Wiltener
Stiftskirche unter Alan Curtis zu einer
Wegmarke geworden. Nur sechs
In­strumentalisten, darunter Curtis am
Cembalo, hatten einen dramatisch aus­
drucksstarken Klang entfaltet, der sich
1992 bei der Bühnenproduktion von
Stradellas „San Giovanni Battista“ noch
steigerte. Eine frühe Salome nahm da
schillernde Klanggestalt an. 1993 war es
Antonio Caldara, Venezianer am Wiener
Hof, der mit der Oper „I Disingannati“ unter
Sigiswald Kuijkens Leitung auf amüsante
Weise ins Blickfeld trat. 1995 folgte mit
Alessandro Scarlatti ein weiterer Italiener,
dessen „Mitridate Eupatore“ unter Thomas
Hengelbrock seine Entdeckung wert war;
noch tiefer stieß René Jacobs im Jahr
2000 mit der rührenden „Griselda“ in
die Seelenlandschaft des Italieners vor.
Madrigalkomödien vom Feinsten aus der
Feder von Banchieri, Vecchi und di Lasso
ließ Dominique Visse 1996 über die Bühne
wirbeln. Konrad Junghänel bescherte 1999
Domenico Mazzocchis „La catena d’Adone“
und Thomas Hengelbrock 2000 „La divisione­
del mondo“ von Giovanni Legrenzi. Eine
erinnerungswürdige Opernproduktion
war 2001 „Dal male il bene“ von Abbatini
& Marazzoli unter der Leitung von Attilio
Cremonesi, der 2004 zudem Antonio
Sartorios „Giulio Cesare in Egitto“ erar­
beitete. Auch aus der Feder deutscher
Komponisten kamen italienische Opern: ­Von
Heinrich Ignaz Franz Biber stellte Howard
Arman 1994 „Arminio – chi la dura la
vince“ vor, René Jacobs führte 1997 Johann
Adolph Hasses „Solimano“ und im gleichen­
Jahr noch Florian Leopold Gassmanns
köstliche­ „Opera seria“ auf. Einen weiteren
interessanten Cavalli lernte man 2004
mit „Eliogabalo“ unter Jacobs kennen.
Ein bedeutendes Kapitel der Innsbrucker
Opernchronik gehört den italienischen
Bühnen­werken Händels, Mozarts und
Haydns. Der junge Händel war ja schon
21jährig nach Italien gereist und hatte dort
erfolgreiche Opern komponiert. Eine davon
kam 1984 auf die Festwochenbühne: Alan
Curtis führte den 1708 in Florenz uraufge­
führten und verloren geglaubten „Rodrigo“
nach Auffinden und Rekonstruktion
einiger Teile erstmals in neuer Zeit in
Innsbruck auf, was in der Fachwelt große
Beachtung fand. Ebenso war René Jacobs
Händel ein getreuer Anwalt, was er 1989
mit „Flavio, Re de’Langobardi“, 1998 mit
„Semele“ und 2002 mit „Rinaldo“ bewies.
1991 trug sich auch Howard Arman mit
„Serse“ in die Liste der Händel-Interpreten
bei den Innsbrucker Festwochen ein.
Schon im Mozartjahr 1991 hatte
Jacobs mit „La finta semplice“ bewiesen,
welch ein exzellenter Mozartdirigent er
ist; 2006 geriet sein „Don Giovanni“ zum
weitum ­beispielgebenden Modell. Auch
Alessandro De Marchi leistete mit „Il re
pastore“ einen würdigen Beitrag zum
250. Geburtstag Mozarts und eroberte
sich mit Bernardo Pasquinis „Il martirio
di Sant’Agnese” vollends die Sympathien
des Festwochenpublikums. Im Haydnjahr
2009 gab es gleich zwei italienische Opern
des Meisters von Esterház: De Marchi
leitete „L’isola disabitata“ und Jacobs
befreite Haydn mit einem turbulenten
„Orlando Paladino“ endgültig von allen
altväterischen Vorurteilen. So verteidigte
Innsbruck auch in der italienischen Oper
der Wiener Klassik seine Pionierrolle.
www.innsbruck.info
Natur & Kultur
Innsbruck und seine Feriendörfer
Jutta Höpfel
Innsbruck Tourismus, Tel. +��-���-� �� ��, [email protected], www.innsbruck.info
28
29
~ Biografien ~
Giovanni Antonini, der seine musikalische
Ausbildung in seiner Heimatstadt Mailand
und am Centre de Musique Ancienne in Genf
erhielt, feiert seit nunmehr zwei Jahrzehnten
mit dem von ihm mitbegründeten Ensemble
Il Giardino Armonico als Flötensolist und
Dirigent weltweite Erfolge. Ihm und seinen
MitmusikerInnen wird attestiert, dem Aus­
drucksspektrum in der historischen Auffüh­
rungspraxis Alter Musik faszinierende und
revolutionierende Impulse zu geben. 2000
erhielten Antonini und Il Giardino Armonico­
für das „Vivaldi Album“ den Grammy Award.
Als Dirigent tritt Antonini des Weiteren auch
mit Orchestern wie den Berliner Philharmo­
nikern, der Deutschen Kammerphilharmonie,
dem Orchestra of the Age of Enlightenment
und dem kammerorchesterbasel in Musik­
zentren wie dem Wiener Musikverein, der
Tonhalle Zürich und dem Amsterdamer
Concertgebouw auf. Mit dem kammer­
orchesterbasel feierte er sensationelle
Erfolge mit seinen Aufführungen und CDEinspielungen von Beethovens Symphonien.
Opern- und Oratorienaufführungen leitete
Antonini unter anderem bei den Salzburger
Festspielen, der styriarte Graz, am Piccolo
Teatro Studio in Mailand und am Théâtre des
Champs-Élysées. Dabei dirigierte er unter
anderem Monteverdis „L’Orfeo“, Cimarosas
„Il matrimonio segreto“, Händels­ „Agrippina“,­
Contis „Il martirio di San Loren­zo“­­ und
Pergolesis „La serva padrona“.
Il Giardino Armonico ist das wohl berühm­
teste Barockmusikensemble unserer­ Zeit.
Gegründet 1985 in Mailand von Absolventen
verschiedener europäischer Musikhoch­
schulen, revolutionierte das Ensemble mit
seinem vitalen, rhetorisch ausdrucksstarken
und klanglich risikofreudigen Spiel in kurzer
Zeit die Aufführungspraxis historisch infor­
mierten Musizierens. Il Giardino Armonico
wurde zum Markennamen für eine lebendige
Interpretation von Vivaldis Musik, die CDEinspielung der „Vier Jahreszeiten“ erreichte
Kultstatus. Das Repertoire des Ensembles
umfasst die Musik vieler bekannter und auch
wiederentdeckter Komponisten hauptsäch­
lich aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die
Besetzung reicht von drei bis 30 Musike­
rInnen. Il Giardino Armonico erhielt für seine
un­zähligen CD-Einspielungen hoch­karätige­
Preise, darunter den Grammy Award. Das
Ensemble konzertiert mit außergewöhn­
lichen Solistinnen wie Cecilia Bartoli, ­
30
Katia und Marielle Labèque und Viktoria
Mullova.­ Il Giardino Armonico wirkt inzwi­
schen als Opern- und Oratorienorchester, so
in Monteverdis „L’Orfeo“, Händels Oratorien
„Il trionfo del tempo del disinganno“ und
„La resurrezione“ und Hasses Oratorium ­
„I Pellegrini al sepolcro di Nostro Signore“.
klassischen Opern, wobei der Bogen an
Werken von Monteverdi, Purcell und
Caccini bis Hasse und Mozart reicht.
Pier Paolo Bisleri erhielt eine Ausbildung
als Bühnen- und Kostümbildner an der
­Accademia delle Belle Arti di Firenze. Zehn
Jahre lang leitete er das Kunstzentrum
„La Cappella Underground“ und arbeitete­
dabei mit Künstlern wie Joseph Beuys,
Arnulf Reiner,­ Andy Warhol und Christo
zusammen. Als Kurator präsentierte er die
erste Ausstellung des Wiener Aktionismus
in Italien mit Werken u. a. von Hermann
Nitsch und Günther Brus. Als Bühnen- und
Kostümbildner arbeitete Pier Paolo Bisleri­
an führenden Bühnen wie dem Piccolo
Teatro di Milano, La Fenice in Venedig, San
Carlo in Neapel, an der Oper von Monte
Carlo, an der Griechischen Nationaloper
Athen und am Bunkamura-Theater in Tokyo.
Dabei stattete er Werke wie Purcells­ Oper
„Dido and Aeneas“, Mozarts Da-PonteOpern und Rossinis „La cenerentola“ aus.
Er arbeitete mit Regisseuren wie Lucca
Ronconi und Federico Tiezzi und Diri­
genten wie Daniel Oren zusammen.
Deda Cristina Colonna wurde in Ballett,
Tanz und Schauspiel in Novara, Paris (Ecole
Supérieure d’Etudes Chorégraphiques) und
Genua (Teatro Stabile) ausgebildet und
spezialisierte sich in Lehrgängen an der
Pariser Universität Sorbonne auf Barocktanz
und italienischen und französischen Tanz
der Renaissance.­ Als Solistin und Choreo­
grafin arbeitete sie unter anderem­ mit The
New York Baroque Dance Company, als
Schauspielerin wirkte sie in Theaterauffüh­
rungen von Werken von Shakespeare bis
Tschechow und Genet in Italien, Frank­reich
und Deutschland mit. Sie choreografierte
die Tänze und die barocke Gestik in vielen
Opern- und Ballett­aufführungen in Zu­
sammenarbeit mit Regisseuren wie Pier
Luigi Pizzi und Antonio Latella. Inzwischen­
gilt sie als Spezialistin für Inszenierungen
und Choreografien von barocken und
31
~ Biografien ~
Monica Iacuzzo aus Mailand wurde an
der Akademie von Brera ausgebildet und
begann ihre Arbeit als Kostümbildnerin in
Produktionen an der Mailänder Scala und
in der Arena von Verona. Sie war KostümAssistentin bei Produktionen wie „Falstaff“
in der Regie von Luca Ronconi und „Aida“
in der Regie von William Friedkin.­ In der
Folge entwarf sie Kostüme für „Pagliacci“­
und „La voix humaine“ in der Regie von
Leo Muscato am Teatro Ponchielli in
Cremona und „Fairy Queen“ und „Così
fan tutte“ in der Regie von Deda Cristina
Colonna am Teatro Sociale Como. Sie ist
auch für Film- und Schauspielproduktionen
(u. a. „Silk“ von François Giraud) tätig.
späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.­
Sie tritt heute an bedeutenden Opern­
häusern und bei den wichtigsten Festivals
wie dem Sydney Opera House, an der
Mailänder Scala, an der Opéra de Paris,­
am Pariser Théâtre du Châtelet, am
Teatro Real in Madrid, am Teatro Liceu in
Barcelona, am Theater an der Wien, an
der Bayerischen Staatsoper München, bei
den Salzburger­ Festspielen, in Glynde­
bourne und an den Opernhäusern von San
Francisco und Houston auf. Die Altistin
gilt als Spezialistin für Partien in Opern
von Händel („Rinaldo“, „Giulio Cesare“,
„Rodelinda“, „Orlando“, Amadigi“, „Silla“,
„Ezio“ und „Tamerlano“), ist aber auch in
Werken von Monteverdi oder Vivaldi zu
erleben. Sie singt unter der Leitung von
Dirigenten wie Riccardo Muti, Emmanuelle­
Haïm, Marc Minkowski, Ivor Bolton, Fabio
Biondi, Alan Curtis, Jeffrey Tate, Jordi Savall
und Riccardo Chailly. In ihrer Diskografie
finden sich Aufnahmen bei den Labels
Naïve, Deutsche Grammophon, Sony
Classical und Virgin Records und Werke
wie Händels „La Resurrezione“ und
„Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“.
Sonia Prina studierte Gesang und Trom­
pete am Giuseppe Verdi Konservatorium
in Mailand. Sie wurde in die Akademie für
junge Sänger an der Mailänder Scala­ aufge­
nommen, wo sie erste wertvolle Bühnen­
erfahrungen sammeln konnte. Die Altistin
spezialisierte sich auf Barockoperngesang,
unternimmt aber auch immer wieder
Aus­flüge ins klassische Repertoire, früh­
romantische Belcantofach und zu Opern des
Veronica Cangemi wurde in Mendoza in
Argentinien geboren. In ihrer Ausbildung zur
Musikerin konzentrierte sie sich zunächst
auf das Violoncello und war Erste Cellistin
im Symphonieorchester ihrer Heimatstadt,
bevor nach einer Gesangsausbildung ihre
vokale Laufbahn mit dem Gewinn des
­Francisco-­­Vinas-Wettbewerbs in Barcelona
den entscheidenden Anstoß bekam. Bald
folgten Engagements auf Opernbühnen
in Europa und Südamerika. Obwohl sich
Veronica­ Cangemi in ihrem Repertoire auf
Opern des 17. und 18. Jahrhunderts speziali­
sierte, ist sie auch in Opern des 19. Jahr­
hunderts wie Donizettis „L’elisir d’amore“
(als Adina) und Bizets „Carmen“ (Micaela)
zu hören. Ihr europäisches Debüt feierte
sie in Glucks „Armide“ in einer Produktion
in Versailles mit Les Musiciens du Louvres.
