VIVALDI Ottone in villa 27./29. August 2010 Inhalt Werkangaben und Mitwirkende ........................... 04 Inhaltsangabe ....................................................... 08 Vivaldi in villa ........................................................ 16 A Baroque State of Mind . .................................... 20 Antonio Vivaldi . ..................................................... 22 Was wären die Innsbrucker Festwochen ohne die italienische Oper?................................... 26 Biografien der Mitwirkenden................................. 30 Libretto................................................................... 38 ~ Werkangaben und Mitwirkende ~ Freitag 27. August 2010 Premiere Sonntag 29. August 2010 Jeweils 18.00 | Tiroler Landestheater, Foyer Einführungsgespräch zu „Ottone in villa“ Antonio Giacomin (Video) Sergio Ciomei (Musikalische Assistenz) Andrea Erhard (Regieassistenz) Ellen Piendl (Inspizienz) Bernhard Fleig (Stimmen Cembali) Veronika Abermann (Übertitel) Jeweils 19.00 | Tiroler Landestheater Ottone in villa Christoph von Bernuth (Operndirektor und Produktionsleitung) Sebastian Juen (Produktionsassistenz) Oper in drei Akten von Antonio VIVALDI (1678–1741) nach einem Libretto von Domenico LALLI (1679–1741) Herbert Kuen (Technischer Direktor) Gerhard Spöttl, Wolfgang Elsenhans (Bühnenmeister) Andreas Achammer, Jürgen Fend, Steve Gehrke, Andreas Gatterer, Arnold Westreicher, Andreas Huber, Walter Ronacher, Andreas Kössler, Peter Lepp, Roman Rieth, Thomas Niedermair, Christian Spörr, Richard Hörmann, Benjamin Peer, Harald Mairhofer (Bühnentechnik) Aufführung in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Dauer der Aufführung bis ca. 22.00 Eine Pause nach dem 1. Akt Sonia Prina Veronica Cangemi Sunhae Im Lucia Cirillo Krystian Adam Ottone Cleonilla Tullia Caio Decio Philipp Baumgartner (Requisite) Alex Paget (Beleuchtungsmeister) Johannes Grimm, Franz Fedrizzi, Dietmar Scherz, Oliver Albert (Beleuchtung) Andreas Lamprecht (Tontechnik) Giovanni Antonini (Musikalische Leitung) Deda Cristina Colonna (Regie) Pier Paolo Bisleri (Bühnenbild) Monica Iacuzzo (Kostüme) Il Giardino Armonico Stefano Barneschi, Fabrizio Haim Cipriani, Judith Huber, Liana Mosca (1. Violine) Marco Bianchi, Francesco Colletti, Ayako Matsunaga, Maria Cristina Vasi (2. Violine) Renato Burchese, Armando Barilli (Viola) Elena Russo, Marcello Scandelli (Violoncello) Giancarlo De Frenza (Kontrabass) Andrea Mion, Magdalena Karolak (Oboe) Alberto Guerra (Fagott) Marco Scorticati (Flöte) Sergio Ciomei, Riccardo Doni (Cembalo) Margret Köll (Harfe) Dieter Lena (Chefmaskenbildner) Marisa Di Spalatro, Angelika Habicher (Maskenbildnerinnen) Anneliese Aschbacher (Leitung Ankleiderinnen) Jaqueline Geyr, Tzvetkova Tzvetelina (Ankleiderinnen) Alois Schlatter (Chef Einlassdienst) Julia Aufhammer, Judith Dierigl, Waltraud Hanel, Brigitte Hassl, Johanna Hofer, Anna Nolf, Ruth Kowar, Charlotte Franco, Manuela Niklas, Sonja Noggler, Anna Sporrer, Juditha Waibl, Tamara Stocker-Niklas (Einlassdienst) Teatro Verdi, Triest (Anfertigung des Bühnenbildes) Casa d’arte fiore, Mailand (Anfertigung der Kostüme) Francesco Cucco, Mailand (Anfertigung des Kopfschmucks) Calzature epoca, Mailand (Anfertigung der Schuhe) Mario Audello, Turin (Anfertigung der Perücken) Entwurfzeichnungen von Monica Iacuzzo ~ Inhaltsangabe ~ DIE HANDLUNG Zweiter Akt Decio warnt Ottone, dass ihm Cleonilla das Genick brechen werde, da Rom ihre zahlreichen wohlbekannten Affären missbillige. Dies bringt Ottone aus der Fassung. Decio verschweigt dem Kaiser, dass Caio dessen Rivale sei. Caio glaubt sich allein und denkt über seinen Kummer nach, wird aber insgeheim von Tullia belauscht. Darauf hin gibt sich „Ostilio“ zu erkennen und besingt den Konflikt zwischen den „zwei Tyrannen“ Verachtung und Liebe. Caio geht zu Cleonilla und überreicht ihr einen Brief, in dem er seine Gefühle dar legt. Als sie ihn lesen will, erscheint Ottone und entreißt ihr den Brief. Er erkennt aus den Zeilen, dass Caio sein Rivale ist, aber Cleonilla kann sich mit einer Lüge aus der Affäre ziehen. Der leichtgläubige Ottone ver traut ihr. Sie treibt das Spiel der Täuschung noch weiter, indem sie einen zweiten Brief schreibt – ihren eigenen Appell an Tullia – und Ottone bittet, ihn zu überbringen. Decio trifft ein, um von neuen Ver schwörungen in Rom zu berichten, doch Ottone will immer noch kein böses Wort über Cleonilla hören und zitiert Caio herbei. Er tadelt Caio, weil dieser Cleonilla um Rat gebeten habe, anstatt sich an den Kaiser zu wenden. Caio ist erleichtert, dass Ottone nicht seine Affäre mit Cleonilla aufdeckt. Erster Akt Die Oper spielt auf dem Landsitz des römischen Kaisers Ottone. Ottone ist ver liebt in die schöne Cleonilla. Sie bekennt, dass es ihr trotz der Liebe des Kaisers unmöglich sei, den Reizen ansehnlicher junger Männer zu widerstehen. Sie be teuert gegenüber Caio, ihrem bisherigen Geliebten, dass sie ihn noch liebe, verrät jedoch dem Publikum, dass sie Ostilio, den neuen Pagen, anziehender fände. Ottone bittet Caio, ihm zu helfen, um Cleonilla von ihm zu überzeugen. Caio wundert sich über die Leichtgläubigkeit des Regenten. Tullia erscheint. Die ehemalige Braut Caios hat sich als Page Ostilio ver kleidet, um so Caio unauffällig folgen und nahe sein zu können. „Ostilio“ fragt Caio, ob er Tullia noch liebe, doch Caio gesteht seine Liebe zu Cleonilla. „Ostilio“ sinnt auf Rache. Cleonilla und Ottone werden von Decio, Ottones treuem Berater, unterbrochen. Er teilt dem Kaiser mit, dass Rom mit seiner Abwesenheit unzufrieden sei. Decio sagt Cleonilla, dass die Liebe eines Königs nicht den Mangel an wahrer Ehre auf wiegen könne. Daraufhin macht Cleonilla Ostilio eine Liebeserklärung. Ostilio geht darauf ein und ermutigt Cleonilla, ihre Abneigung gegenüber Caio zu bekunden. Caio, der alles mit angehört hat, beschließt, den Kaiser über den Verrat von „Ostilio“ aufzuklären. Dritter Akt Decio versucht erneut, Ottone von der Gefahr zu überzeugen, die ihm von Seiten Roms droht, aber der Kaiser erklärt, dass ihm an Thron und Reich nicht gelegen sei, solange er Glück in der Liebe habe. Decio prophezeit Ottone den baldigen Sturz vom Thron, da Liebe bei einem Herrscher ein Zeichen von Schwäche sei. Er wird jedoch vom Eintreffen Cleonillas und Caios unterbrochen. Als „Ostilio“ erscheint, richtet Cleonilla abwechselnd liebevolle Worte an ihn und abweisende an Caio. Caio tut so, als wolle er ihren Rat befolgen und fortgehen, hält sich aber lediglich verborgen. Cleonilla fährt fort, ihre Liebe zu „Ostilio“ zu beteuern. Der Anblick des sich umarmenden Paares ist zu viel für Caio, er stürzt sich mit einem Dolch auf „Ostilio“. Cleonillas Geschrei macht Ottone und Decio aufmerksam, deren Erscheinen Caio zu einer Erklärung veranlasst. Er beschreibt, was er mit ange sehen hat – Cleonilla und „Ostilio“ hätten sich geküsst und umarmt. Der erschütterte Kaiser befiehlt ihm, sein Vorhaben zu Ende zu führen und den Verräter zu töten. „Ostilio“ klärt jedoch alles auf, indem er seine Verkleidung ablegt und sich als Tullia zu erkennen gibt. In ihrer wahren Gestalt versichert sie nun Cleonillas Unschuld und beschuldigt Caio, der wahre Verräter zu sein. Alle sind verblüfft, doch Ottone findet seine Fassung wieder. Er bekundet sein Verlangen, Caio und Tullia zu verheiraten und bittet Cleonilla um Verzeihung. ~ Synopsis ~ Synopsis Act II Decio warns Ottone that Cleonilla will be his downfall, for Rome disapproves of her numerous well-known affairs. Ottone is astounded. Decio refrains from telling the Emperor that Caio is his rival. Caio muses on his misery, but he is overheard by the hidden Tullia. “Ostilio” sings of the conflict between the “two tyrants” indignation