2000 trat sie bei den Innsbrucker Fest­
wochen in der Titelpartie von Scarlattis
„Griselda“ auf. Seither singt sie an renom­
mierten Opernhäusern wie der Bayerischen
Staatsoper in München, der Deutschen
Staatsoper Unter den Linden in Berlin, am
Théâtre des Champs-Elysées in Paris, am
Teatro Real in Madrid und am Teatro Colón
in Buenos Aires sowie bei den Salzburger­
Festspielen, der styriarte Graz, beim
Opernfestival in Glyndebourne und beim
Maggio musicale in Florenz. Sie ist in den
Mozart-Partien Zerlina in „Don Giovanni“,­
Pamina in „Die Zauberflöte“, ­Susanna in
„Le nozze di Figaro“, Ilia in „Idomeneo“
und Servilia in „La clemenza di Tito“, aber
auch als Poppea­ in Monteverdis­ Oper
„L’incoronazione di Poppea“ und Dalinda­ in
Händels „Ariodante“­ zu erleben. Die Künst­
lerin arbeitet als Opern- und Konzertsänge­
rin mit Musikern wie Marc ­Minkowski, Ivor
Bolton, William Christie, Marek Janowski,
Sir Neville Marriner­ und René Jacobs sowie
mit Ensembles­ wie Les Arts Florissants,
Il Giardino Armonico­ und dem Freiburger
Barockorchester zusammen. Auf CD ist
die Sängerin unter­ anderem in „Griselda“
(Harmonia mundi),­ als Ruggiero in Rossinis
„Tancredi“ (BMG-RCA) und in vielen Auf­
nahmen der ­Vivaldi-Edition­ von Naïve ­(u. a.
­„Orlando furioso“,­ „Fida Ninfa“) zu hören.
Sunhae Im absolvierte ihr musikalisches
Studium in Seoul und schloss eine Gesangs­
ausbildung bei Roland Hermann in Karlsruhe
Mariangiola Martello
32
33
~ Biografien ~
an. Ihr Operndebüt feierte sie in Frankfurt.
Drei Jahre lang war sie Ensemble­mitglied
der Staatsoper Hannover, seither gastiert
sie an Opernhäusern wie der Hambur­
gischen Staatsoper, der Deutschen Oper
Berlin, am Staatstheater Stuttgart und der
Opéra National de Paris. Ihr Repertoire
umfasst Mozart-Partien,­ weiters La Musica­
und Euridice in Monteverdis­ „L’Orfeo“,
Rodisette in „Der geduldige Sokrates“ von
Telemann und Eurilla in Haydns „Orlando
Paladino“. In den beiden letztgenannten
Partien war sie auch bei den Innsbrucker
Fest­wochen zu hören. Ihr Innsbrucker Debüt
feierte sie 2005 als Ordogno in Contis „Don
Chisciotte in Sierra Morena“. Im Theater an
der Wien wirkte sie unter der Leitung von
René Jacobs als Amor in Glucks „Orfeo ed
Euridice“ mit. Als Konzertsängerin umfasst
ihr Repertoire­ Musik des Barock und der
Klassik. Händels­ „Messiah“ unter der Leitung
von Ton Koopman in New York und Haydns­
„Paukenmesse“ unter der Leitung von
Sigiswald Kuijken zählen zu herausragenden
Konzertverpflichtungen der Sängerin.
in Mailand eine Ausbildung in klassischer
Gitarre und bei Conrad Richter, Dunja
Vejzovic, John Jansen und Luca Gorla in
Gesang. Ihr Debüt feierte sie am Teatro
San Domenico­ in Crema in „Eliogabalo“
von Cavalli. Nach dem Gewinn beim 54.
Gesangswettbewerb Giovani­ Cantanti Lirici
d’Europa erhielt sie Engagements an das
Teatro la Fenice in Venedig („Il matrimonio­
segreto“ von Cimarosa), zum Festival di
Beaune („La Partenope“ von Vinci mit der
Cappella­ della pietà di Turchini),­ an die
­Pariser Oper („L’incoronazione di Poppea“
von Monteverdi)­, zum Opernfestival nach
Glynde­bourne (Rossinis „Cenerentola“),­
an die Mailänder Scala (Cherubino in
Mozarts „Le nozze di Figaro“) und zu
Produktionen­ von Vivaldis „Bajazet“ in
Madrid, Paris und Caen. Zuletzt sang sie
in einer Tourneeproduktion unter der
Leitung von Fabio Biondi die Adalgisa­ in
Bellinis „Norma“. Die Sängerin arbeitet
regelmäßig mit Dirigenten wie Rinaldo
Alessandrini, Giovanni Antonini, Ivor Bolton,
Antonio Florio, Daniele Gatti, Emmanuelle
Haïm und Marc Minkowski zusammen.
Lucia Cirillo absolvierte im Rahmen
ihres Musikstudiums in ihrer Heimatstadt
Crema und an der Civica Scuola di Musica
Krystian Adam hat an der Musikakademie
in Wroclaw in Polen und am Conservatorio
Giuseppe Verdi in Mailand Gesang studiert.
Er debütierte als Graf Almaviva in Rossinis
„Barbiere di Seviglia“. Erste Engagements
des Sängers erbrachten Konzerte zusam­
men mit den Ensembles Arion Consort,
La Risonanza, La Divina Armonia, Orchestra
Mozart, Modo Antiquo und Suonar Parlante
sowie Opernaufführungen an der Mailänder
Scala („Teneke“ von Vacchi), am Teatro La
Fenice in Venedig („Dido and Aeneas“ von
Purcell), am Teatro Filarmonico in Verona
(„Il Mondo alla Rovescia“ von Salieri),
am ­Teatro Carlo Felice in Genua („Die
Schöpfung“­ von Haydn und „La Passione“
von Stradella) und am Teatro Olimpico in
Vicenza („Il Finto Turco“ von Piccinni). Er
trat beim Festival di Beaune („Ariodante“
von Händel), beim Festival Monteverdi in
­Cremona („Israel in Egypt“ von Händel), bei
den Internationalen Barocktagen von Stift
Melk („Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“­
von Händel), bei Forummusicum Breslau
(„Griselda“ von Vivaldi, „Matthäus Passion“
von Bach) und bei den Musikfestspielen
Potsdam Sanssouci („Le Cinesi“ von Gluck)
auf. Der Sänger arbeitete mit Dirigenten wie
Claudio Abbado, Roberto Abbado, Rinaldo
Alessandrini und Diego Fasolis zusammen.
Entwurfzeichnung von Monica Iacuzzo
34
35
W W W. O P E R A . B U R K I A . AT
Händel
Semele
DAS NEuE OPERNHAuS
William Christie | Robert Carsen | Les Arts Florissants
Cecilia Bartoli, Charles Workman,
Birgit Remmert, Malena Ernman
Premiere: 15. September 2010, 19.00 Uhr
Strauss
AriAdne Auf nAxoS
Bertrand de Billy | Harry Kupfer | ORF RSO Wien
Anne Schwanewilms, Johan Botha, Heidi Brunner
Premiere: 9. Oktober 2010, 19.30 Uhr
Weill
die Sieben
TodSünden
Walter Kobéra | Juliette Deschamps | ORF RSO Wien
Angelika Kirchschlager, Catherine Hunold
Premiere: 15. Oktober 2010, 19.30 Uhr
K U LT U R
TRIFFT GAUMEN
LASSEN SIE SICH
VON UNS VERWÖHNEN.
mozart
lA finTA
giArdinierA
René Jacobs | David Alden | Freiburger Barockorchester
Sophie Karthäuser, Topi Lehtipuu,
Alexandrina Pendatchanska
Premiere: 12. November 2010, 19.00 Uhr
Catán
il poSTino
Jesús López-Cobos | Ron Daniels | Wiener Symphoniker
Plácido Domingo, Israel Lozano,
Amanda Squitieri, Cristina Gallardo-Domâs
Premiere: 9. Dezember 2010, 19.00 Uhr
rameau
CASTor eT pollux
Christophe Rousset | Mariame Clément
Les Talens Lyriques | Maxim Mironov, Dietrich Henschel,
Anne Sofie von Otter, Christiane Karg
Premiere: 20. Jänner 2011, 19.00 Uhr
britten
THe rApe of luCreTiA
Sian Edwards | Keith Warner | Klangforum Wien
Angelika Kirchschlager, Nathan Gunn,
Kim Begley, Markus Butter
Premiere: 17. Februar 2011, 19.30 Uhr
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Kurt Streit, Bejun Mehta, Malena Ernman
Premiere: 20. März 2011, 19.00 Uhr
SAiSon
poulenc
diAlogueS
deS CAr méliTe S
2010/11
Bertrand de Billy | Robert Carsen | ORF RSO Wien
Patricia Petibon, Deborah Polaski,
Hendrickje Van Kerckhove, Michelle Breedt
Hauptsponsor
Theater an der Wien:
36
neumeier
orpHeuS
Ein Unternehmen der Wien Holding
Hamburg Ballett | Stefan Vladar | Wiener KammerOrchester
Linke Wienzeile 6 | A-1060 Wien
Tel.: +43(0)1 588 30-660 | www.theater-wien.at
6DLVRQ,%7[NRPPDLQGG
Premiere: 16. April 2011, 19.00 Uhr
Premiere: 5. Mai 2011, 19.30 Uhr
37
~ Libretto ~
OTTONE IN VILLA
PERSONAGGI
Cleonilla
Caio
Ottone
Tullia creduta Ostilio
Decio
ATTO PRIMO
AKT I
Scena I
Loco delizioso della villa imperiale con ritiri
di verdure, e viali di cedro, con peschiere, e
fontane, adorne di vasi di fiori.
Cleonilla sola che va cogliendo fiori per
­adornarsene il seno.
1. Szene
Ein malerischer Ort in der kaiserlichen Villa
mit schattigen Lauben, Zedernalleen, mit
Teichen und Brunnen, die mit Blumenvasen
geschmückt sind. Cleonilla allein; sie pflückt
Blumen, um sich damit zu schmücken.
Cleonilla
Nacqui a gran sorte, o Cieli, e nacqui è vero
per aver sul mio crin d’augusti allori, qual di
Cesare amante, il fregio illustre. Ma ciò che
mai giovò, se ho un’alma, un core che libertà
nel suo voler sol brama! Gemme ed oro io
non vo’, purchè disciolta seguire io possa
Amor, che da tiranno fatto ha in me la sua
sede, e ognor mi sforza d’ogni vago garzon
rendermi serva. Così spesso men vo di foco,
in foco, sempre vaga d’aver novelli amanti.
Amai di Caio il volto, e ancora io l’amo; ma
appena io vidi, o Dio, del mio Ostilio gentil
le bianche guancie, l’occhio, il ciglio, il bel
labbro, che in nuovo ardor già mi distruggo
e avvampo, né trovo incontro a lui riparo, o
scampo.
CLEONILLA
Beim Himmel, ich bin zwar zu Großem
geboren fürwahr, um mein Haupt als Cäsars
Geliebte mit edlem Lorbeer zu bekränzen,
doch was nützt es mir, da meine Seele, mein
Herz sich einzig nach der Freiheit sehnt?
Ich begehre weder Juwelen noch Gold,
sondern nur frei der Liebe folgen zu dürfen,
die tyrannisch in mir sesshaft ist und mich
stets zwingt, jedem hübschen Jüngling zu
Willen zu sein. So eile ich ohne Unterlass
von einer Flamme zur nächsten, immer auf
der Suche nach neuen Lieb­habern. Caio
liebte ich für sein Antlitz, ich liebe ihn noch
immer; doch kaum erblickte ich, oh Gott, die
weißen Wangen meines teuren Ostilio, seine
Augen, seine Stirn, seinen schönen Mund,
so überkam mich eine neue, verhängnisvolle
Leidenschaft, gegen die ich keinen Schutz
oder Ausweg finde.
38
ARIA
ARIE
Cleonilla
Quanto m’alletta
La fresca erbetta
Quanto a me piace
Quel vago fior,
L’un con l’odore
M’inspira amore
L’altra colo verde
empie di speme
L’amante cor.
Quanto …
CLEONILLA
Wie verlockt mich
das frische Grün,
wie reizend ist
diese schöne Blume.
Mit ihrem Duft
spricht die eine von Liebe,
mit ihrem Grün
erfüllt die andere
mein liebendes Herz mit Hoffnung
Wie verlockt mich …
SCENA II
Caio, e suddetta
2. Szene
Caio und Cleonilla
Cleonilla
Caio …
CLEONILLA
Caio ...
Caio
Cleonilla, qui sola?
CAIO
Bist du allein?
Cleonilla
O qual diletto prova l’alma in raccor questi
bei fiori, per renderne al mio petto vezzo­
setto monil di grati odori.
CLEONILLA
Oh, wie es mein Herz erfreut, diese schönen
Blumen zu pflücken, um meine Brust mit
ihnen und ihrem süßen Duft zu schmücken.
Caio
Ah che t’inganni; questi ponno il vanto
­spiegar solo fra l’erbe; ma nel tuo bianco
seno perdono il pregio lor, né quei più sono.
CAIO
Ach, du irrst dich; jene können ihren Reiz
allein im Gras entfalten, doch an deinem
weißen Busen verlieren sie ihren Zauber,
sind nicht wie zuvor.
Cleonilla
Solite tue lusinghe che adulano il mio amor.
Io t’amo, e basti che il cor sempre di te sarà
sol pago. (Ah che Ostilio di te troppo è
più vago!)
CLEONILLA
Deine üblichen Schmeichelworte, die auf
meine Liebe einreden. Ich liebe dich, es
­genüge dir, dass mein Herz für immer nur
dein sein soll. (Ach, Ostilio ist doch viel
schöner als du!)
39
~ Libretto ~
ARIA
ARIE
Ottone
Caro mio ben gradito, credi pur ch’il mio
core sempre più arde ai tuoi begl’occhi
innante.
OTTONE
Meine teure Geliebte, glaube mir, dass mein
Herz stets höher schlägt, wenn ich deine
strahlenden Augen erblicke.
CAIO
Sole degli occhi miei
l’idolo mio tu sei,
e il tuo bel volto amabile
tutto è scolpito in me.
Quel fulgido splendore
che in sen m’accende il core
è tanto, e sì adorabile,
ch’io vivo sol per te.
Sole degli occhi miei ...
CAIO
Sonnenlicht meiner Augen,
du bist mein Ein und Alles,
und dein liebliches Antlitz
ist in mein Herz gemeißelt.
Diese strahlende Schönheit,
die mir das Herz im Busen entfacht,
ist gar so bezaubernd,
dass ich nur für dich lebe.
Sonnenlicht meiner Augen …
Cleonilla
Ah Cesare, m’inganni, né verso me pui sei
quel fido amante.
CLEONILLA
Ach, Cäsar, du täuschst mich, du bist nicht
mehr der treue Liebhaber.
ARIA
ARIE
CLEONILLA
Mit meinen erprobten Künsten will ich eifer­
süchtige Liebe zu ihm allein vortäuschen.
(Herz, lass deine Schmeichelworte sprechen!)
Cleonilla
Caro bene
se vuoi togliermi di pene
mostra almen più amore in me.
Sai che l’alma,
sol trovar può la sua calma
nel candor de la tua fé.
Caro …
CLEONILLA
Geliebter, willst du
meinem Schmerz ein Ende machen,
dann zeige mir mehr Liebe.
Du weißt, dass meine Seele
ihre Ruhe nur findet,
wenn deine Treue aufrichtig ist.
Geliebter …
Ma cesare qui vien …
Doch hier kommt Cäsar.
Cleonilla
Con l’arti usate, fingasi solo ver lui geloso
amore. (Su, le lusinghe tue risveglia, o core.)
SCENA III
Ottone, e sudetti
3. Szene
Ottone tritt ein. Die Vorigen
SCENA IV
Caio, ed Ottone
4. Szene
Caio und Ottone
Ottone
Cleonilla a te ne vengo, acciò fra questi
solitari ritiri, dell’impero lasciando il grave
incarco, più del tuo bel mi goda.
OTTONE
Cleonilla, ich komme zu dir, um in dieser
friedlichen Einsamkeit die schweren Sorgen
um das Reich zu vergessen und mich umso
mehr an deiner Schönheit zu erfreuen.
Ottone
Più fida amante, e chi mirò già mai! Ogni
picciol momento che al suo fianco io non
son, s’adombra e crede che d’amarla già
lasci.
OTTONE
Wer hätte je einen treueren Liebhaber gese­
hen? Wegen jedes Augenblicks, da ich nicht
an ihrer Seite bin, wird sie ungehalten und
glaubt, dass ich sie nicht mehr liebe.
Cleonilla
Cesare a che mentir? Forse non veggo qual
cieco oblio ricopra di quel primo amor tuo la
cara imago?
CLEONILLA
Cäsar, wofür lügen? Meinst du, ich sehe
nicht das blinde Vergessen, das über das
teure Abbild deiner Liebe von ehemals
seinen­ Schatten wirft?
Caio
Tanto fa chi ben ama.
CAIO
So benimmt sich, wer wirklich liebt.
Ottone
Quai doglianze importune! E quale io sento
frenetico parlar sul tuo bel labro?
OTTONE
Welch ungerechten Vorwurf! Welch rasende
Worte höre ich aus deinem schönen Mund?
Ottone
Anch’io l’adoro e pur di lei più che sicuro io
vivo. Ma tu che spesso, o Caio, hai di servirla
il sì distinto onore, togli dal suo bel core quel
sì freddo timor di gelosia.
OTTONE
Auch ich bete sie an, und doch vertraue ich
ihr vollends. Doch du, Caio, der du so oft die
Ehre hast, ihr dienen zu dürfen, entnimm ih­
rem Herzen die eisige Angst der Eifersucht.
Cleonilla
Forse non miro, o Dio, quanto brevi son
l’ore che concedi al mio cor di vagheggiarti!
Quando allor che m’amavi, ogni cura oblian­
do, i giorni interi meco ne stavi a raddolcir le
pene del tuo tenero amor.
CLEONILLA
O Gott, meinst du, ich wüsste nicht, wie we­
nige Stunden du meinem Herzen vergönnst,
seine Liebe zu erklären? Als du mich liebtest,
bliebst du, alle Sorgen vergessend, tagelang
bei mir, um die Schmerzen deiner innigen
Liebe zu mildern.
Caio
L’onor de’cenni tuoi adempiti saran dalla
mia fede. (Quanto Cesare è sciocco e
tutto crede!)
CAIO
Dein Auftrag ehrt mich und ich will ihn
treulich ausführen. (Wie einfältig Cäsar ist,
wie leichtgläubig!)
40
41
~ Libretto ~
ARIA
ARIE
Ottone
Par tormento ed è piacer
il veder l’amato oggetto
nel sospetto e nel timor.
E’ piacer perché si vede
quanto amante è in lei la fede,
quanto fido è in lei l’amor.
Par tormento …
OTTONE
Es ist Pein und es ist Wonne,
zu sehen, dass die Geliebte
von Zweifel und Angst geplagt wird,
Es ist eine Freude zu sehen,
wie liebevoll ihre Treue
und wie treu ihre Liebe ist.
Es ist Pein …
in rammentar le sue querele un pietoso
pensier mi punge il seno. (Ahi che già mi
discuopro, o vengo meno!)
jetzt, da ich ihrer Klagen gedenke, dringt mir
ein Mitleidsstrahl ins Herz. (Weh! Ich werde
mich verraten oder die Sinne verlieren!)
Caio
Che posso far, se più di lei non curo? Forse
in questo momento, guarita del suo duol
lieta consola il passato martir con altro
amante.
CAIO
Was kann ich nur tun, wenn ich sie nicht mehr
liebe? Vielleicht findet sie in diesem Augenblick,
von ihrem Kummer geheilt, Trost für vergan­
gene Schmerzen mit einem anderen Liebhaber.
TULLIA
Das wird nie sein, denn sie bleibt ewig treu,
obwohl sie verraten wurde, liebt sie dich noch
immer. (Ach, grausamer, undankbarer Lieb­
haber! Ach, Verräter!)
SCENA V
Caio, poi Tullia creduta Ostilio
5. Szene
Caio, dann Tullia, der vermeintliche Ostilio
Tullia
Questo già mai non fia, che ognor costante,­
più che tradita ell’è, ti serba amore. (Ah
crudo, ingrato amante, ah traditore!)
Caio
Quanto di donna amante sagace è il cor
per ingannare altrui. Oggi solo in Cleonilla
ognun l’apprenda!
CAIO
Wie geschickt das Herz einer liebenden Frau
andere hinters Licht führen kann, das hat
uns Cleonilla heute bewiesen!
Caio
La cagion qual ne sia dir non poss’io. (Ahi
che sol Cleonilla è l’idol mio.)
CAIO
Den Grund dafür weiß ich wirklich nicht. (Ach,
Cleonilla liebe ich allein.)
Tullia
Caio, fra queste erbette forse vai rimem­
brando di Tullia sventurata l’amor tradito e
la giurata fede!
TULLIA
Caio, in diesem Garten gedenkst du viel­
leicht der verratenen Liebe an der unglück­
lichen Tullia und der gebrochenen Treue!
SCENA VI
Tullia creduta Ostilio sola
6. Szene
Tullia, der vermeindliche Ostilio, allein
Caio
Allor che le tue voci, Ostilio, ascolto, e il tuo
volto rimiro, e gl’atti, e i moti, così di Tullia
io le fattezze amiro, che se uomo non fossi.
Tullia ti crederei. Perciò m’è forza, sempre
che teco io parlo, sentir del primo amor
sovente il tarlo.
CAIO
Ostilio, wenn ich deine Stimme höre und
dein Gesicht, dein Verhalten, deine Gesten
sehe, erinnert alles mich so sehr an Tullia,
dass ich, wärst du kein Mann, dich für Tullia
hielte; deswegen plagt mich, wenn ich mit
dir spreche, stets das schlechte Gewissen
wegen meiner ersten Liebe.
Tullia
Ah traditor t’intendo: siegui pure l’amore di
una perversa donna, ch’io ben la mia ven­
detta or ti preparo. Questa già voti appende
al volto mio, benché da te negletto, e qual
giovin garzon solo mi siegue. Io per darti
un tormento in parte eguale al mio dolor, la
sieguirò fedele, perché teco qual era ella non
sia, e poi mori, crudel, di gelosia.
TULLIA
Ach! Treuloser, ich durchschaue dich: Folge nur,
so viel du willst, der Liebe einer Verruchten,
ich bereite schon meine Rache vor. Jetzt ist
sie ganz vernarrt in meine Erscheinung, die du
verschmähst; und sie stellt mir nach, als wäre
ich ein Jüngling. Um dir die Schmerzen, die du
mir zufügst, ein wenig zu vergelten, will ich ihr
nachstellen, bis sie dich nicht mehr so liebt wie
zuvor; und dann stirb, Grausamer, vor Eifersucht.
Tullia
Ma se questo ti punge, or dimmi o Dio,
­perché fido non torni a consolarla?
TULLIA
Wenn es dich so plagt, so sag mir doch, wa­
rum kehrst du nicht zurück, sie zu trösten?
ARIA
ARIE
Caio
Forza di nuovo foco il primo estinse. Ma a
che tanto di quella, sempre sul labbro tuo
deggio sentir qual difensore il nome?
CAIO
Die Macht des neuen Feuers hat das alte
gelöscht. Aber warum muss ich stets aus
deinem Munde ihren Namen hören, als
wolltest du ihr Recht verschaffen?
Tullia
Sol perché la conobbi, e seco spesso fa­
vellando di te piansi al suo pianto. Ed ora
TULLIA
Nur, weil ich sie kannte, und oftmals, wenn
wir von dir sprachen, mit ihr weinte; und
Tullia
Con l’amor di donna amante,
il mio core, e l’alma mia,
arti, e vezzi usar saprà.
E nel sen de l’incostante,
col martir di gelosia,
punirò l’infedeltà.
Con l’amor …
TULLIA
Mit der Hingabe einer liebenden Frau
werden mein Herz und meine Seele
Kunstgriffe und Tricks zu verwenden wissen.
Und im Herzen des Unbeständigen
will ich die Untreue
mit Qualen der Eifersucht bestrafen.
Mit der Hingabe …
42
43
~ Libretto ~
SCENA VII
Rotonda di bagni con letto di campagna, in
mezzo a vago boschetto di mirti, con veduta­
d’acque che cascano. Cleonilla uscita dal
bagno ed Ottone che la tiene per mano,
e poi Decio
7. Szene
Verwandlung. Ein runder Badepavillon mit
einem­ Bett, das mit allem Komfort aus­
ge­­stattet ist, inmitten eines malerischen
Myrten­haines; im Hintergrund ein Wasserfall.
Cleonilla kommt aus dem Bad mit Ottone, ­
der ihre Hand hält; später Decio
ARIA
ARIE
Ottone
Frema pur, si lagni Roma,
se non vede il suo regnante,
ch’ il mio ben seguir io vo’.