and love. Caio gives Cleonilla a letter declaring his feelings for her, but as she is about to read it, Ottone arrives and snatches it from her. He reads that Caio is his rival, but Cleonilla saves herself with a lie. She tells Ottone, that the letter is from Caio to Tullia, who has a new lover. She even tells him, that Caio has asked her to write another letter to Tullia in his favor. Decio arrives with further news of plotting in Rome, but Ottone still will not hear a word against Cleonilla. Ottone chides the guilty Caio for not seeking his help instead of Cleonilla’s. Act I Ottone is besotted with the beautiful Cleonilla. She reveals that, despite being loved by the Emperor, she finds it impossible to resist the attractions of other handsome young men. One such old flame is Caio Silio, but he has recently been replaced in her affections by her new page, Ostilio. Cleonilla leaves Caio in the belief that she is still in love with him, although she now finds Ostilio even more attractive. Ottone arrives. He asks Caio to help him win Cleonilla over. Tullia now enters. Formerley betrothed to Caio and seduced by him, she has followed him disguised as a man and is, in fact, none other than Ostilio. “Ostilio” asks Caio if he still remembers his betrayal of the unfortunate Tullia. Caio declares his love for Cleonilla, which leads “Ostilio” to seek revenge. Decio, Ottone’s faithful advisor, inter rupts Ottone and Cleonilla to report to the Emperor that Rome is unhappy about his absence. Ottone is unconcerned, but Decio tells Cleonilla that she is deceiving herself if she believes that the love of a king can make up for the lack of true honor. As Decio departs, “Ostilio” arrives and Cleonilla imme diately declares her love for him. “Ostilio” seizes on this as a means for revenge against Caio and encourages Cleonilla to swear an oath of love for him and abhorrence of Caio. Caio, who has overheard all this, resolves to reveal “Ostilio’s” treachery to the Emperor. 10 Act III Decio once again tries to persuade Ottone of the danger he faces from Rome, but the Emperor declares in his aria that he cares nothing for throne or empire, so long as he has happiness in love. Decio prophesies Ottone’s imminent downfall, for love in a ruler is a sign of weakness. Cleonilla arrives and addresses alternate words of love to “Ostilio” and rejection to Caio. The sight of the pair embracing is too much for Caio, and he rushes at “Ostilio” with a dagger. Cleonilla’s cries alert Ottone and Decio. Caio describes the scene that he has just witnessed – Cleonilla and “Ostilio” kissing and embracing – and the shocked Emperor commands him to complete his task and kill the traitor. “Ostilio” removes his dis guise and reveals himself as the wronged Tullia. Now in her true guise, she professes Cleonilla’s innocence and accuses Caio of being the real traitor. Ottone expresses his desire to see Caio and Tullia married and asks Cleonilla for forgiveness. 11 Strom Wasser Abwasser Abfall Telekommunikation Krematorium Bäder Wärme-Contracting Gut versorgt. Tag für Tag! Die IKB ist Hauptsponsor des RenaissanceFestes auf Schloss Ambras, weil es ein Fest für Jung und Alt, für die ganze Familie und für die gesamte Stadt ist. Wir freuen uns auf 15. August 2010! Wenn’s um Kultur geht, ist nur eine Bank meine Bank. Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik sind Jahr für Jahr ein wirklich guter Grund, sich auf den nächsten Sommer zu freuen. Schön, dass wir als Partner dabei sein können. www.rlb-tirol.at www.ikb.at 12 13 Energie im Fluss! TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG Partner der Festwochen der Alten Musik 14 15 ~ Vivaldi in villa ~ Vivaldi in villa Fach für Fach sein Können und seine sozialen Kontakte gefestigt, um auf diese Weise ein kontinuierliches berufliches Vorwärtskommen und substantielle öko nomische Sicherheit zu gewährleisten. Der rechte Augenblick für das Opern debüt schien im Frühling des Jahres 1713 gekommen, als Vivaldi den Auftrag erhielt, „Ottone in villa“ von Domenico Lalli für das Teatro delle Garzerie (auch Teatro di Piazza oder Teatro Nuovo) in Vicenza zu vertonen: Im Mai wurde die Oper erst mals dem Publikum präsentiert. Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass sich Vivaldi wegen des exponierten venezia nischen Opernlebens bewusst für ein peripheres Debüt entschieden habe, doch lassen einige Hinweise darauf schließen, dass das Werk ursprünglich doch für das venezianische Teatro Sant’Angelo geplant gewesen war (um die zweite Saison-Oper zu ersetzen, die der Impresario Giovanni Orsatti bei Johann David Heinichen in Auftrag gegeben hatte), und erst in der Folge nach Vicenza gelangt war. Der Librettist Domenico Lalli (mit bür gerlichem Namen Sebastiano Biancardi, 1679–1741), Wahlvenezianer mit neapoli tanischen Wurzeln, war ein intelligenter und skrupelloser Mann, den peinliche Geldsorgen dazu zwangen, in Italien umher zuziehen. Er gehörte zu jener Generation von Dichtern, die das Libretto – ausgehend von den literarischen Vorbildern des späten siebzehnten Jahrhunderts – allmählich der Reform Pietro Metastasios annäherten. Der Text von „Ottone in villa“ geht auf ein sehr viel älteres Libretto zurück, „Messalina“ von Francesco Maria Piccioli (Venedig, 1680, Musik von Carlo Pallavicino), ein recht typisches Beispiel für den erotischen und antiheroischen Strang innerhalb der vene zianischen Oper jener Zeit. Dass „Ottone“ tatsächlich von dem älteren Text abstammt, wird von einigen Schreibfehlern enthüllt, die in der Partitur und dem gedruckten Die Opernanfänge eines venezianischen Komponisten an der Peripherie Als Vivaldi seine erste Oper in Angriff nahm, war er bereits ein „berühmter Violinvirtuose“ von 35 Jahren; er hatte 1711 mit großem Erfolg seine Konzertsammlung „Estro armonico“ op. 3 herausgebracht, war seit rund zehn Jahren Lehrer am venezianischen Ospedale della Pietà und konnte gewiss nicht mehr als Anfänger bezeichnet werden. Und doch hatte sich der „Rote Priester“ vor 1713 nie dem Theater zugewandt, jener Welt, die einem Komponisten – auch im ökonomischen Sinn – wahrhaftige Größe verhieß. Das fehlende Opernschaffen ist als Schwierigkeit Vivaldis im Umgang mit dem Musiktheater interpretiert worden – so, als hätte seine herausragende Stellung als Instrumentalkomponist es ihm unmöglich gemacht, die Sprache der menschlichen Stimme zu sprechen. Neuere Untersuchungen (unter anderem von Reinhard Strohm, Michael Talbot und Egidio Pozzi) vermitteln jedoch viel mehr den Eindruck, Vivaldi habe bewusst Antonio Vivaldi. Karikatur von Leone Ghezzi, 1723 16 Libretto von 1713 aufscheinen: John Hill, der Herausgeber des Faksimiles von „Ottone“, zitiert Stellen, an denen statt der Namen der Protagonisten fälschlicherweise jene des Vorbildes aufscheinen („Claudio“ statt „Ottone“ oder „Messalina“ statt „Cleonilla“). In seiner Neubearbeitung übernimmt Lalli zahlreiche Elemente der Vorlage, während er andere eliminiert. So erscheinen etwa die explizite Erotik und die schamlose Lasterhaftigkeit Messalinas in gemilderter Form, während die Figur des Lismeno gänzlich gestrichen wird. Diese – ein Über bleibsel der komischen (also niedrigen) Charaktere – wäre fehl am Platz in einer Oper, die sich, ungeachtet ihres Vorbildes, die Formvorstellungen der „Accademia degli Arcadi“ zu Eigen macht, die dem Nebeneinander ernster und komischer Elemente mit strikter Ablehnung begegnet. Lalli passt also das alte Libretto den veränderten Anforderungen an: Er ver einheitlicht die Handlung, entfernt über mäßig freizügige Passagen und ordnet den Text in Hinblick auf Versmaß und formale Struktur. Dennoch bleiben einige Elemente bestehen, die das kulturelle Klima des späten 17. Jahrhunderts evozieren: die dezi dierte Freizügigkeit Cleonillas (=Messalinas), die bereits in ihrem ersten Rezitativ ihre Neigung zu amourösen Ausschweifungen einbekennt, die Ambiguität, die aus der Travestie von Tullia–Ostilio erwächst, sowie die geringe moralische Festigkeit Ottones, eingebunden in eine Geschichte von Liebschaften und Seitensprüngen, welche die bittere Bemerkung Decios in der letzten Szene provoziert („O quanto vil di Roma è fatto il trono“ – „Oh wie gemein ist doch Roms Thron gemacht“). Vivaldi nähert sich dem Libretto mit einer gewissen Erfahrung in der vokalen Kammermusik: Das Komponieren von Kantaten und Serenate hatte ihm im Vorfeld ein hervorragendes Übungsfeld geboten. Das Theater von Vicenza verfügte nicht über die Mittel der größeren venezianischen Theater, ganz zu schweigen von jenen der großen Theater in den Residenzstädten Wien oder Neapel. Die Regieanweisungen lassen auf Szenen schließen, die eher durch Ausstattung als durch Erfindungsreichtum bestechen (der Bühnenbildner wird nicht einmal namentlich genannt), es kommt keine Bühnenmaschinerie zum Einsatz, das Orchester dürfte klein bemessen gewesen sein (wobei die Oboisten, dem Usus entsprechend, zugleich als Flötisten fungierten), und Tanzeinlagen oder Intermezzi fehlen. Die vokale Besetzung wurde hingegen oft unterschätzt: Wenn es sich bei den Interpreten des „Ottone“ auch nicht um die größten Stars des Augenblicks han delte, so waren es doch durchwegs solide Sänger oder Nachwuchskünstler, die sich bereits wenig später auch außerhalb des provinziellen Umfelds einen Namen machen sollten. Ottones Hosen trug Diana Vico, eine Altistin von europäischem Namen, die auf Travestie-Rollen spezialisiert war (so sang sie im Jahr darauf etwa den Dardano in Händels Londoner „Amadigi“). Die römische Sopranistin Anna Maria Giusti als Cleonilla, die ihr durchaus ebenbürtig war, trat – ebenso wie die aus Vicenza stam mende Margherita Faccioli (Tullia) – in der folgenden, von Vivaldi geleiteten Saison des venezianischen Teatro Sant’Angelo in Erscheinung. Caio wurde von einem jungen Kastraten, Bartolomeo Bortoli, verkörpert, dem eine beachtliche Karriere im In- und Ausland bevorstand, während der Römer Gaetano Mosso (laut Libretto Mozi) die Rolle des Decio übernahm, eine – der damaligen Gewohnheit entsprechend – eher tiefe Tenorpartie von beträchtlicher Schwierigkeit. Die Vokalpartien des „Ottone“ sind frei von jener pyrotechnischen Virtuosität, welche die Opern der folgenden Jahrzehnte kenn zeichnen wird, und entsprechen somit den Gepflogenheiten der italienischen Oper 17 ~ Vivaldi in villa ~ des ersten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts: Der Tonumfang ist relativ gering, und auch die Koloraturen – obwohl vorhanden – stoßen an ihre physiologische Grenze. „Ottone in villa“ enthält einige äußerst markante Züge, in denen sich der typisch Vivaldische Ton verrät: Sequenzen, gebräuchliche Formeln der Instrumentalmusik, ein anspruchsvoller Part der Solo-Violine gegenüber einer (mit wenigen Ausnahmen) relativen Anspruchslosigkeit in Hinblick auf den Kontrapunkt, der Gebrauch besonders einprägsamer rhythmischer Muster. Andere Stilmerkmale wiederum teilt „Ottone“ mit zeitgenössischen Opern anderer Komponisten derselben Genera tion, so etwa den Einsatz der BassettoTechnik – also die Begleitung der Stimme durch Viola und Violinen ohne Bass, der ausschließlich in den instrumentalen Ritornellen zur Anwendung gelangt – oder die Verdoppelung der Vokalpartie durch die Streicher, was eine Ausdünnung der kompositorischen Textur zur Folge hat. Die Arien sind durchwegs sehr ansprechend, wobei sich einige durch besonderen Einfallsreichtum auszeichnen; diejenigen zu Akt-Ende sind – der Norm entsprechend – aufwändiger gestaltet. Die Ritornelle der Arie Caios am Ende des ersten Akts („Gelosia“) sind zwar kompositorisch äußerst einfach gestrickt, aber dennoch mitreißend, und der markante Kontrast zwischen erster und zweiter Strophe folgt exakt der textlichen Vorlage. Ähnlich die Arie Tullias am Ende des zweiten Akts, die ebenfalls zwischen Rache und Schmerz oszilliert, was durch einen abrupten Wechsel der Agogik innerhalb der ersten Strophe unterstrichen wird. Trotz ihrer einfachen szenischen Umsetzung äußerst suggestiv wirkt die Pseudo-Ombra-Szene (zweiter Akt, dritte Szene), in der die ver steckte Tullia als „unglücklicher Geist“ ein Zwiegespräch mit Caio führt. Vivaldi lässt das „Recitativo semplice“ in ein „Recitativo accompagnato“ übergehen und den Akt mit einer großen Arie Caios schließen, in der Tullias Stimme als Echo hörbar ist: „L’ombre, l’aure, e ancora il rio“. Hier gehen die Topoi der Ombra-Szene eine glückliche Verbindung mit jenen der Pastoralszene ein. Das Orchester ist geteilt: Zwei Flöten und zwei Violinen sind auf der Bühne posi tioniert. Zusätzlich zum Zusammenspiel von Bühne und Orchestergraben nützt Vivaldi die Möglichkeit eines Dialogs z wischen den Soloviolinen beider Blöcke, wodurch die instrumentale Komponente an Reiz gewinnt. Diese Wirkung wird durch das vokale Echo und die agogischen Kontraste noch verstärkt. Gesamt gesehen gelingt Vivaldi hier eine überzeugende Umsetzung des Textes, wobei häufig auch harmonische Mittel zum Einsatz kommen, um pathetische Effekte zu erzie len. Bemerkenswert ist auch die Arie „Chi seguir vuol la costanza“ (erster Akt, fünfte Szene, Caio), in der Vivaldi die Textaussage durch eine strenge Imitation zwischen den Hauptstimmen ausdeutet; diese Arie wird Vivaldi später in anderen Zusammen hängen mehrfach wiederverwenden. Vivaldi brachte „Ottone in Villa“ 1729 in Treviso erneut auf die Bühne; die Varianten sind im Autograph verzeichnet, aber die Abweichungen zwischen diesem und dem Libretto für Treviso legen nahe, dass noch eine weitere Wiederaufnahme – vielleicht in Venedig – beabsichtigt war, die jedoch nicht zustande kam. Wie von Strohm und Hill nachgewiesen, wurden einzelne Arien des „Ottone“ in verschiedene Pasticci sowie in Opern anderer Komponisten aufgenommen – ein deutliches Zeichen für das Ansehen, das die Oper bei Vivaldi – aber auch bei den Interpreten – genoss. „Ottone“ erscheint unweigerlich als Über gangsstadium auf der Entwicklung hin zu einem Stil, der bereits kurze Zeit später größere Robustheit und Einprägsamkeit 18 erlangen sollte – ein Schicksal, das im Übrigen von den anderen Partituren jener Zeit geteilt wird, die heute kaum Beachtung finden. Ungeachtet dessen besitzt Vivaldis erstes Musiktheaterwerk auch 300 Jahre nach seiner Entstehung noch die Fähigkeit, angenehm zu unterhalten und strecken weise auch zu ergreifen – solange es nicht an Maßstäben gemessen wird, die sich erst zehn oder zwanzig Jahre später unter völlig veränderten Umständen entwickeln werden. Angela Romagnoli Entwurfzeichnung von Monica Iacuzzo 19 ~ A Baroque State of Mind ~ „A Baroque State of Mind“ In unserer Aufführung möchten wir einen der Leichtigkeit der Handlung pas senden Kontext wiedergeben, in dem sich die Hauptfiguren mit dem Gefallen der Fiktion messen und auch dazu bereit wären, in der nächsten Aufführung die Rolle zu wechseln. In der Zeitspanne z wischen dem alten Rom, dem Italien des 18. Jahrhunderts und dem zeitgenössischen Theater leben fünf Personen in einem ima ginären Ort, in einer Fantasiewelt, in der Natur, wo sie mit den Tieren ständig an der Grenze zwischen Scherz und Halluzination zusammen sind. In diesem Umfeld insze niert eine Gruppe von Intellektuellen (die Frage, ob von damals oder von heute, bleibt offen) ein Spiel, das bis zum labyrin thischen Finale immer verwickelter wird. Die Aufführung beginnt mit der Pro jektion der Appia Antica in der Vorstellung von Piranesi: Vor diesem Hintergrund nimmt die Illusion Gestalt an und Ottones Garten