Di quei rai l’augusta chioma,
freggia sol Cesare amante,
né giamai d’altro curò.
Frema …
OTTONE
Rom mag zürnen und ungehalten sein,
dass es seinen Herrscher nicht erblickt.
Es zürne, ich will bei der Liebsten verweilen.
Die erhabenen Brauen ihrer Augen
seien der einzige Schmuck des liebenden
Cäsar, nie habe ich nach anderem begehrt.
Rom mag zürnen …
Ottone
Quanto m’alletti o cara, in veder sì scom­
posti su le bianche tue membra errar gli
usati freggi incolti e sparsi. Onde ridir non
so se per celarle o per farne delizia agli occhi
miei toccan le tue bellezze.
OTTONE
Geliebte, wie erfreut es mich, das Hemd zu
sehen, das ungeordnet deine weißen Glieder
bedeckt, so charmant und so lose, dass ich
nicht weiß, ob es sie verhüllen oder meine
Augen ergötzen soll, wenn sie deine Schön­
heit streifen.
SCENA VIII
Decio, e poi Tullia creduta Ostilio
8. Szene
Decio, später Tullia, der vermeintliche Ostilio
Cleonilla
Se queste a te gradite son pur qual mostri,
or dimmi perché più tu non l’ami?
CLEONILLA
Wenn sie dir so gefallen wie du behauptest,
so sag mir, warum liebst du sie nicht mehr?
Cleonilla
Grande ho, Decio, il desìo, saper quai cose
Roma di me favella, e se contenta è del­
l’amor che al mio regnante io porto.
CLEONILLA
Decio, ich wüsste sehr gerne, was man in
Rom über mich erzählt, und ob man meine
Liebe zum Herrscher zu würdigen weiß.
Decio
Cleonilla inchino, il grande Ottone adoro.
DECIO
Ich verbeuge mich vor Cleonilla und bete
den großen Ottone an.
Decio
Il dir forse che Roma tesse lodi al tuo nome,
arte saria d’adulator, non di vassal fedele.
DECIO
Zu sagen, dass Rom deinem Namen Lor­
beeren­ streut, erforderte die Redekunst eines
Schmeichlers, nicht die eines treuen Dieners.
Ottone
Decio, che porti?
OTTONE
Decio, was gibt es?
Cleonilla
Qual opre io fo, che di biasmar son degne!?
Decio
Roma, Signor, non è contenta di vedersi
lontan dagli occhi tuoi.
DECIO
Herr, Rom ist ungehalten, weil du dich so
lange nicht blicken lässt.
CLEONILLA
Was habe ich getan, um diesen Vorwurf zu
verdienen!?
Decio
(Son le lascivie tue pur troppo indegne.)
Ottone
Dunque m’invidia Roma che per brevi mo­
menti in questo loco un bel riposo io goda!
OTTONE
Also beneidet mich Rom, weil ich für kurze
Zeit hier ein wenig angenehme Ruhe genieße!
DECIO
(Er besteht wegen deiner schamlosen
­Unzüchtigkeit.)
Cleonilla
Forse ciò fa per secondar tue voglie …
CLEONILLA
Vielleicht stimmt das mit deinen Wünschen
überein.
Tullia
Qui per ornarti il fianco l’usato fregio io
serbo!
Tullia
Hier, um deine Hüfte zu schmücken, bewahre
ich die gebrauchte Verzierung auf!
Cleonilla
(a Tullia) A tempo or giungi.
(a Decio) A miglior loco, o fido, serbiam
nostri discorsi.
CLEONILLA
(zu Tullia) Du kommst gerade rechtzeitig.
(zu Decio) Mein Freund, wir wollen unser
­Gespräch ein andermal fortsetzen.
Decio
Al tuo gran cenno lungi porto il mio piè.
DECIO
Ich folge deinem Befehl und will mich
­entfernen.
Ottone
Frema pur Roma, io l’idol mio sol sieguo.
Resta qui Decio intanto, mentr’io scrivo
al Senato.
OTTONE
Rom mag zürnen, ich bleibe bei der Ge­
liebten.Decio, warte einen Augenblick hier,
während ich an den Senat schreibe.
Decio
Il tuo cenno ubbidisco. (Quanto dall’amor
suo resta ingannato!)
DECIO
Ich folge deinem Befehl. (Wie doch die Liebe
seinen Unverstand bestärkt!)
44
45
~ Libretto ~
Cleonilla
Basti per ora ridire a chi vil macchia cerca­
imporre al mio nome, che se ben non
an­cora ho il piè sul trono, dal regnante di
Roma amata io sono!
CLEONILLA
Momentan genügt es, denen, die meinen
Namen anzuschwärzen versuchen, zu
sagen, dass ich zwar noch nicht den Thron
einnehme, doch dass der Herrscher über
Rom mich liebt!
Tullia
Più non recarmi offesa, che a la legge d’onor
so quanto io deggio.
TULLIA
Kränke mich nicht noch mehr, ich weiß, was
der Ehre gebührt.
Cleonilla
Sappi dunque ch’io t’amo, e fin d’allora che
gli occhi tuoi mirai, per te senza riparo arsi
e penai.
CLEONILLA
So wisse, dass ich dich liebe, und seit ich in
deine Augen schaute, verzehre ich mich vor
Verlangen nach dir.
ARIA
ARIE
Decio
Il tuo pensiero è lusinghiero,
se ti a credere quel che non è.
L’alto splendore del puro onore
non si raquista set’ama un Rè.
Il tuo pensiero è lusinghiero ...
DECIO
Deine Gedanken sind trügerisch,
wenn du glaubst, was nicht stimmt.
Den Glanz der Keuschheit kann man durch
die Liebe eines Königs nicht zurückgewinnen.
Deine Gedanken sind trügerisch …
Tullia
Cieli, qual alto don per me serbate! Creder
poss’io tal cosa?
TULLIA
Himmel, welch eine Gnade erweisest du mir!
Kann ich es glauben?
Cleonilla
Ah vezzoso mio ben, de l’alma mia a te solo
il trionfo oggi s’aspetta.
CLEONILLA
Ach, mein Süßer, von nun an ist meine Seele
ganz und gar dein.
SCENA IX
Cleonilla e Tullia creduta Ostilio
9. Szene
Cleonilla und Tullia als Ostilio
Tullia
(Questo farà per ben la mia vendetta.)
TULLIA
(Das ist wahrlich meine Rache.)
Cleonilla
Porgimi il manto, o caro, ch’hai nel tuo
volto Amore.
CLEONILLA
Reiche mir den Umhang, mein Freund, aus
deinem Antlitz spricht die Liebe.
Cleonilla
No, no restar sospeso, e non sorprenda
l’eccelso onor le tue bellezze altere.
CLEONILLA
Sei nicht so ängstlich; die Worte, die deine
Schönheit ehren, sollten dich nicht verwundern.
Tullia
Scherza, che pur lo puoi.
TULLIA
Du scherzest, das ist dein Recht.
Tullia
Il dubbio che in me sento nasce …
TULLIA
In mir steigen Zweifel auf ...
Cleonilla
Ahi che scherzi non sono, ridir di tue
bellezze­ il pregio altero.
CLEONILLA
Ach, es ist kein Scherz deine erlesene
Schönheit zu rühmen.
Cleonilla
Da che? Favella!
CLEONILLA
Worüber? Sprich ...
Tullia
Deh non farmi arrossir.
TULLIA
Bitte, mach mich nicht erröten.
Tullia
Caio …
TULLIA
Caio ...
Cleonilla
Pur troppo astretta io sono a un tal rossor.
Ma dimmi, o fido, poss’io teco svelare un
mio pensiero?
CLEONILLA
Ich bin allzu empfänglich für dieses Erröten.­
Doch sage mir, Lieber, kann ich dir ein
­Geheimnis anvertrauen?
Cleonilla
Siegui!
CLEONILLA
Sprich weiter!
Tullia
T’adora e del caro tuo amor vive geloso.
TULLIA
Er liebt dich und ist eifersüchtig auf
deine Liebe.
Tullia
Basta dirmi ch’io taccia, e il tuo comando
adempito sarà.
TULLIA
Es genügt, dass du mir Schweigen auf­
erlegst, und ich folge deinem Befehl.
Cleonilla
Ma ben rifletti, ché il tradirmi sarìa la
morte tua.
CLEONILLA
Bedenke es wohl, denn, wenn du mich
­verrätst, ist es dein Tod.
Cleonilla
Eh che sciocco tu sei! Che se ben quello
discaro a me non fu, mai poté tanto dis
corger, nel mio cor, sì fiero ardore.
CLEONILLA
Ach, wie dumm du bist! Selbst wenn er mir
einst nicht missfiel, hätte er niemals solche
Leidenschaft in mir entfachen können.
46
47
~ Libretto ~
Tullia
Ma pur …
TULLIA
Dennoch ...
Cleonilla
Taci non più; ch’io ti do fede che Caio sprez­
zerò; quella che t’ama tanto eseguir ti dice.
CLEONILLA
Still, genug; ich gebe dir mein Wort, dass
ich Caio zurückweisen werde; die dich liebt,
sagt, dass es so kommen wird.
Tullia
O soave promessa, o me felice.
TULLIA
O süßes Versprechen, wie bin ich glücklich.
Cleonilla
Ma perché del mio, amor, vivi sicuro, fedel
quanto ti dissi, ecco ti giuro.
(Giuramento) Amor con la sua man fedele ei
scriva la gran promessa, il giuramento mio.
Solo Ostilio adorar, seguir vogl’io, e Caio
aborrirò per fin ch’io viva.
CLEONILLA
Damit du meiner Liebe sicher sein kannst,
will ich, was ich gesagt, beschwören.
(Schwur) Amors getreue Hand soll mein Ver­
sprechen, meinen Schwur niederschreiben:
Ich will nur Ostilio lieben und ihm folgen,
und Caio verschmähen, so lange ich lebe.
ARIA
ARIE
Cleonilla
Che fé che amor
per te nel cor
sempre costante
amante, riserberò.
Non dubitar che amar
sempre ti voglio, sì,
e se mi ferì
quel vivo cinabro
del tuo labbro,
ancor t’adorerò.
Che fé …
CLEONILLA
Dir will ich treu sein,
dich will ich lieben,
deine treue Geliebte
bin ich auf ewig.
Zweifle nicht daran,
dass ich dich immer lieben will,
und bin ich auch verwundet
vom leuchtenden Rot deiner Lippen,
liebe ich dich doch,
daran zweifle nicht.
Dir will ich …
SCENA X
Caio che da parte ha inteso il giuramento, ­
ed Tullia
10. Szene
Caio, der verborgen dem Schwur gelauscht
hat, und Tullia
Caio
“E Caio aborrirò per fin ch’io viva!” Ah, che
mai gli fec’io?
CAIO
„Und Caio verschmähen, so lange ich lebe?“
Ach, was habe ich ihr denn getan?
48
Tullia
(Già Caio intese; strappati pur quel cor, se
quel m’offese.)
TULLIA
(Caio hat schon verstanden: Reiß dir nur
dein Herz aus, da du mich so verletzt hast.)
Caio
Ostilio, ferma il piè!
CAIO
Ostilio, geh nicht fort!
Tullia
Non posso.
TULLIA
Ich kann nicht.
Caio
Un solo momento almen …
CAIO
Nur für einen Augenblick ...
Tullia
Seguir sol vo’ chi deggio.
TULLIA
Ich muss gehen, wohin mich die Pflicht ruft.
Caio
Ah che t’intendo, o Dio.
CAIO
Ach Gott, ich verstehe, was du meinst.
Tullia
(Il tuo grave dolor compensi il mio.)
TULLIA
(Möge dein Schmerz den meinen lindern.)
ARIA
ARIE
Tullia
Sì sì deggio partir,
no non ti posso udir,
né ti vo’ dir perché.
Allor t’ascolterò
quando veder potrò
quel ch’or non veggo in te.
Sì sì …
TULLIA
Ja, ja, ich muss fort,
nein, ich kann dich nicht anhören,
und ich will mich auch nicht erklären.
Ich höre dich erst an,
wenn ich in dir etwas erblicke,
was ich noch nicht erkenne.
Ja, ja, …
SCENA XI
Caio solo
11. Szene
Caio allein
Caio
“E Caio aborrirò per fin ch’io viva!” Ostilio
mio rivale! Ostilio dunque deve del mio dolor
spiegar l’insegna. Ah pria ch’io mora almeno,
a Cesare, all’inferno, al mondo ai cieli un sì
gran tradimento oggi si sveli.
CAIO
„Und Caio verschmähen, so lange ich lebe?“
Ostilio mein Nebenbuhler? So soll Ostilio für
meinen Kummer zahlen. Vor meinem Tod
will ich noch heute vor Cäsar, der Hölle, der
Welt, dem Himmel diesen abscheulichen
Verrat aufdecken.