bildet sich gegen das Licht, charakterisiert durch die im Libretto von Lalli zitierten Zitrusgewächse. Die Handlung beginnt, wenn der Vorhang aus Tüll aufgeht; in der „rotonda di bagni“ (=runder Baderaum), die das Libretto vorschreibt, steigt Cleonilla, von einer Projektion rauschender Gewässer umgeben, aus der Wanne. Dieses proji zierte Wasser wird im Laufe der Szene zum echten Wasser. Caio versteckt sich in einer dafür in der Gartenarchitektur gebauten Schlucht und verfolgt von da aus das Spiel. Im Hintergrund sieht man eine Reihe von Zypressen, die das zweite Ambiente, den „entzückenden Zaun aus grünen Pflanzen unter dem schönen Hügel“ bilden. Ottone lebt im Garten mit einer fantastischen Kreatur, einem Straußenvogel. Sie leistet ihm Gesellschaft und dient ihm nach Bedarf als Thron. Der Garten beherbergt auch das „boudoir“ der Cleonilla, das im Libretto als „Tischchen, um sich den Kopf zu adjustieren“ beschrieben wird; die Eine Aufführung zwischen Spiel und Realität Die Geschichte von Vivaldis „Ottone in villa“ spielt in einem Garten am römischen Land, in dem Rom nur als Erinnerung, Idee, Ausrede und Gemütszustand über lebt. Das imaginäre Rom von Piranesi – schon am Anfang unserer Aufführung als Projektion zitiert – verschwindet in den Bühnenhintergrund und erscheint ab und zu wieder, gleichsam als Erinnerung der handelnden Personen an den Kontext der Fiktion. Der Garten von Ottone ist ein wunderbarer Ort, der in Lallis Libretto mit lebhaften und beschwörenden Bildern vom Prunk des „Settecento“ beschrieben wird: Die Alleen, die Perspektiven, die Brunnen, die Blumen stellen ein Ambiente dar, in dem das Wort die Hauptrolle spielt – es ist das einzige reale Element – und wo kein Gespräch stattfinden kann, ohne belauscht zu werden. Der Garten, die Hauptfiguren, die Handlung, das Bühnenbild, die Kostüme: Alles in unserer Aufführung ist Wort, alles ist Spiel. Materialien und Farben verbinden sich in den Kostümen, um ein Universum zu erwecken, in dem die Natur im Ornament aufgeht, die Stickerei und die Tätowierung zusammentreffen, die flatternden Zipfel der Drapierung fest werden und das Spiel mit vollen und leeren Flächen Geschöpfe erweckt, die als halb Mensch und halb Statue erscheinen. Der Gebrauch der im Theater des 18. Jahrhunderts so beliebten Rhetorik in der Rezitation trägt dazu bei, dass das gesungene Wort zum idealen Instrument für dieses expressive Universum zwischen Spiel und Realität wird: Ich werde es „A Baroque State of Mind“ nennen, in Anspielung an den Titel des Liedes von Billy Joel, „A New York State of Mind“. Raserei der Matrone wird durch die fanta sievollen Formen eines themenbezogenen Frisurenwahns dargestellt. Hier ereignet sich auch das höchste Kunstmittel Cleonillas, die Lüge über Caios Brief. BuchsbaumHecken verbreiten sich nach und nach im Garten, bis sie während der Schlussszene zu einem Labyrinth werden: Man besingt die Wiederkehr der Harmonie, obwohl jeder einen guten Grund hätte, nicht glücklich zu sein, und Decio kommentiert: „Ach, selt sames Ereignis, ach, unvermuteter Tag!“ In der Projektion übernimmt das Labyrinth den Platz der Appia Antica; die Freude am intellektuellen Spiel ist stärker als der Ruf der Logik. Am Ende der Oper bleibt nur ein Blumenduft (eine Erinnerung an den Garten, in dem sich das Spiel ereignet hat), der den Vorhang wieder schließt. Deda Cristina Colonna Entwurfzeichnung von Monica Iacuzzo 20 21 ~ Vivaldi ~ Antonio Vivaldi päischen Berühmtheit von hohem inter pretatorischem Können heranbildet. Mit dem Ruhm des Mädchenorchesters stieg auch Vivaldis eigene Bekanntheit. Daten aus dem Leben und Nachleben des Komponisten 4. März 1678 Ein Erdbeben erschüttert Venedig und die umliegenden Gestade. In einem Haus am Campo grando kommt ein Knabe zur Welt, der auf den Namen Antonio Lucio getauft wird. Sein Vater Gianbattista Vivaldi ist gelernter Barbier und ausübender Geiger der Sovvegno dei musicisti di Santa Cecilia. Der Sohn erbt vom Vater die roten Haare und die musikalische Begabung. Er vertritt den Vater schon in jungen Jahren als Violinist an San Marco, eine Stelle, die Vivaldi senior 1685 angenommen hatte. Frühling 1707 Vivaldi genießt auf dem Lande die wärmende Sonne, lauscht dem Gezwitscher der Vögel und packt seine Violine aus, um einem schla fenden Hirten eine Schlummermusik zu spielen. In der Ferne bellen die Hunde. 22. Juli 1708 Vivaldi hat beim Überqueren der Rialtobrücke einen seiner Anfälle von Atemnot. Dezember 1708 König Friedrich IV. von Norwegen und Dänemark lauscht bei einem Besuch im Ospedale einem von Vivaldis Concerti und erlebt Chor und Orchester des Waisenhauses. 23. März 1703 Antonio Vivaldi wird zum Priester geweiht. Sommer 1703 Zum wiederholten Mal verspürt Vivaldi „strettezza di petto“, wie er dies selber später in einem Brief beschreibt, eine „Enge der Brust“. 1712 Beim Verlag Estienne Roger in Amsterdam erscheinen unter dem Titel „L’Estro armonico“ zwölf Concerti Vivaldis, die seine Musik nach ganz Europa tragen und den venezianischen Komponisten international berühmt machen. Bis 1729 erscheinen in Amsterdam weitere elf Folgen von Concerti. September 1703 Antonio Vivaldis Laufbahn als Priester endet kurze Zeit, nachdem er zum Maestro di Violino an das Ospedale della Pietà berufen wird. Er liest am Ospedale zwar noch einige Monate lang Seelenmessen, wird aber von seinen Aufgaben als Musiker so sehr in Anspruch genommen, dass er seine seelsorgerische Tätigkeit aufgibt. Er behält aber lebenslang den Status eines Priesters. Am Ospedale obliegt dem jungen Musiker die musika lische Betreuung und Ausbildung der im Haus aufgenommenen Waisenmädchen ebenso wie die Komposition von welt lichen Musikstücken. Vivaldi beginnt die Produktion von Concerti für verschie dene Soloinstrumente, von Sinfonien und Sonaten sowie die Arbeit als Leiter des Mädchenorchesters am Ospedale, das er im Laufe der Jahre zu einer euro 17. Mai 1713 Im Teatro delle Garzerie in Vicenza erlebt Vivaldis erste Oper „Ottone in villa“ ihre Uraufführung. Für die Arbeit an der Oper erhält Vivaldi vom Ospedale eine Freistellung. Auf dem Libretto wird Vivaldi „celebre virtuoso di Violino“ genannt. Er brilliert bei der Premiere nicht nur als Komponist, sondern auch als Violinsolist im „Duett“ mit den Sängerinnen und Sängern. Die erfolgreiche „Ottone“-Premiere in der „Provinzstadt“ Vicenza steigert Vivaldis Ansehen in der „Metropole“ Venedig beträchtlich. Der gefeierte Musiker baut seine Stellung im venezianischen Musikleben aus. 22 Sommer 1714 Vivaldi wischt sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Die Luft steht vor Hitze still. Kuckuck, Taube und Distelfink kündigen mit ihren Liedern ein baldiges Gewitter an, das der Nordwind in die Lagune trägt. Vivaldi flüchtet vor Blitz, Donner und Regen in eine Trattoria. als Konzert- und Opernkomponist auf und lässt sich am Hof zu Mantua als „Maestro di Capella, die Camera di S.A.S. il Sig. Principe Filipo Langravio d’Assia Darmstat“ anstellen. Er bleibt einige Jahre Kammerkapellmeister des in Mantua liberal herrschenden Landgrafs von Darmstadt. Er hat mit Opern Erfolg und wird durch die schöne Landschaft der Lombardei zu naturhaften Concerti inspiriert. Herbst 1714 Nur ein Jahr nach „Ottone“ in Vicenza wird in Venedig im Teatro Sant’Angelo Vivaldis Oper „Orlando finto pazzo“ uraufgeführt. Neuerlich brilliert Vivaldi dabei auch als Sologeiger und lässt sich als Komponist in den Arien des „rasenden“ Opernstoffes mit seinen Naturerscheinungen und Zaubereien zu lautmalerischen musika lischen Schilderungen hinreißen. Vivaldi steigt in der Folge zum Impresario des Teatro Sant’Angelo auf. Der überaus fleißige Komponist wird neben seinen Hunderten Instrumentalwerken auch noch mehr als 50 Opern komponieren. Herbst 1719 Nach einem weinseligen Erntedankfest im Kreis von lombar dischen Bauern träumt der eingeschla fene Vivaldi von gedämpften Streicher akkordfeldern, über die Cembalotöne schreiten. Die Signale von Jagdhörnern wecken den Komponisten auf. Ende Mai 1724 Vivaldi konzertiert in Rom vor Papst Benedikt XII. 1725 In Amsterdam erscheint die zwölf Konzerte umfassende Sammlung „Il cimento dell’armonia e dell’inventione“, was so viel heißt wie „Der Wettstreit zwischen Har monie und Erfindung“. Die ersten vier Konzerte der Sammlung tragen den Titel „Le Quattro Stagioni“ („Die vier Jahreszeiten“). 2. Juni 1715 Vivaldi erhält von den Vor gesetzten am Ospedale della Pietà eine Gratifikation von 50 Dukaten für die Komposition einer Messe, einer Vesper, eines Oratoriums und 30 Motetten. Vivaldi, als Maestro de concerti eigentlich für die weltliche Musik zuständig, erfüllt am Ospedale zwischendurch, wenn dort die für die Kirchenmusik zuständigen Maestri di choro gestorben oder unpässlich sind, auch sakralmusikalische Aufgaben. 2. April 1716, nachts Vivaldi schlummert ein und hat turbulente Träume. Aus diesen „Fantasmi“ fällt der Komponist in einen traumlosen Tiefschlaf. Die Idee zu einem Allegro weckt ihn aus dem „sonno“. Das Flötenkonzert g-Moll erhält später den Titel „La notte“. Winter 1726 Vivaldi ist nach Venedig zurückgekehrt. Er übernimmt die musi kalische Leitung des Teatro Sant’Angelo. Zähneklappernd wartet er eines Abends vor dem Teatro auf ein Gefährt, das ihn nach Hause bringen soll. Auch Füßestampfen vertreibt die Kälte nicht, der eisige Wind weht Vivaldis rote Mähne hoch. Später, daheim am Kamin, wärmt sich Vivaldi und schaut den Regentropfen zu, die außen auf den Fenstern herunterrinnen. In den daraus entstehenden Mustern erkennt der Komponist Notenfolgen von Musik. November 1717 Antonio Vivaldi gibt seine in Venedig erfolgreichen Bastionen Opernsaison 1727 Am Teatro Sant’Angelo wird Vivaldis Oper „Farnace“ gegeben. 23 ~ Vivaldi ~ Der König fühlt in der Arie „Gelido in ogni vena“ das kalte Blut durch seine Adern rinnen, als ihm der Geist seines Sohnes erscheint, den er wegen vermeintlichen Hochverrats zum Tode verurteilt hat. In der Orchesterbegleitung erinnert sich Vivaldi an die eiskalte Musik, die er an den Anfang seines „Winter“-Konzerts in den „Vier Jahreszeiten“ gesetzt hat. Sie ist eine gute Schauspielerin und hat einige Gönner; mehr bedarf es nicht, um zu dem Rang einer Primadonna aufzusteigen.“ An einem Abend 1737 Vivaldi hustet und schreibt in einem Brief an den Marchese Bentivoglio von „einer Brustkrankheit, einer Art Atemnot“, die ihn zwinge, „fast dauernd zu Hause zu leben und nur in der Gondel oder im Wagen aus zufahren, weil ich nicht laufen kann“. Irgendwann um 1727 Der Opernkomponist und Impresario Vivaldi lernt eine junge Sängerin französischer Herkunft namens Giraud kennen, die sich fortan in Italien bei ihren Auftritten Anna Girò schreibt und nennt. Die Sängerin wird zur stän digen Begleiterin des Priesters a. D.. – Trotz seiner Krankheit, wahrscheinlich Bronchialasthma, die ihn seit seiner Kindheit plagt, fühlte sich Vivaldi jahrzehntelang stark genug, um Concerti zu spielen und zu dirigieren, als Violinvirtuose aufzutreten und Opernvorstellungen zu leiten. Wenn er zu Hause ist, komponiert er: an die 50 Opern, 450 Concerti, 50 Sakralmusikstücke, un zählige Sonaten. Unter musikalischer Atemnot leidet Vivaldi nicht. – 6. September 1728 Vivaldi trifft auf einer seiner vielen Reisen durch Oberitalien in Triest mit Kaiser Karl VI. zusammen, der ihn nach Wien einlädt. 27. August 1733 Vivaldi und Anna Girò genie ßen einen ruhigen Spätsommerabend und entspannen sich von ihren Opernreisen, die sie durch halb Europa, auch nach Wien und Prag, geführt haben. April 1740 Vivaldi und Anna Girò ver lassen Venedig und übersiedeln nach Wien. Der einstige Gönner Karl VI. ist aber inzwischen gestorben. 28. Juli 1741 Vivaldi stirbt in Wien und wird auf dem „Spittaler Gottesacker“ nahe dem damaligen Kärntner Tor begraben (heute Karlsplatz). Niemand nimmt vom Ableben des noch wenige Jahrzehnte davor berühm testen italienischen Komponisten Notiz. 1735 Am Teatro Filarmonico in Verona erlebt Vivaldis Oper „Bajazet“ unter dem Titel „Tamerlano“ die Uraufführung. Am Teatro S. Samuele in Venedig kommt Vivaldis Oper „La Griselda“ heraus. Für die Vertonung bittet Vivaldi den damals noch nicht 30jährigen Komödiendichter Carlo Goldoni, das populäre Libretto Apostolo Zenos zu bearbeiten und zu verändern. Herbst 1926 In der Collegialbibliothek eines Piemonteser Klosters werden 14 Bände mit ca. 400 Kompositionen Vivaldis gefunden. In der Folge vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht in irgendeinem Schloss oder Kloster ein Bündel mit noch unbekannten Vivaldi-Kompositionen entdeckt wird. Die bis heute anhaltende Vivaldi-Renaissance bricht an. Der fast zwei Jahrhunderte lang vergessene Komponist wird zum Inbegriff der italienischen Barockmusik. An einem Frühlingstag 1736, um die Mittagszeit Goldoni lernt die Begleiterin des komponierenden Priesters kennen und beschreibt Anna Girò als „hübsch und einnehmend aussehend“, mit einer „nied lichen Figur, schönen Augen, schönen Haaren, einem reizenden Mund. 24 April 1971 Vivaldi und Händel sitzen, so erzählt es eine Novelle von Alejo Carpentier, am Grab Strawinskis auf der venezianischen Friedhofsinsel San Michele und diskutieren über die Entwicklung der Musik. Vivaldi kann nicht verstehen, dass sich Musiker wie Strawinski unheimlich anstrengten, zu erfahren, was die Musiker der Ver gangenheit machten, und sie die alten Stile erneuerten. Vivaldi meint, er sei viel moderner, ihm sei es egal, wie Opern oder Konzerte hundert Jahre vor ihm klangen. 1972 Im zehnten Wiener Gemeinde bezirk (Favoriten) bekommt eine Gasse den Namen Vivaldis. 2001 Das CD-Label Naïve beginnt im Rahmen einer spektakulären Kollaboration mit dem im Piemont beheimateten Istituto per i Beni Musicale die „Vivaldi Edition“, welche die CD-Aufnahmen der Musik der kompletten Originalmanuskripte Vivaldis umfasst, die in der Biblioteca Nazionale in Turin lagern. Bis heute sind schon mehr als hundert CD-Einspielungen erschienen, darunter viele noch nie zuvor aufgenommene Opern. Sommer 2010 Das Ensemble Il Giardino Armonico, das weltweit für seinen außer gewöhnlichen Vivaldi-Interpretationsstil bewundert wird, wirkt bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik als Opern orchester in der Aufführung von Vivaldis Opernerstling „Ottone in villa“ mit. Venedig sinkt weiter, die Beliebtheit und Bekanntheit von Vivaldis Musik steigt weiter. Rainer Lepuschitz 25 ~ Was wären die Innsbrucker Festwochen ... ~ Was wären die Innsbrucker Festwochen ohne die italienische Oper? werden: Seine „L’Incoronazione di Poppea“ von 1642 wurde unter Alan Curtis in der Inszenierung und Ausstattung des genialen Bühnenarchitekten Filippo Sanjust zum prägenden Ereignis. Unvergesslich auch die Protagonistinnen Carmen Balthrop (Poppea), Carolyn Watkinson (Nero) und Andrea Bierbaum (Kaiserin Ottavia). Die frei fließenden, ganz vom Ausdruck her gestaltenden Stimmen über der zarten Grundierung der Continuoinstrumente waren das faszinierend Neue an diesem Opernerlebnis. Aus Venedig ging es 1981 ins barocke Rom, wo 1632 Stefano Landis „Il Sant’Alessio“ erstmals erschienen war. Sensationell wirkte das dem römischen Original von Lorenzo Bernini nachgebildete Innsbrucker Bühnenbild, fabelhaft sang William Christies Chor Les Arts florissants und spielte das von Alan Curtis geleitete Complesso barocco; Judith Nelson in der Titelrolle und Daniela Mazzucato als Braut ließen nobelste Gesangskultur hören. Erstmals erregte auch die auf historische Tanz-Notationen spezialisierte Choreo graphin Shirley Wynne mit dem Baroque Dance Ensemble Aufmerksamkeit. 