49
~ Libretto ~
ARIA
ARIE
Caio
Gelosia,
tu già rendi l’alma mia
dell’inferno assai peggior.
Ma se pria
la vendetta io non farò,
non m’uccidere no no,
mio crudele aspro dolor.
Gelosia …
CAIO
Eifersucht,
du fügst meiner Seele
Qualen zu, ärger als die der Hölle.
Doch ehe ich
mich gerächt habe,
töte mich nicht, nein, nein,
durch diesen grausamen, bitteren Schmerz.
Eifersucht …
FINE DELL’ATTO PRIMO
ENDE DES ERSTEN AKTES
ATTO SECONDO
AKT II
SCENA I
Delizioso recinto di verdi piante sotto vaga
­collina con speco erboso e con laghetto in
mezzo­ per diporto imperiale, con vari sedili
d’erbe intorno. Decio ed Ottone
1. Szene
Ein versunkener, schattiger Garten am Fuß
einer sanften Anhöhe mit einer grasbewach­
senen Höhle: in der Mitte ein kleiner, von Gras­
bänken umgebener Teich, der der kaiserlichen
Zerstreuung dient. Decio und Ottone
Decio
Spinto signor son io dal zelo del tuo onor,
dalla mia fede, a dirti quel che di ridir
pavento.­
DECIO
Herr, meine Treue und die Sorge um deine
Ehre drängen mich, dir etwas zu berichten,
was ich mich zu erzählen scheue.
Ottone
Favella pur: qual tema può raffrenarti
il labbro?
OTTONE
Sprich ruhig; welche Furcht kann deinen
Mund versiegeln?
Decio
Il dirti cose ch’esser ponno cagion del
tuo dolore.
DECIO
Dir etwas zu berichten, was dir vielleicht
Kummer bereitet.
Ottone
Quest’ io non curo; allora che al carattere
eccelso che splende in me onta può darsi,
e scorno.
OTTONE
Das besorgt mich nicht, es sei denn, es
wirft Schmach und Schande auf das hohe
Ansehen,­ dessen ich mich rühme.
50
Decio
Già che tu mel comandi, Cesare, io ti dis­
velo che colei che tant’ami fabra sarà del
precipizio­ tuo.
DECIO
Da du es mir befiehlst, Cäsar, will ich dir
kundtun, dass sie, die du über alles liebst,
dir zum Verhängnis wird.
Ottone
Per qual ragion?
OTTONE
Aus welchem Grund?
Decio
Son giunte (scusa Singor), son giunte al
colmo le lascive sue forme agli occhi altrui:
Roma ne parla e tutti dicon “Cesare è cieco,
che segue una vil donna, un empio mostro”.
DECIO
Es ist so weit, (verzeih mir, Herr) dass ihr
unsittlicher Wandel öffentlichen Anstoß
erregt; Rom verunglimpft sie und alle sagen:
„Cäsar ist blind, er liebt eine Unwürdige,
einen Ausbund des Lasters.“
Ottone
Che ascolto! E che tu parli? Empia forse è
colei, perché tropp’ama chi deve amar?
OTTONE
Was höre ich! Was sagst du? Ist sie laster­
haft, weil sie den Mann, den sie lieben soll,
vielleicht allzu sehr liebt?
Decio
Anzi, perché dimostra tropp’amar chi
non deve.
DECIO
Vielmehr scheint es, dass sie allzu sehr liebt,
wen sie nicht lieben soll.
Ottone
E chi fia questi?
OTTONE
Und wer wäre das?
Decio
Chi, ridir non saprei, che folto è pure quello
stuol d’amatori, a cui ben spesso vezzi,
sguardi e parole, non dovute al suo onor,
comparte e dona.
DECIO
Wer? Das kann ich nicht sagen, denn groß
ist die Schar ihrer Liebhaber, mit denen sie
ständig Gunst, Blicke und Worte wechselt,
die mit ihrer Ehre unvereinbar sind.
Ottone
Dunque che far degg’io perché rimanga del
torto mio, dell’error suo ben chiaro?
OTTONE
Was muss ich also tun, um ganz sicher zu
sein, dass mir Unrecht geschieht und sie
schuldig ist?
Decio
Da cauto invigilar su l’opre sue.
DECIO
Ihr Benehmen insgeheim beobachten.
Ottone
Decio, tu mi confondi e’l mio riposo sento
in me già turbato, più che l’onda di mar per
vento irato.
OTTONE
Decio, du verwirrst mich, ich fühle, dass
meine Seele unruhiger ist als des Meeres
Wellen, vom wütenden Wind gepeitscht.
51
~ Libretto ~
ARIA
ARIE
Ottone
Come l’onda
con voragine orrenda e profonda
agitata dà venti, e procelle,
fremendo,
stridendo,
là nel seno del mare sen va;
così il core
assalito da fiero timore,
turbato,
agitato,
sospira,
s’aggira
e geloso
ritrovar più riposo non sa.
Come l’onda ...
OTTONE
Wie sich die Welle
mit ihrem furchtbaren, tiefen Schlund,
aufgewühlt von Wind und Sturm,
tobend,
brüllend
in die Arme des Meeres wirft.
So ist auch mein Herz
von wilder Furcht erfasst,
aufgewühlt,
erregt,
seufzt,
windet sich,
von Eifersucht gepackt
und weiß nicht, wie es Ruhe finden kann.
Wie sich die Welle …
SCENA II
Decio, e poi Caio
2. Szene
Decio, später Caio
Decio
A Cesare tradito io dir non volli che Caio è
il suo rivale. Bastino i miei ricordi acciò più
cauto i mancamenti ei veda, che tant’è il
mio dover. Caio qui giunge.
DECIO
Ich wollte dem betrogenen Cäsar nicht
sagen,­ dass Caio sein Nebenbuhler ist;
meine Mahnung sollte genügen, dass er ihre
Fehler genauer betrachtet, das war wenigs­
tens meine Pflicht. Hier kommt Caio.
Caio
Decio, qual duol funesto del nostr’Imperator
contrista il volto?
CAIO
Decio, welch schwere Sorge verdunkelt das
Gesicht unseres Herrschers?
Decio
Perché tanto mi chiedi!
DECIO
Wie kannst du mich das fragen!
Caio
In questo istante molto turbato il vidi, e tu,
che sei al suo fianco ad ognor, l’alta cagione
ben ridirmi potrai.
CAIO
Soeben sah ich ihn in großer Gemütserre­
gung; und du, der du stets an seiner Seite
bist, kannst mir gewiss den Grund sagen.
Decio
Il tuo desio pago render non posso.
DECIO
Deinem Wunsch kann ich nicht
­nach­kommen.
52
Caio
E perché mai?
CAIO
Warum denn nicht?
Decio
Perché la fé, l’onor tanto richiede.
DECIO
Weil Treue und Ehre es befehlen.
Caio
Anch’io servo fedel di Ottone sono.
CAIO
Auch ich bin Ottones treuer Gefolgsmann.
Decio
Caio, troppo ti vanti; quel che sol posso dirti,
ne di renderlo chiaro io son pentito …
DECIO
Caio, du überschätzt dich: Nur das kann ich
dir sagen, und es reut mich nicht, es aus­
zusprechen...
Caio
E che dirai d’Otton?
CAIO
Was kannst du mir über Ottone sagen?
Decio
Egl’è tradito.
DECIO
Er wird betrogen.
ARIA
ARIE
Decio
Che giova il trono al Ré
se poi non trova fé,
nè suoi vassalli?
Ch’un trionfante allor,
perde il suo gran splendor,
per l’altrui falli.
Che giova …
DECIO
Was taugt dem König sein Thron,
wenn er seinen Diener
nicht vertrauen kann?
Selbst der Lorbeerkranz des Siegers
büßt seinen Glanz ein
durch das Vergehen der anderen.
Was taugt …
SCENA III
Caio pensieroso s’asside sopra un poggio, e
Tullia creduta Ostilio che giunge per ascoltar­
cosa dice, nascondendosi dietro lo speco,
rispondendogli come fosse un’eco, senza ch’egli
se n’accorga.
3. Szene
Caio sitzt auf einer Bank, in Gedanken ver­
sunken. Tullia, vermeintlich Ostilio, nähert sich,
um ihn zu belauschen; sie verbirgt sich in der
Höhle und antwortet ihm wie ein Echo, ohne
von ihm wahrgenommen zu werden.
Caio
Parli Decio che vuol, ch’a me non cale udir
ciò che favella. Io qui m’assido non per cer­
car riposo, ma sol per favellar col mio dolore.
CAIO
Decio mag sagen, was er will, ich brauche
ihn nicht anzuhören; ich will hier sitzen,
nicht, um Ruhe zu finden, sondern um mein
Geschick zu beklagen.
53
~ Libretto ~
Tullia
Pena, smania t’adira, o traditore!
TULLIA
Schmach und Verderben über dich, Verräter!
Tullia
Dal dolor mio.
TULLIA
Aus meinen Schmerzen.
Caio
Qual dal collo vicin voce rimbomba e traditor
mi chiama?
CAIO
Welch eine Stimme hallt von jener Höhe, die
mich Verräter nennt?
Tullia
Quella che abbandonata anche pur t’ama.
TULLIA
Die du verließest und die dich noch liebt.
Caio
Ah, che dal dolor mio nascon le voci; perciò
parmi sentir ciò che non sento. La crudel
gelosia già di sensi mi priva; sogno, vaneg­
gio, e quale orror m’ingombra? Io disperar
mi sento.
CAIO
Ach, aus meinem Kummer entsteht diese
Stimme und macht mich hören, was ich
nicht höre. Die grausame Eifersucht raubt
mir die Sinne. Ich träume, fantasiere und
bin vom Grauen überwältigt. Ich höre meine
eigene Verzweiflung.
Caio
Chi m’ama or dunque, un traditor
m’appella!?­
CAIO
Die mich noch liebt, will mich Verräter
schelten!?
Tullia
Faccia la mia vendetta il tuo tormento.
TULLIA
Dein Schmerz ist meinem Rachedurst
­willkommen.
Tullia
Chi tu ingrato tradisti, or ti favella.
TULLIA
Die du betrogst, Undankbarer, mit
Schwüren, die nichts gelten.
Caio
Or ti favella? E chi? Se a Tullia solo fui
mancator­ di fede!
CAIO
Meineidig, ich? An wem? Tullia allein hab
Treue ich versprochen!
Caio
L’ombre, l’aure e ancora il rio,
eco fanno al dolor mio;
se questi solo, o Dio, qui son presenti.
CAIO
Die Schatten nur, die Lüfte und der Fluss,
sind nur ein Echo dessen, was ich leiden
muss; kein andrer Mensch ist hier, ich bin
alleine, oh Gott, mit meinem Kummer.
Tullia
Quella de’ torti suoi ragion ti chiede.
TULLIA
Sie fragt, warum du ihr den Eid gebrochen.
Tullia
Senti, senti.
TULLIA
Höre, höre.
Caio
Qual fantasma, qual’ ombra chiede ragion
del tradimento mio?
CAIO
Welch Schatten, welch Gespenst fragt nach
dem Grund, dass treulos ich erscheine?
Tullia
Uno spirto infelice, e quel son io.
TULLIA
Ein unglücklicher Geist, und der bin ich.
Caio
Senti, senti? Ahi quale orror ,
qual affanno, qual timor
sento in me!
Povera la mia fé,
non merti per mercé
tanti tormenti.
CAIO
Höre, höre? Au, welch Grauen, welche
Angst, welche Furcht, höre ich in mir!
Treu war ich Ärmster!
Bald werde ich dem Gram erliegen,
verdien‘ nicht
dieses Schicksal.
Caio
E quel son io?! Chi sei? Deh ti disvela a
un’alma­ fida, a un infelice amante.
CAIO
Und der bin ich? Wer bist du? Gib dich einer
treuen Seele, einem unglücklichen Geliebten
zu erkennen.
Tullia
Menti, menti!
TULLIA
Lügen, Lügen!
Tullia
Di pur d’un empio cor, d’un incostante.
TULLIA
Sag lieber, du hast das böse Herz
eines ­Treulosen.
SCENA IV
Tullia creduta Ostilio sola
4. Szene
Tullia allein
Tullia
Disperato è l’infido, e in vano io cerco di
renderlo pentito del tradimento suo; ma gia
che nulla di conforto m’avanza, resti nel suo
dolor la mia speranza.
TULLIA
Der Treulose ist verzweifelt, vergebens ­ver­suche ich, in ihm Reue über seinen Verrat zu
wecken; da ich aber keine Aussicht auf Trost
habe, liegt meine Hoffnung in seinem Gram.
Caio
Incostante è colei, ch’ad altri dona quel ch’a
me già dono. Ma donde, o Dio, esce si
mesto suon?