1982 gab es gleich zwei Barockopern zu erleben: René Jacobs stellte im Riesensaal der Hofburg Pietro Antonio Cestis heiteres Dramma musicale „Orontea“, 1656 in Innsbruck uraufgeführt, als konzertantes Vergnügen vor; Alan Curtis brachte zudem Händels „Ariodante“ von 1735 auf die Bühne des Landestheaters. Der Toskaner Cesti war ja durch seine fast 14jährige Tätigkeit als Maestro di capella am erzfürstlichen Innsbrucker Hof für unsere Stadt so etwas wie ein genius loci – und außerdem ein wichtiger Vertreter der frühvenezianischen Oper, mit deren Belebung René Jacobs wert vollste Pionierarbeit leistete. „Orontea“ war schon im 17. Jahrhundert ein Bestseller auf den führenden Bühnen Italiens gewesen und sogar in Deutschland bis hinauf nach Hannover mit Riesenerfolg gespielt worden. Seit Beginn der Innsbrucker Festwochen vor 34 Jahren war es Wunsch und Ziel ihres Gründers Prof. Otto Ulf gewesen, vor allem der Barockoper hier eine Bühne zu bereiten, sie mit dem Klang historischer Instrumente aus dem Dornröschenschlaf der Jahrhunderte zu neuem Leben zu erwecken. Gerade in dieser Hinsicht sollte sich Innsbruck unter den zahlreichen Festivals Alter Musik eine Pionierrolle erobern. Das Interesse galt vor allem jenem Land, wo einst um 1600 die Wiege der Oper stand: Italien und der frühen italienischen Oper. Nach der Hochblüte der Polyphonie hatte die Florentiner „Camerata“ am Hof der Medici die Monodie, den „stile nuovo“ oder „stile recitativo“ aus der Taufe gehoben und damit den Grundstein zur Entwicklung der Gattung Oper gelegt. Jacopo Peris „Dafne“ von 1598 sowie seine und Giulio Caccinis „Euridice“ von 1600 schrieben als erste dieser neuen Schöpfungen in Florenz Musikgeschichte. Und in Mantua schuf Claudio Monteverdi 1607 das erste bedeu tende Meisterwerk mit seinem „Orfeo“. Die legendären Gestalten von „Orfeo ed Euridice“ waren es denn auch, die bereits 1979 bei der jungen Innsbrucker Festwoche in der „Azione teatrale“ von Christoph Willibald Gluck – damals noch konzertant in der Dogana – unter der Leitung von John Eliot Gardiner lebendig wurden. Gardiners Monteverdi Choir blieb mit den eindrucksvollen Chören der Furien und seligen Geister lange in Erinnerung. Gesungen wurde natürlich in der Original sprache, und das war italienisch. Im folgenden Jahr 1980 hieß es dann „Vorhang auf“ für die langersehnte sze nische Barockoper im Tiroler Landestheater. Kein Würdigerer als der große Claudio Monteverdi konnte dafür ausersehen 26 Mit großem Engagement setzte sich Jacobs für das Opernschaffen Claudio Monteverdis ein. 1990 bot auch er „L’incoronazione di Poppea“, die er zuvor erfolgreich in Montpellier präsentiert hatte, 1993 kam „Il Ritorno d’Ulisse in patria“ mit der herrlichen Bernarda Fink als Penelope und 1999 „La guerra d’amore“ als modernes Tanztheater auf die Bühne, um von Innsbruck aus eine triumphale Gast spieltournee bis Amerika zu starten. Mit „L’Orfeo“ rundete René Jacobs im Jahre 2003 seinen großartigen Monteverdi-Zyklus ab. Dessen Erbe trug neben Cesti auch Francesco Cavalli in Venedig weiter; Schatzgräber René Jacobs stellte 1985 Cavallis „Xerse“ konzertant vor, wobei er – wie schon in der konzertanten „Orontea“ – selbst die männliche Hauptrolle sang. 1988 folgte Cavallis Bühnen-„Giasone“, wieder eine Produktion von höchster sängerischer Qualität, mit Michael Chance in der Titelrolle. Aber auch ein Abend vergnüglichster Art, denn wie schon bei Cesti und Monteverdi beobachtet, liegen in der „eroicomico“-Oper Ernst und buffo nesker Spaß dicht nebeneinander. Diener parodieren ihre Herrschaften, Bucklige und stotternde Komödianten sind ebenso wie Verkleidungen und Verwechslungen unentbehrlich, und es war der unvergleich liche französische Haut-Contre Dominique Visse, der mit Paradebeispielen alter ver liebter Weibsbilder immer wieder für köst lichste Effekte sorgte. Opernabende von feiner Heiterkeit ver mittelte auch Francesco Conti, ruhmreich am Wiener Hof tätig, mit seinem „Don Chisciotte in Sierra Morena“, den René Jacobs erstmals 1992 am Landestheater präsentierte: in den witzigen Bühnenbildern des genialen Topor, der alles auf den Kopf stellte. Die Oper gefiel so gut, dass er sie nochmals 2005 als Neuproduktion brachte; wieder war Nicolas Rivenq, prädestiniert Und kam mit ihrem Charme, mit der Mischung aus tiefen Gefühlen und BuffoHumor auch in Innsbruck – 1986 und 1990 zudem als köstliche Bühnenproduktion – glänzend an, wurde bei Gastspielen in Brügge und Montpellier umjubelt. Hier erfuhr das „recitar cantando“, der kunst volle, fast improvisiert wirkende und nur von Theorbe, Barockcello oder Cembalo begleitete Gesang mit den delikaten Verzierungen schönste Ausprägung. Auch die Orchester-Ritornelli waren klein besetzt. Die kurz darauf gespielte HändelOper „Ariodante“ mit ihren Bravourarien und dem schon viel größeren Orchester samt Tanzensemble zeigte deutlich die rasante Entwicklung der Barockoper. Cesti aber sollte auch weiterhin von besonderem Interesse für die Innsbrucker Festwochen bleiben. 1983 brachte Alan Curtis als Erstaufführung nach mehr als 300 Jahren dessen Oper „Il Tito“ (Titus) heraus, die 1666 in Innsbruck entstanden war. Diese erste große Bühnenproduktion des Genius loci, inszeniert von Shirley Wynne in den Bühnenbildern von Peter Mühler, hatte neben herrlicher Musik auch Spektakuläres zu bieten, wie einen riesigen Walfisch, der an einem lieblichen Meeresufer „landet“ und dem in die Judäerkönigin Berenice verliebten Kaiser Titus seine römische Braut bringt, die ihn zur Ordnung ruft. Das bedeutendste Cesti-Ereignis war 1996 René Jacobs’ Erarbeitung von „L’Argía“, jener Oper, mit der am Innsbrucker Hof 1655 der Königin Christine von Schweden gehuldigt wurde, die auf der Reise nach Rom hier ihre Konversion zum katholischen Glauben vollzog. Erzherzog Ferdinand Karl weihte mit dieser Prunkoper sein neues Hoftheater (am Standort unseres Landestheaters) ein. Kupferstiche der zahlreichen phantasievollen Bühnenbilder sind im Tiroler Landesmuseum Ferdi- nandeum zu bewundern. 27 für den hageren Ritter von der traurigen Gestalt, der fabelhafte Protagonist. Schon 1979 war Alessandro Stradellas Oratorium „Susanna“ in einer halb szenischen Aufführung in der Wiltener Stiftskirche unter Alan Curtis zu einer Wegmarke geworden. Nur sechs Instrumentalisten, darunter Curtis am Cembalo, hatten einen dramatisch aus drucksstarken Klang entfaltet, der sich 1992 bei der Bühnenproduktion von Stradellas „San Giovanni Battista“ noch steigerte. Eine frühe Salome nahm da schillernde Klanggestalt an. 1993 war es Antonio Caldara, Venezianer am Wiener Hof, der mit der Oper „I Disingannati“ unter Sigiswald Kuijkens Leitung auf amüsante Weise ins Blickfeld trat. 1995 folgte mit Alessandro Scarlatti ein weiterer Italiener, dessen „Mitridate Eupatore“ unter Thomas Hengelbrock seine Entdeckung wert war; noch tiefer stieß René Jacobs im Jahr 2000 mit der rührenden „Griselda“ in die Seelenlandschaft des Italieners vor. Madrigalkomödien vom Feinsten aus der Feder von Banchieri, Vecchi und di Lasso ließ Dominique Visse 1996 über die Bühne wirbeln. Konrad Junghänel bescherte 1999 Domenico Mazzocchis „La catena d’Adone“ und Thomas Hengelbrock 2000 „La divisione del mondo“ von Giovanni Legrenzi. Eine erinnerungswürdige Opernproduktion war 2001 „Dal male il bene“ von Abbatini & Marazzoli unter der Leitung von Attilio Cremonesi, der 2004 zudem Antonio Sartorios „Giulio Cesare in Egitto“ erar beitete. Auch aus der Feder deutscher Komponisten kamen italienische Opern: Von Heinrich Ignaz Franz Biber stellte Howard Arman 1994 „Arminio – chi la dura la vince“ vor, René Jacobs führte 1997 Johann Adolph Hasses „Solimano“ und im gleichen Jahr noch Florian Leopold Gassmanns köstliche „Opera seria“ auf. Einen weiteren interessanten Cavalli lernte man 2004 mit „Eliogabalo“ unter Jacobs kennen. Ein bedeutendes Kapitel der Innsbrucker Opernchronik gehört den italienischen Bühnenwerken Händels, Mozarts und Haydns. Der junge Händel war ja schon 21jährig nach Italien gereist und hatte dort erfolgreiche Opern komponiert. Eine davon kam 1984 auf die Festwochenbühne: Alan Curtis führte den 1708 in Florenz uraufge führten und verloren geglaubten „Rodrigo“ nach Auffinden und Rekonstruktion einiger Teile erstmals in neuer Zeit in Innsbruck auf, was in der Fachwelt große Beachtung fand. Ebenso war René Jacobs Händel ein getreuer Anwalt, was er 1989 mit „Flavio, Re de’Langobardi“, 1998 mit „Semele“ und 2002 mit „Rinaldo“ bewies. 