CAIO
Treulos ist sie, die anderen jetzt schenkt,
was sie einst mir gab. Doch woher, oh Gott,
kommt dieser Trauerton?
54
55
~ Libretto ~
ARIA
ARIE
Tullia
Due tiranni ho nel mio core,
l’uno è sdegno e l’altro è amor.
TULLIA
Zwei Tyrannen leben in meinem Herzen,
der eine ist die Verachtung, der andere die Liebe.
Der eine fordert mich zur Rache auf,
der andere rät mir, zu warten,
damit ich sehe, dass der Verräter
seinen Fehler bereut.
Zwei Tyrannen …
L’un mi invita alla vendetta,
l’altro poi mi dice aspetta,
che pentito del suo errore
mirerai quel traditor.
Due tiranni …
SCENA V
Gabinetto boschereccio con tavolino per
accomodarsi­ la testa. Cleonilla a sedere guar­
dandosi in specchio, e Caio che giunge.
5. Szene
Verwandlung. Ein Gartenhäuschen mit einem
Spiegeltisch. Cleonilla betrachtet sich im
Spiegel,­ als Caio näher tritt.
Cleonilla
Felice è il volto mio, non perché freggia di
vaghe gemme e fiori il fronte altero, ma per­
ché sol de’ cori de’ sventurati amanti orna il
suo crine.
CLEONILLA
Mein Antlitz ist heiter; nicht, weil schöne­
­Juwelen und Blumen meine noble Stirn
schmücken, sondern weil die Herzen un­
glücklicher Freier ihre Locken zieren.
Caio
Infida, or gia che sola io qui ti veggo, dimmi
qual fallo io feci, che del disprezzo tuo
­degno mi rendi?! Forse in me più non vedi …
CAIO
Treulose, nun, da ich dich alleine hier finde, sag
mir, welches Verbrechen habe ich be­gan­gen,­
dass ich mir deine Verachtung zugezogen habe?
Vielleicht erblickst du in mir nicht mehr ...
Cleonilla
Troppo ardito favelli, e troppo chiedi.
CLEONILLA
Deine Worte sind zu kühn und du verlangst
zu viel.
Caio
Tanto m’imponi, oh Dio!
CAIO
Oh Gott, du verlangst zu viel!
Cleonilla
Tanto comando.
CLEONILLA
Das ist mein Befehl.
Caio
Ma già che ubbidienza io sol ti deggio, le mie
giuste querele in questo foglio almen leggi,
o crudele.
CAIO
Wenn ich dir nichts als Gehorsam schulde,
so lies wenigstens meine gerechten Klagen
in dieser Schrift, du Grausame.
ARIA
ARIE
Caio
Leggi almeno tiranna infedele,
in un foglio rigato col pianto,
la mia fede e la tua crudeltà.
E se ancor mi sarai pur crudele,
di costanza in me resti il gran vanto,
e lo scorno in te sol d’empietà .
Leggi …
CAIO
Lies wenigstens, treulose Tyrannin,
in diesem Brief, von Tränen benetzt,
von meiner Treue und deiner Grausamkeit.
Und wenn du weiterhin so grausam bist,
so möge man mich für meine Treue rühmen
und dich für deine Verworfenheit verachten.
Lies wenigstens …
SCENA VI
Cleonilla che legge, ed Ottone sopraggiunge
togliendole il foglio
6. Szene
Cleonilla liest; später Ottone
Cleonilla
Che mai scrisse qui Caio?! Il suo cordoglio
nulla pietà mi reca; io leggo il foglio.
CLEONILLA
Was hat Caio da geschrieben? Sein Kummer
erweckt kein Mitleid in mir; ich will den
Brief lesen.
Ottone
Qual foglio è questo?!
OTTONE
Was ist das für ein Brief?!
CLEONILLA
Wie kann Cäsar es wagen, so abscheulich
zu handeln? (Wenn ich jetzt nachgebe, bin
ich verloren!) Lies, und dann berichtige nicht
meinen Fehltritt, sondern deinen eigenen.
OTTONE
„Der unglückliche Caio grüßt seine
­Ange­betete.“ Ist Caio dein Liebhaber?
Caio
Dunque in oblio ponesti …
CAIO
Also hast du vergessen ...
Cleonilla
Ancor non odi che ascoltarti non voglio?
CLEONILLA
Du begreifst noch immer nicht, dass ich dich
nicht anhören will!
Cleonilla
E tanto, con un atto sì vil Cesare ardisce?
(Perduta è l’alma mia se s’avvilisce!)
Leggi, e poi non l’error mio, ma il
tuo ­correggi.
Caio
E quello amore che un tempo a me
portasti …
CAIO
Und die Liebe, die du einst für mich
­empfandest ...
Ottone
“Caio infelice a l’Idol suo salute.” Caio di
te l’amante!
Cleonilla
Taci e parti ti dico, e tanto basti.
CLEONILLA
Schweig und geh, sag ich dir, das genügt.
56
57
~ Libretto ~
Cleonilla
Compisci il tutto e poi la risposta avrai.
(Franco svegliati cor, quanto più sai.)
CLEONILLA
Lies den ganzen Brief, dann findest du die
Antwort. (Sei auf der Hut, mein Herz, wie du
nur kannst.)
Ottone ( siegue)
“Già che campo non ho del mio disprezzo
chiederti la cagion, almen ti parli questo
foglio per me: dimmi che feci, ch’abbandoni
il mio amor per altro amante? Ma se pure il
mio duol non può cangiarti, per non farmi
sentir sì rio tormento, svenami almeno il
core, e son contento.”
Dunque infedel tu sei?
OTTONE (liest weiter)
„Da es mir nicht möglich ist, dich zu fragen,
warum du mich verachtest, soll dieser Brief
für mich sprechen. Sag mir, was habe ich
getan, dass du meine Liebe zugunsten eines
anderen abweisest? Da meine Schmerzen
dich nicht umstimmen können, damit ich
nicht diese furchtbare Qual erleide, durch­
bohre mir das Herz, dann bin ich glücklich.“
Also bist du mir untreu?
Cleonilla
Troppo indegno è il tuo labbro, se incontro
all’amor mio così favella.
CLEONILLA
Deine Worte sind deiner unwürdig, da sie so
an meiner Liebe zweifeln.
Ottone
Qual difesa puoi far? Parla, ch’io taccio.
OTTONE
Kannst du dich verteidigen? Sprich, ich will
schweigen.
Cleonilla
(All’inganno, o mio cor.) Tiranno ascolta: tu
sai le promesse, che Tullia un giorno diede
d’esser consorte a Caio.
CLEONILLA
(Sei listig, mein Herz.) Höre Tyrann. Du
weißt, dass Tullia einst versprach, Caio zum
Mann zu nehmen.
Ottone
Io spesso intesi da sua bocca
il racconto.
OTTONE
Aus seinem Mund vernahm ich oft ­
diese Worte.
Cleonilla
Or sappi ancora ch’egli ben certo al fin, che
ad altro amante ella ha donato il core, in
questo foglio seco si lagna, ed in mia man lo
diede, perché li scriva anch’io; acciò vedendo
l’infida donna sua d’una tua favorita il gran
comando, pentita del suo errore , per ubbi­
dirmi torni al primo amore.
CLEONILLA
So höre weiter. Als er sicher war, dass sie
einem anderen ihr Herz geschenkt hatte,­
klagte er in diesem Brief und gab ihn
mir, dass auch ich ihr schriebe, damit die
Treulose den hohen Befehl deiner Favoritin
vernehme, ihr Vergehen bereue und mir
gehorche, indem sie zu ihrer ersten Liebe
zurückkehre.
Ottone
Se tanto è ver, mio bene,
perdon ti chieggo.
OTTONE
Wenn es so ist, Geliebte, so bitte ich dich
um Vergebung.
58
Cleonilla
Ah, che nol merti ingrato. (Già nel teso mio
laccio egl’è inciampato!)
CLEONILLA
Undankbarer, du verdienst sie nicht. (Er ist
mir in die Falle gegangen!)
Ottone
La gelosia …
OTTONE
Die Eifersucht ...
Cleonilla
Che gelosia?! Ma ferma: per farti più palese
il tuo gran fallo, ecco il foglio già scrivo.
Io tel consegno, e di renderlo a lui fia tuo
­l’impegno.
Si pone a scrivere Cleonilla, ma prima
canta aria.
CLEONILLA
Eifersucht?! Doch warte: Um dir deinen
Fehler­ noch deutlicher zu machen, will ich
ihm gleich schreiben, dir den Brief geben
und dir auftragen, ihn zuzustellen.
Sie beginnt zu schreiben, doch zuerst
singt sie die Arie.
ARIA
ARIE
Cleonilla
Tu vedrai
s’io ti mancai,
s’io per te sono infedel;
e dirai
con tuo rossore che sei tu l’ingannatore,
io l’amante, io la fedel.
Tu vedrai ...
CLEONILLA
Du sollst sehen,
ob ich mich vergangen habe,
ob ich dir untreu war.
Und musst errötend gestehen,
dass du der Betrüger bist,
und ich die Liebende, die Treue.
Du sollst sehen …
SCENA VII
Decio, ed Ottone
7. Szene
Decio und Ottone
Ottone
Ah Decio, i tuoi ricordi troppo mi
fer geloso.
OTTONE
Ach Decio, dein Bericht hat mich allzu
­eifersüchtig gemacht.
Decio
Ciò che mal può recarti?
DECIO
Wieso hat dir das geschadet?
Ottone
Il creder cose che a me dan scorno e a Cleo­
nilla offesa.
OTTONE
Er machte mich Dinge glauben, die mich
beschämen und Cleonilla beleidigen.
Decio
Eh signor …
DECIO
Nun, Herr ...
Ottone
Mio fedele, pria che d’altro mi parli, a me ne
venga tosto qui Caio.
OTTONE
Mein Freund, ehe du weitersprichst, lass
Caio sofort zu mir herkommen.
59
~ Libretto ~
Decio
Il tuo gran cenno adempio (Otton per troppo
amor reso è già scempio).
DECIO
Ich gehorche deinem hohen Befehl. (Ottone
ist aus lauter Liebe töricht geworden.)
Caio
Io mi confondo. (Se scoperto è il mio amor,
dove m’ascondo?)
CAIO
Ich bin verwirrt. (Wenn er über meine Liebe
weiß, wo kann ich mich verbergen?)
ARIA
ARIE
Decio
Ben tal’or favella il Cielo,
con il cor d’un buon vassallo
a favor d’un alto Re.
Ma per opra dell’Inferno
spesso frode appare il zelo
e si sprezza una gran fé.
Ben tal’or ...
DECIO
Bisweilen spricht der Himmel
aus dem Herzen eines treuen Vasallen,
einem mächtigen König zum Nutzen.
Doch das Werk der Hölle lässt oft
den Eifer als Betrug erscheinen,
und ergebene Treue wird missachtet.
Bisweilen …
Ottone
Sai che Cesare sono, benché tu poco stimi il
mio gran poter.
OTTONE
Du weißt, dass ich Cäsar bin, obwohl du
meine Macht gering schätzest.
Caio
Favella, o sire. (Il rimorso crudel mi
fa morire.)­
CAIO
Sprich, Herr. (Die Reue bringt mir
den Tod.)
Ottone
Leggi, questo è il tuo foglio?
OTTONE
Lies, ist das dein Brief?
SCENA VIII
Ottone con le due lettere in mano leggendo
quella di Cleonilla, e poi Caio
8. Szene
Ottone, beide Briefe in Händen, liest jenen
Cleonillas; später Caio
Caio
(Cieli, Dei son perduto!)
CAIO
(Himmel, ich bin verloren!)
Ottone
Il tuo rossore già convinto ti rende.
OTTONE
Du errötest, das beweist es.
Ottone Oh! Qual error fec’io, la mia bella fedel cre­
dere infida: Leggasi ciò che scrive. (Ottone
legge. Lettera di Cleonilla, finta a Tullia.) “Di
Cesare l’amata a Tullia scrive. Caio di te si
lagna; e un mio comando vuol che a suo
pro qual nostro servo adopri perché l’antico
amor tu non offendi. Pensa, che tu morrai,
se non m’intendi.”
OTTONE
Ach, wie habe ich mich getäuscht, dass
ich meine Geliebte für untreu hielt! Ich will
lesen, was sie schreibt. (Ottone liest den Brief
von Cleonilla an Tullia.) „Cäsars Geliebte an
Tullia. Caio beschwert sich über dich; und
ich befehle dir, ihm, der unser Diener ist,
deine Gunst zu erweisen, um die Liebe,
die schon lange besteht, nicht zu kränken:
Gedenke,­ dass du stirbst, wenn du mich
nicht verstehst.“
Caio
(Oh che dolore!)
CAIO
(O welch ein Schmerz!)
Ottone
Parla: tu non rispondi?