1991 trug sich auch Howard Arman mit „Serse“ in die Liste der Händel-Interpreten bei den Innsbrucker Festwochen ein. Schon im Mozartjahr 1991 hatte Jacobs mit „La finta semplice“ bewiesen, welch ein exzellenter Mozartdirigent er ist; 2006 geriet sein „Don Giovanni“ zum weitum beispielgebenden Modell. Auch Alessandro De Marchi leistete mit „Il re pastore“ einen würdigen Beitrag zum 250. Geburtstag Mozarts und eroberte sich mit Bernardo Pasquinis „Il martirio di Sant’Agnese” vollends die Sympathien des Festwochenpublikums. Im Haydnjahr 2009 gab es gleich zwei italienische Opern des Meisters von Esterház: De Marchi leitete „L’isola disabitata“ und Jacobs befreite Haydn mit einem turbulenten „Orlando Paladino“ endgültig von allen altväterischen Vorurteilen. So verteidigte Innsbruck auch in der italienischen Oper der Wiener Klassik seine Pionierrolle. www.innsbruck.info Natur & Kultur Innsbruck und seine Feriendörfer Jutta Höpfel Innsbruck Tourismus, Tel. +��-���-� �� ��, [email protected], www.innsbruck.info 28 29 ~ Biografien ~ Giovanni Antonini, der seine musikalische Ausbildung in seiner Heimatstadt Mailand und am Centre de Musique Ancienne in Genf erhielt, feiert seit nunmehr zwei Jahrzehnten mit dem von ihm mitbegründeten Ensemble Il Giardino Armonico als Flötensolist und Dirigent weltweite Erfolge. Ihm und seinen MitmusikerInnen wird attestiert, dem Aus drucksspektrum in der historischen Auffüh rungspraxis Alter Musik faszinierende und revolutionierende Impulse zu geben. 2000 erhielten Antonini und Il Giardino Armonico für das „Vivaldi Album“ den Grammy Award. Als Dirigent tritt Antonini des Weiteren auch mit Orchestern wie den Berliner Philharmo nikern, der Deutschen Kammerphilharmonie, dem Orchestra of the Age of Enlightenment und dem kammerorchesterbasel in Musik zentren wie dem Wiener Musikverein, der Tonhalle Zürich und dem Amsterdamer Concertgebouw auf. Mit dem kammer orchesterbasel feierte er sensationelle Erfolge mit seinen Aufführungen und CDEinspielungen von Beethovens Symphonien. Opern- und Oratorienaufführungen leitete Antonini unter anderem bei den Salzburger Festspielen, der styriarte Graz, am Piccolo Teatro Studio in Mailand und am Théâtre des Champs-Élysées. Dabei dirigierte er unter anderem Monteverdis „L’Orfeo“, Cimarosas „Il matrimonio segreto“, Händels „Agrippina“, Contis „Il martirio di San Lorenzo“ und Pergolesis „La serva padrona“. Il Giardino Armonico ist das wohl berühm teste Barockmusikensemble unserer Zeit. Gegründet 1985 in Mailand von Absolventen verschiedener europäischer Musikhoch schulen, revolutionierte das Ensemble mit seinem vitalen, rhetorisch ausdrucksstarken und klanglich risikofreudigen Spiel in kurzer Zeit die Aufführungspraxis historisch infor mierten Musizierens. Il Giardino Armonico wurde zum Markennamen für eine lebendige Interpretation von Vivaldis Musik, die CDEinspielung der „Vier Jahreszeiten“ erreichte Kultstatus. Das Repertoire des Ensembles umfasst die Musik vieler bekannter und auch wiederentdeckter Komponisten hauptsäch lich aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die Besetzung reicht von drei bis 30 Musike rInnen. Il Giardino Armonico erhielt für seine unzähligen CD-Einspielungen hochkarätige Preise, darunter den Grammy Award. Das Ensemble konzertiert mit außergewöhn lichen Solistinnen wie Cecilia Bartoli, 30 Katia und Marielle Labèque und Viktoria Mullova. Il Giardino Armonico wirkt inzwi schen als Opern- und Oratorienorchester, so in Monteverdis „L’Orfeo“, Händels Oratorien „Il trionfo del tempo del disinganno“ und „La resurrezione“ und Hasses Oratorium „I Pellegrini al sepolcro di Nostro Signore“. klassischen Opern, wobei der Bogen an Werken von Monteverdi, Purcell und Caccini bis Hasse und Mozart reicht. Pier Paolo Bisleri erhielt eine Ausbildung als Bühnen- und Kostümbildner an der Accademia delle Belle Arti di Firenze. Zehn Jahre lang leitete er das Kunstzentrum „La Cappella Underground“ und arbeitete dabei mit Künstlern wie Joseph Beuys, Arnulf Reiner, Andy Warhol und Christo zusammen. Als Kurator präsentierte er die erste Ausstellung des Wiener Aktionismus in Italien mit Werken u. a. von Hermann Nitsch und Günther Brus. Als Bühnen- und Kostümbildner arbeitete Pier Paolo Bisleri an führenden Bühnen wie dem Piccolo Teatro di Milano, La Fenice in Venedig, San Carlo in Neapel, an der Oper von Monte Carlo, an der Griechischen Nationaloper Athen und am Bunkamura-Theater in Tokyo. Dabei stattete er Werke wie Purcells Oper „Dido and Aeneas“, Mozarts Da-PonteOpern und Rossinis „La cenerentola“ aus. Er arbeitete mit Regisseuren wie Lucca Ronconi und Federico Tiezzi und Diri genten wie Daniel Oren zusammen. Deda Cristina Colonna wurde in Ballett, Tanz und Schauspiel in Novara, Paris (Ecole Supérieure d’Etudes Chorégraphiques) und Genua (Teatro Stabile) ausgebildet und spezialisierte sich in Lehrgängen an der Pariser Universität Sorbonne auf Barocktanz und italienischen und französischen Tanz der Renaissance. Als Solistin und Choreo grafin arbeitete sie unter anderem mit The New York Baroque Dance Company, als Schauspielerin wirkte sie in Theaterauffüh rungen von Werken von Shakespeare bis Tschechow und Genet in Italien, Frankreich und Deutschland mit. Sie choreografierte die Tänze und die barocke Gestik in vielen Opern- und Ballettaufführungen in Zu sammenarbeit mit Regisseuren wie Pier Luigi Pizzi und Antonio Latella. Inzwischen gilt sie als Spezialistin für Inszenierungen und Choreografien von barocken und 31 ~ Biografien ~ Monica Iacuzzo aus Mailand wurde an der Akademie von Brera ausgebildet und begann ihre Arbeit als Kostümbildnerin in Produktionen an der Mailänder Scala und in der Arena von Verona. Sie war KostümAssistentin bei Produktionen wie „Falstaff“ in der Regie von Luca Ronconi und „Aida“ in der Regie von William Friedkin. In der Folge entwarf sie Kostüme für „Pagliacci“ und „La voix humaine“ in der Regie von Leo Muscato am Teatro Ponchielli in Cremona und „Fairy Queen“ und „Così fan tutte“ in der Regie von Deda Cristina Colonna am Teatro Sociale Como. Sie ist auch für Film- und Schauspielproduktionen (u. a. „Silk“ von François Giraud) tätig. späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie tritt heute an bedeutenden Opern häusern und bei den wichtigsten Festivals wie dem Sydney Opera House, an der Mailänder Scala, an der Opéra de Paris, am Pariser Théâtre du Châtelet, am Teatro Real in Madrid, am Teatro Liceu in Barcelona, am Theater an der Wien, an der Bayerischen Staatsoper München, bei den Salzburger Festspielen, in Glynde bourne und an den Opernhäusern von San Francisco und Houston auf. Die Altistin gilt als Spezialistin für Partien in Opern von Händel („Rinaldo“, „Giulio Cesare“, „Rodelinda“, „Orlando“, Amadigi“, „Silla“, „Ezio“ und „Tamerlano“), ist aber auch in Werken von Monteverdi oder Vivaldi zu erleben. Sie singt unter der Leitung von Dirigenten wie Riccardo Muti, Emmanuelle