OTTONE
Sprich: du antwortest nicht!
Caio
(Ah mio destino! A perdere il respiro io
son vicino.)
CAIO
(Mein Schicksal ist besiegelt! Ich kann ­
kaum atmen!)
Caio
Cesare al tuo comando ecco qui sono.
CAIO
Cäsar, auf deinen Befehl bin ich zur Stelle.
Ottone
Molto lagnar di te mi deggio, o Caio!
OTTONE
Ich muss dich scharf rügen, Caio!
Ottone
Non è fuor di ragione il tuo spavento, men­
tre a Cleonilla chiedi quell’aita al tuo amor,
ch’al tuo Regnante chieder solo dovresti. Ma
il perdon pur vo darti: eccoti il foglio ch’ella
per compiacerti a Tullia scrive, contento sei?
OTTONE
Mit gutem Grund bist du angsterfüllt; denn
du hast Cleonilla gebeten, dir in deiner
Liebschaft beizustehen, was du allein von
deinem Herrscher erbitten solltest! Aber ich
will dir verzeihen. Hier ist der Brief, den sie dir
zuliebe­ an Tullia schrieb. Bist du zufrieden?
Caio
Signor che mai ti feci?!
CAIO
Herr, was habe ich getan?
Caio
Signor pur troppo.
CAIO
Herr, überglücklich.
Ottone
Ciò che tu non dovevi
OTTONE
Was du nicht hättest tun dürfen.
Ottone
Sol però ti ricorda che Cesrae qui regna,
e allor che d’uopo hai di real favor, me sol
richiedi, già che dell’amor mio le prove
or vedi.
OTTONE
Das eine vergiss nicht, dass Cäsar hier
herrscht; brauchst du Gunst von Herrscher­
hand, so frage keinen anderen, daran
erkenne­ nun, dass ich dich liebe.
60
61
~ Libretto ~
ARIA
ARIE
ARIA
ARIE
Ottone
Compatisco
il tuo fiero tormento
e ne sento
dolore e pietà.
Il mio core
che sa che sia amore
sempre teco
clemenza userà.
Compatisco ...
OTTONE
Deinen großen Kummer
fühle ich mit,
ich empfinde
Schmerz und Mitleid.
Mein Herz,
das auch die Liebe kennt,
wird immer Nachsicht
mit dir haben.
Deinen großen Kummer …
Tullia
Misero spirto mio,
spirami sol vendetta,
più non parlar d’amor.
Ma come posso, o Dio,
spuntar la mia saetta,
se adoro il traditore?
Misero spirto ...
TULLIA
Unglückliche Seele,
reize mich nur zur Rache auf,
sprich mir nicht mehr von Liebe.
Doch wie kann ich, oh Gott,
die Spitze des Pfeils abbrechen,
da ich den, der ihn abschoss, so innig liebe?
Unglückliche Seele …
FINE DELL’ATTO SECONDO
ENDE DES ZWEITEN AKTS
SCENA IX
Caio
9. Szene
Caio
AT TO TERZO
DRIT TER AKT
Caio
Quanto Cleonilla è scaltra; ella fu colta forse
in leggendo il foglio mio, nel punto ch’ella
al certo pentita era del mio dolor; ma pure
al fine al rimedio pensò. Con trama industre
fin messaggier mi fé l’istesso Augusto del
suo pronto pensiero; Io che l’intesi scosso
da grave affanno Campai dal rischio; oh
fortunato inganno!
CAIO
Wie schlau Cleonilla ist! Sie wurde wohl
ertappt, als sie meinen Brief las; vielleicht
gerade, da sie Reue empfand über meinen
Kummer. Trotzdem fiel ihr eine Ausrede
ein; wohl berechnet, bewegte sie Cäsar
selbst, die Nachricht mir zu bringen, die sie
eilig erdachte: Ich, der meinte, er sei über
das schwere Vergehen erbost, entkam der
Gefahr; welch glücklicher Betrug!
SCENA I
Solitario passeggio con lochi nascosti di
frondosi­ ritiri. Ottone, e Decio
1. Szene
Ein einsamer Spazierweg mit dicht belaubten
Nischen. Ottone und Decio
Decio
Signor …
DECIO
Herr ...
Ottone
Lasciami in pace; e se parlar mi vuoi, del
caro ben sol parla …
OTTONE
Lass mich in Frieden; wenn du mit mir
sprechen willst, so sprich nur von meiner
Geliebten.
SCENA X
Tullia sola
10. Szene
Tullia allein
Decio
Almen rifletti a la tua salvezza, ed al periglio
tuo. Roma …
DECIO
So bedenke wenigstens deine Sicherheit und
deine eigene Gefahr ...
Tullia
Ah che non vuol sentirmi il Traditore. Per­
fidissime stelle, quando del mio dolor sazie
sarete!? Ancor voi contendete un picciol
sfogo alle sventure mie.
Che far deggio, che mi consigli Amore? deh
per pietà dell’aspra mia ferita, o sanami la
piaga, o dammi aita.
TULLIA
Ach, der Treulose will mich nicht anhören.
Heimtückische Sterne! Wann gebt ihr euch
mit meinen Leiden zufrieden? Verweigert
ihr noch immer meinem Missgeschick eine
kleine Linderung? Was soll ich tun, was rätst
du mir, Liebe? Ach, aus Mitleid für mein
durchbohrtes Herz, heil meine Wunde oder
komm mir zu Hilfe.
Ottone
Roma che può?
OTTONE
Was vermag Rom?
Decio
Con sue congiure, toglierti vita, e impero.
DECIO
Mit seinen Verschwörungen dir das Leben
und Reich zu rauben.
Ottone
Vil pur sarei, se un tal timor provassi.
OTTONE
Wenn mich das schreckte, wäre ich
ein Feigling.
62
63
~ Libretto ~
Decio
Ah che viltà non è, rimedio imporre al
­precipizio tuo: nel labbro mio l’alta fé parla
sol d’un buon vassallo.
DECIO
Nein, es ist nicht feig, gegen deinen Unter­
gang Vorsorge zu treffen: aus meinem Mund
spricht nur die Ergebenheit eines treuen
Dieners.
Ottone
Decio, se vuoi piacermi lasciami in pace, io
parto per vedere il mio bene.
OTTONE
Decio, willst du mir gefällig sein, so lass
mich in Frieden. Ich will fort, um meine
Geliebte zu sehen.
Decio
Ah che fabbro tu sei de le tue pene.
DECIO
Du gräbst dir selbst dein Grab.
ARIA
ARIE
Ottone
Tutto sprezzo, e trono, e impero,
pur ch’io provi il bel contento,
di goder sol del mio ben.
Tu che intendi il mio pensiero
Non cercar con vil tormento,
di turbare il mio seren.
Tutto …
OTTONE
Ich verschmähe alles, den Thron, das Reich,
so lange mir nur vergönnt ist,
mit meiner Geliebten glücklich zu sein.
Du, der du meinen Sinn kennst,
trachte nicht mit feigen Sorgen
meine Zufriedenheit zu stören.
Ich verschmähe alles, ...
SCENA II
Decio solo
2. Szene
Decio allein
Decio
Già di Ottone preveggo l’imminente caduta:
ei più non ode, o vede i fidi avisi miei, né il
gran periglio. Un infida sua donna stolido,
e cieco il rende: ah se potessi fargli chiaro
vedere il suo gran scorno, forse in se stesso
un dì farìa ritorno: ma in questo ascoso loco
Caio, con l’infedele, il piè rivolge!
Cesare io vò avisar, che forse io spero;
far che dell’onta sua pur vegga il vero.
DECIO
Ich sehe schon, dass Ottone sich bald ins
Verderben stürzt; er hört oder sieht nicht
mehr meinen guten Rat oder seine große
Gefahr: Das falsche Weib, das er sein nennt,
macht ihn dumm und blind: Ach, könnte ich
ihm nur seine schandbare Lage klar machen,
käme er vielleicht eines Tages zur Einsicht.
Doch Caio kommt mit der Treulosen hierher,
an diesen versteckten Ort! Das will ich Cäsar
melden; dann sieht er hoffentlich, wie es um
seine Schande steht.
64
ARIA
ARIE
Decio
L’essere amante
colpa non è,
ma in un regnante
si fà difetto
si fa viltà.
Che un regio core
Tal più non è,
se d’empio Amore
servo si fa.
L’essere …
DECIO
Ein Liebhaber zu sein,
ist kein Vergehen,
doch für einen Herrscher
ist es ein Fehler,
ist es eine Schwäche.
Eines Königs Herz
ist nicht mehr königlich,
wenn es Sklave
einer unzüchtigen Liebe ist.
Ein Liebhaber zu sein …
SCENA III
Cleonilla e Caio
3. Szene
Cleonilla und Caio
Cleonilla
Cerchi in van ch’io t’ascolti
CLEONILLA
Vergebens flehst du um Gehör.
Caio
Dimmi almen la cagion del tuo rigore.
CAIO
Sag mir wenigstens, warum du so grausam
bist.
Cleonilla
Il passato periglio forse non bene ancora,
saldò la tua ferita?
CLEONILLA
Hat die überstandene Gefahr noch immer
nicht deine Wunde geheilt?
Caio
Anzi l’accrebbe più assai col fiero stral di
Gelosia.
CAIO
Im Gegenteil, sie schmerzt noch mehr, vom
Pfeil der Eifersucht durchbohrt.
Cleonilla
Se la tua non guarì, saldò la mia.
CLEONILLA
Bist du auch nicht geheilt, ich bin es.
ARIA
ARIE
Cleonilla
No, per te non ho più amor,
ti basti sol così.
Piangi nel tuo dolor,
che la pietà del cor,
per te sparì.
No, per te …
CLEONILLA
Nein, ich liebe dich nicht mehr, nein,
das muss dir genügen,
Beklage deine Schmerzen,
doch aus meinem Herzen
ist das Mitleid für dich entflohen.
Nein, ich liebe dich nicht mehr ….
65
~ Libretto ~
SCENA IV
Tullia creduta Ostilio, Cleonilla e Caio
4. Szene
Tullia, vermeintlich Ostilio, Cleonilla und Caio
Tullia
Cleonilla.
TULLIA
Cleonilla.
Caio
(O che dolore!)
CAIO
(Ach, wie entsetzlich!)
Cleonilla
Ostilio, appunto desiava il mio cor di
­rivederti.
CLEONILLA
Ostilio, soeben wünschte ich mir aus
ganzem Herzen, dich wiederzusehen.
Tullia
Al tuo cenno qui sono.
TULLIA
Deinem Befehl folgend bin ich hier.
Caio
(Io già son morto.)
CAIO
(Ich vergehe!)
Tullia
(in segreto a Cleonilla) Non mancarmi di fé.
TULLIA
(heimlich zu Cleonilla) Werde mir nicht
untreu!
Caio
(accostandosi a Cleonilla) Vorrei parlarti!
CAIO
(tritt zu Cleonilla) Ich muss mit dir sprechen!
Cleonilla
(a parte, a Tullia) Non dubbitar, mio ben. ­
(a Caio) Tu taci, e parti.
CLEONILLA
(beiseite zu Tullia) Hege keinen Zweifel,
Liebster. (zu Caio) Schweig, und geh fort.
Caio
Pria ch’ubbidisca; ascolta …
CAIO
Ehe ich dir gehorche, höre mich an ...
Tullia
(a parte a Cleonilla) Non l’ascoltar se m’ami.
TULLIA
(beiseite zu Cleonilla) Wenn du mich liebst,
hör ihn nicht an!
Caio
(a Cleonilla che non vuol sentirlo)
Io vò pur dirti …
CAIO
(zu Cleonilla, die ihn nicht anhören will)
Ich will dir doch sagen ...
Cleonilla
(a Tullia) Fida sarò per te.
(a Caio) Non posso udirti.
CLEONILLA
(zu Tullia) Ich bleibe dir treu!
(zu Caio) Ich kann dich nicht anhören.
66
Tullia
(a Cleonilla) Se parlar mi dovevi, io qui
­t’attendo.
TULLIA
(zu Cleonilla) Wenn du mit mir reden willst,
warte ich hier.
Caio
(a parte a Cleonilla) Donami pria ch’io parta
un picciol sfogo.
CAIO
(beiseite zu Cleonilla) Ehe ich fortgehe, lass
mir einen Hoffnungsschimmer.
Ceonilla
(a Caio) Ubbidienza io voglio.
(a Tullia) Aspetta­ un poco.
CLEONILLA
(zu Caio) Ich verlange Gehorsam.
(zu Tullia) Warte einen Augenblick.
Tullia
(a Cleonilla) Quanto cara mi sei!
TULLIA
(zu Cleonilla) Wie teuer bist du mir!
Caio
(a Cleonilla) Quanto spietato hai il cor!
CAIO
(zu Cleonilla) Wie herzlos bist du!
Cleonilla
(a Caio) Parti, non più!
(a Tullia) Labbro ­adorato!
CLEONILLA
(zu Caio) Geh fort; es ist genug!
(zu Tullia) Geliebte Lippen!
Caio
Parto già che lo vuoi
(Ma qui m’ascondo:
tanto mi detta in sen la Gelosia
per più chiaro veder la morte mia.)
CAIO
Ich gehe, weil du es so willst.
(Doch ich will mich hier verbergen, wie es die
Eifersucht in meiner Brust gebietet, um mei­
nen Tod noch deutlicher wahrzunehmen.)
ARIA
ARIE
Caio
Guarda in quest’occhi, e senti
Ciò che ti dice il labro,
ciò che ti parla amor.
Sol guardai i miei tormenti,
e poi con un sospir,
consola il mio dolor.
Guarda …
CAIO
Sieh in meine Augen und höre,
was dir diese Lippen sagen,
was die Liebe zu dir spricht.
Betrachte meine Qualen,
und dann tröste meinen Schmerz
mit einem Seufzer.
Sieh in meine Augen …
SCENA V
Cleonilla e Tullia creduta Ostilio
5. Szene
Cleonilla und Tullia, vermeintlich Ostilio
Cleonilla
Quant’ha di vago Amor nel suo gran regno,
tutto negli occhi tuoi scolpito io veggo.
CLEONILLA
Alle Reize, über die Amor gebietet,
finde ich in deinen Augen.
67
~ Libretto ~
Tullia
Ah mia diletta! Amore se nel mio volto e sul
mio ciglio il miri, il perché tu non sai?
TULLIA
Ach, Geliebte! Wenn du die Liebe auf
meinem Antlitz und meiner Stirn erblickst,
verstehst du nicht, warum?
Cleonilla
Dimmelo, o caro, siedi qui meco alquanto.
CLEONILLA
Sag es mir, Teurer. Setze dich ein wenig her
zu mir.
Tullia
Ah! Che se mai in atto tal veduto io fossi!
TULLIA
Ach! Wenn mich aber jemand dabei erblickte!
Cleonilla
Eh taci!
CLEONILLA
Ach, schweig still!
Tullia
Il negar d’ubbidirti temerario saria:
ecco, m’assido.
TULLIA
Dir nicht zu gehorchen wäre vermessen;
ich will mich setzen.
Cleonilla
Oh qual gioia a te presso io sento in seno
CLEONILLA
Welches Glücksgefühl, dir nahe zu sein!
Tullia
Da sì eccelso favor resto confusa. (Quanto
nel suo pensier resta delusa.)
TULLIA
Diese hohe Gunst verwirrt mich. (Wie groß
ist ihre Täuschung!)
ARIA
ARIE
Tullia
Che bel contento,
io sento,
or ch’il tuo braccio
con dolce
laccio mi stringe al seno,
mio dolce amore.
(Tu prendi errore.)
Non così lieta,
la navicella,
da ria procella,
campando al fine,
per suo conforto,
giunge nel porto,
senza timor;
come il mio cor,
nel tuo bel petto
or ch’è ristretto,
gioisce, e brilla,
TULLIA
Welch süße Freude
empfinde ich,
da dein Arm
mit zarter Schlinge
mich an deinen Busen drückt,
meine holde Geliebte.
(Du irrst dich sehr.)
So froh ist nicht
der kleine Kahn,
der endlich
dem Sturm entflieht
und Zuflucht findend
den Hafen erreicht,
dem Schrecken entkommen,
wie mein Herz, das
eng umschlungen
an deinem Herzen
jubelt und strahlt,
68
d’amor sfavilla,
né prova affanni.
(Quanto t’inganni)
Che bel contento …
von Liebe entbrannt,
aller Sorgen ledig.
(Wie du dich täuschest!)
Welch süße Freude …
SCENA VI
Caio nascosto, non potendo soffrire la fortuna
del suo rivale, esce con stile a la mano per
ammazzar Tullia.
6. Szene
Der verborgene Caio, der den Erfolg seines Neben­
buhlers nicht ertragen kann, kommt mit dem
Dolch in der Hand hervor, um „Ostilio“ zu töten.
Caio
(Più soffrir non poss’io: in questo punto ven­
dichi un gran furore Ottone assiendo, e’l mio
tradito amore!) Mori spergiuro indegno!
CAIO
(Ich ertrage es nicht länger: in einem Augen­
blick rasender Wut will ich gleichzeitig den
Verrat an Ottones und meiner Liebe rächen!)
Stirb, elender Wortbrüchiger!
Cleonilla
Ah scellerato, tanto cieco t’avanzi, ove miri ­
il mio volto!
CLEONILLA
Ha, Schurke! Solch blinde Wut wagst du in
meiner Gegenwart zu zeigen?
Caio
Di Cesare schernito vendicar ben deg’io
l’offeso amore.
CAIO
Da Cäsar betrogen ist, muss ich den Verrat an
seiner Liebe rächen.
Tullia
Svenami, non te’l vieto, ingannatore!
TULLIA
Töte mich, Treuloser, ich wehre mich nicht.
Caio
Contento io ti farò.
CAIO
Ich will deinem Wunsch nachkommen.
Cleonilla
Guardie, soccorso! Uccidete un sleal
che tanto ardisce.
CLEONILLA
Wächter, zu Hilfe! Tötet den
schamlosen Verräter!
Tullia
Ingrato, il ferro tuo non m’avilisce.
TULLIA
Undankbarer, dein Dolch schreckt mich nicht.
SCENA ULTIMA
Ottone e Decio sopraggiungono
al romore.
LETZTE Szene
Ottone und Decio, die den Lärm gehört haben,­
treten hinzu.
Ottone
Caio infierito; e che mai tenta, o Dei!
OTTONE
Caio ist in Wut; Oh Gott, was tut er?
69
~ Libretto ~
Decio
Così offeso Signor dunque tu sei!
DECIO
So ist dir doch Unrecht widerfahren, Herr!
Caio
D’ubbidienza è l’alma al fin ripiena.
CAIO
Meine Seele ist zu gehorchen bereit.
Cleonilla
Cesare io vuo’ vendetta; tentò l’indegno …
CLEONILLA
Cäsar, ich fordere Rache: Dieser Elende
trachtete...
Tullia
Prima Augusto m’ascolti, e poi contenta io
morirò.
TULLIA
Cäsar, erst höre mich an, dann will ich gerne
sterben.
Caio
Ah Cesare, me prima ascolta: io qui ne venni
chiamato sol da la mia fé, che volle vendica­
re il tuo affronto.
CAIO
Nun, Cäsar, erst höre mich an: nur aus Treue
zu dir kam ich hierher, um das Unrecht, das
dir widerfahren ist, zu rächen.
Ottone
Ti ferma. Sentir vo’ sue discolpe, e poi che
mora.
OTTONE
Halt ein! Ich will seine Ausflüchte hören,
dann soll er sterben.
Cleonilla
Io saprò dirti l’infamie del suo cor.
CLEONILLA
Ich kann dich aufklären über sein sünd­
haftes Herz.
Cleonilla
(Di scusar l’error mio pur spero ancora.)
CLEONILLA
(Ich hoffe noch immer, mich heraus­zu­
reden!)
Caio
Signor, t’en priego: prima sentir da me l’in­
giurie tue.
CAIO
Herr, ich bitte dich, erst höre aus meinem
Mund, wie du gekränkt wurdest.
Ottone
Parla: che sarà mai?!
OTTONE
Sprich: was geht hier vor?
Caio
Cleonilla l’infedele in questo istante amo­
reggiar l’indegno Ostilio io vidi: quante
carezze, e quante …
Ah! che infida ella è pur; perciò tentai per
tuo onor, per mia gloria, svenargli al pié
d’avante il suo vago garzone.
CAIO
Soeben sah ich, wie die treulose Cleonilla
den elenden Ostilio liebkoste: Wie viele
Zärtlichkeiten und wie viele... Ach! Sie ist
wahrlich untreu; deswegen wollte ich, deiner
Ehre und meines guten Namens willen, den
hübschen Knaben vor ihr aufschlitzen.
Tullia
O di Roma, o del mondo invitto duce e
regnator sovrano, non è colpa in Cleonilla.­
Io nel mio seno serbo di fede sol l’alto
splendore,­ e Caio è sol l’infido, il traditore.
Ah, Cesare qui vedi qual uom accarezzò
l’amante tua. Io sono un’infelice che un
traditor crudele sieguo, che mi lasciò. Da te
pretendo che vendicato il torto mio pur sia:
vedi se sol pietà merto, e perdono, già che
Ostilio non più, ma Tullia io sono.
TULLIA
Unbesiegter Herr und Herrscher über Rom
und die ganze Welt: Cleonilla ist unschuldig:
Ich trage im Herzen nur die hehre Flamme
der Treue: allein Caio ist der Untreue, der
Verräter. Ach Cäsar, hier siehst du, welch ein
Mann es war, den deine Geliebte umarmte.
Ich bin eine Unglückliche, ich liebte einen
grausamen Betrüger, der mich verließ; von
dir fordere ich Rache für das erlittene Un­
recht. Sieh, ob ich nicht Mitleid und Gnade
verdiene, da ich nicht mehr Ostilio, sondern
Tullia bin.
Ottone
Qual stravaganza è questa?
OTTONE
Welch Schelmenstreich ist dies?
Ottone
Immobil sono!
OTTONE
Ich erstarre!
Caio
O Ciel che veggo!
CAIO
O Himmel, was muss ich sehen?
Decio
(O quanto vil di Roma è fatto il trono!)
DECIO
(Ach, wie tief ist Roms Thron gesunken!)
Decio
O quanto impensato è il destin
DECIO
Wie überraschend ist doch das Schicksal!
Cleonilla
(All’arti, all’ire, al pianto.)
Ah mio diletto …
CLEONILLA
(Nun tun Künste, Zorn und Tränen not.)
Ach, Geliebter ...
Cleonilla
(Propizia sorte, al mio scampo fedel
apre le porte.)
CLEONILLA
(Ein freundliches Geschick hat mir einen
Ausweg gezeigt!)
Ottone
Taci, crudel, t’ascondi: e adempi, o Caio, la
tua grand’opra, e i’infdel qui svena.
OTTONE
Schweig, Grausame, aus meinen Augen; und
du, Caio, vollende dein Werk und töte den
Treulosen.
Ottone
Dunque, se Tullia sei, t’alza, e di Caio con­
sorte io vò che sii; e se pria ti stimò forse
OTTONE
Nun, da du Tullia bist, steh auf; ich wünsche,­
dass du Caio zum Mann nimmst, der,
70
71
~ Libretto ~
infedele or conosca il suo error. Ma come o
donna nulla ridir che in vil manto ascosta
Tullia si stava.
zweifelte­ er auch einst an deiner Treue,
nun seinen Irrtum einsieht: doch wie kam
es, dass du, Herrin, nicht sagtest, dass sich
Tullia in Männerkleidung verbarg?
Cleonilla
Intanto l’accarezzai, la stinsi sol perché
donna­ ell’era. (A miglior vita già l’error mio
mi fa tornar pentita.)
CLEONILLA
Als ich sie küsste und umarmte, tat ich es,
weil sie eine Frau war. (Jetzt sehe ich, dass
ich gefehlt habe, und will mich bessern.)
Ottone
Dunque perdona, o cara, al doppio error con
cui t’offesi, e cerco perdon di quanto oprai.
OTTONE
So vergib mir, Liebste, das zweifache
­Missverständnis; ich bitte dich um
Verzeihung dafür.
Cleonilla
Ah se cangio pensier tu ben vedrai.
CLEONILLA
Nun, wenn ich meinen Sinn ändere, wirst du
es sehen.
Decio
O strano evento, o inopinato giorno.
DECIO
Welch sonderbares Ereignis, welch
s­eltsamer Tag!
Caio
Cara t’abbraccio, ed in oblio riponi delle
mancanze mie l’aspra memoria.
CAIO
Liebste, ich umarme dich, lass meinen
­Fehltritt in Vergessenheit geraten!
Tullia
Basti sol che di fé abbia la gloria.
TULLIA
Es genügt, dass die Treue gesiegt hat.
Tutti
Grande è il contento,
che prova un core,
se dal tormento
nasce il piacer.
Dopo il furore
di ria procella
sembra più bella
la calma al nocchier.
alle
Wie groß ist die Freude,
die ein Herz empfindet,
wenn sich der Kummer
in Glück verwandelt.
Nach dem Toben
des wütenden Sturmes
erscheint dem Schiffer
die Stille noch schöner.
FINE DELL’OPERA
ENDE DER OPER
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Impressum
Herausgeber und Veranstalter: Innsbrucker Festwochen der Alten Musik GmbH, Geschäftsführung/Mana­­­ging
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Ottone in villa - Innsbrucker Festwochen der Alten Musik