Haïm, Marc Minkowski, Ivor Bolton, Fabio Biondi, Alan Curtis, Jeffrey Tate, Jordi Savall und Riccardo Chailly. In ihrer Diskografie finden sich Aufnahmen bei den Labels Naïve, Deutsche Grammophon, Sony Classical und Virgin Records und Werke wie Händels „La Resurrezione“ und „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“. Sonia Prina studierte Gesang und Trom pete am Giuseppe Verdi Konservatorium in Mailand. Sie wurde in die Akademie für junge Sänger an der Mailänder Scala aufge nommen, wo sie erste wertvolle Bühnen erfahrungen sammeln konnte. Die Altistin spezialisierte sich auf Barockoperngesang, unternimmt aber auch immer wieder Ausflüge ins klassische Repertoire, früh romantische Belcantofach und zu Opern des Veronica Cangemi wurde in Mendoza in Argentinien geboren. In ihrer Ausbildung zur Musikerin konzentrierte sie sich zunächst auf das Violoncello und war Erste Cellistin im Symphonieorchester ihrer Heimatstadt, bevor nach einer Gesangsausbildung ihre vokale Laufbahn mit dem Gewinn des Francisco-Vinas-Wettbewerbs in Barcelona den entscheidenden Anstoß bekam. Bald folgten Engagements auf Opernbühnen in Europa und Südamerika. Obwohl sich Veronica Cangemi in ihrem Repertoire auf Opern des 17. und 18. Jahrhunderts speziali sierte, ist sie auch in Opern des 19. Jahr hunderts wie Donizettis „L’elisir d’amore“ (als Adina) und Bizets „Carmen“ (Micaela) zu hören. Ihr europäisches Debüt feierte sie in Glucks „Armide“ in einer Produktion in Versailles mit Les Musiciens du Louvres. 2000 trat sie bei den Innsbrucker Fest wochen in der Titelpartie von Scarlattis „Griselda“ auf. Seither singt sie an renom mierten Opernhäusern wie der Bayerischen Staatsoper in München, der Deutschen Staatsoper Unter den Linden in Berlin, am Théâtre des Champs-Elysées in Paris, am Teatro Real in Madrid und am Teatro Colón in Buenos Aires sowie bei den Salzburger Festspielen, der styriarte Graz, beim Opernfestival in Glyndebourne und beim Maggio musicale in Florenz. Sie ist in den Mozart-Partien Zerlina in „Don Giovanni“, Pamina in „Die Zauberflöte“, Susanna in „Le nozze di Figaro“, Ilia in „Idomeneo“ und Servilia in „La clemenza di Tito“, aber auch als Poppea in Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“ und Dalinda in Händels „Ariodante“ zu erleben. Die Künst lerin arbeitet als Opern- und Konzertsänge rin mit Musikern wie Marc Minkowski, Ivor Bolton, William Christie, Marek Janowski, Sir Neville Marriner und René Jacobs sowie mit Ensembles wie Les Arts Florissants, Il Giardino Armonico und dem Freiburger Barockorchester zusammen. Auf CD ist die Sängerin unter anderem in „Griselda“ (Harmonia mundi), als Ruggiero in Rossinis „Tancredi“ (BMG-RCA) und in vielen Auf nahmen der Vivaldi-Edition von Naïve (u. a. „Orlando furioso“, „Fida Ninfa“) zu hören. Sunhae Im absolvierte ihr musikalisches Studium in Seoul und schloss eine Gesangs ausbildung bei Roland Hermann in Karlsruhe Mariangiola Martello 32 33 ~ Biografien ~ an. Ihr Operndebüt feierte sie in Frankfurt. Drei Jahre lang war sie Ensemblemitglied der Staatsoper Hannover, seither gastiert sie an Opernhäusern wie der Hambur gischen Staatsoper, der Deutschen Oper Berlin, am Staatstheater Stuttgart und der Opéra National de Paris. Ihr Repertoire umfasst Mozart-Partien, weiters La Musica und Euridice in Monteverdis „L’Orfeo“, Rodisette in „Der geduldige Sokrates“ von Telemann und Eurilla in Haydns „Orlando Paladino“. In den beiden letztgenannten Partien war sie auch bei den Innsbrucker Festwochen zu hören. Ihr Innsbrucker Debüt feierte sie 2005 als Ordogno in Contis „Don Chisciotte in Sierra Morena“. Im Theater an der Wien wirkte sie unter der Leitung von René Jacobs als Amor in Glucks „Orfeo ed Euridice“ mit. Als Konzertsängerin umfasst ihr Repertoire Musik des Barock und der Klassik. Händels „Messiah“ unter der Leitung von Ton Koopman in New York und Haydns „Paukenmesse“ unter der Leitung von Sigiswald Kuijken zählen zu herausragenden Konzertverpflichtungen der Sängerin. in Mailand eine Ausbildung in klassischer Gitarre und bei Conrad Richter, Dunja Vejzovic, John Jansen und Luca Gorla in Gesang. Ihr Debüt feierte sie am Teatro San Domenico in Crema in „Eliogabalo“ von Cavalli. Nach dem Gewinn beim 54. Gesangswettbewerb Giovani Cantanti Lirici d’Europa erhielt sie Engagements an das Teatro la Fenice in Venedig („Il matrimonio segreto“ von Cimarosa), zum Festival di Beaune („La Partenope“ von Vinci mit der Cappella della pietà di Turchini), an die Pariser Oper („L’incoronazione di Poppea“ von Monteverdi), zum Opernfestival nach Glyndebourne (Rossinis „Cenerentola“), an die Mailänder Scala (Cherubino in Mozarts „Le nozze di Figaro“) und zu Produktionen von Vivaldis „Bajazet“ in Madrid, Paris und Caen. Zuletzt sang sie in einer Tourneeproduktion unter der Leitung von Fabio Biondi die Adalgisa in Bellinis „Norma“. Die Sängerin arbeitet regelmäßig mit Dirigenten wie Rinaldo Alessandrini, Giovanni Antonini, Ivor Bolton, Antonio Florio, Daniele Gatti, Emmanuelle Haïm und Marc Minkowski zusammen. Lucia Cirillo absolvierte im Rahmen ihres Musikstudiums in ihrer Heimatstadt Crema und an der Civica Scuola di Musica Krystian Adam hat an der Musikakademie in Wroclaw in Polen und am Conservatorio Giuseppe Verdi in Mailand Gesang studiert. Er debütierte als Graf Almaviva in Rossinis „Barbiere di Seviglia“. Erste Engagements des Sängers erbrachten Konzerte zusam men mit den Ensembles Arion Consort, La Risonanza, La Divina Armonia, Orchestra Mozart, Modo Antiquo und Suonar Parlante sowie Opernaufführungen an der Mailänder Scala („Teneke“ von Vacchi), am Teatro La Fenice in Venedig („Dido and Aeneas“ von Purcell), am Teatro Filarmonico in Verona („Il Mondo alla Rovescia“ von Salieri), am Teatro Carlo Felice in Genua („Die Schöpfung“ von Haydn und „La Passione“ von Stradella) und am Teatro Olimpico in Vicenza („Il Finto Turco“ von Piccinni). Er trat beim Festival di Beaune („Ariodante“ von Händel), beim Festival Monteverdi in Cremona („Israel in Egypt“ von Händel), bei den Internationalen Barocktagen von Stift Melk („Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“ von Händel), bei Forummusicum Breslau („Griselda“ von Vivaldi, „Matthäus Passion“ von Bach) und bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci („Le Cinesi“ von Gluck) auf. Der Sänger arbeitete mit Dirigenten wie Claudio Abbado, Roberto Abbado, Rinaldo Alessandrini und Diego Fasolis zusammen. Entwurfzeichnung von Monica Iacuzzo 34 35 W W W. O P E R A . B U R K I A . AT Händel Semele DAS NEuE OPERNHAuS William Christie | Robert Carsen | Les Arts Florissants Cecilia Bartoli, Charles Workman, Birgit Remmert, Malena Ernman Premiere: 15. September 2010, 19.00 Uhr Strauss AriAdne Auf nAxoS Bertrand de Billy | Harry Kupfer | ORF RSO Wien Anne Schwanewilms, Johan Botha, Heidi Brunner Premiere: 9. Oktober 2010, 19.30 Uhr Weill die Sieben TodSünden Walter Kobéra | Juliette Deschamps | ORF RSO Wien Angelika Kirchschlager, Catherine Hunold Premiere: 15. Oktober 2010, 19.30 Uhr K U LT U R TRIFFT GAUMEN LASSEN SIE SICH VON UNS VERWÖHNEN. mozart lA finTA giArdinierA René Jacobs | David Alden | Freiburger Barockorchester Sophie Karthäuser, Topi Lehtipuu, Alexandrina Pendatchanska Premiere: 12. November 2010, 19.00 Uhr Catán il poSTino Jesús López-Cobos | Ron Daniels | Wiener Symphoniker Plácido Domingo, Israel Lozano, Amanda Squitieri, Cristina Gallardo-Domâs Premiere: 9. Dezember 2010, 19.00 Uhr rameau CASTor eT pollux Christophe Rousset | Mariame Clément Les Talens Lyriques | Maxim Mironov, Dietrich Henschel, Anne Sofie von Otter, Christiane Karg Premiere: 20. Jänner 2011, 19.00 Uhr britten THe rApe of luCreTiA Sian Edwards | Keith Warner | Klangforum Wien Angelika Kirchschlager, Nathan Gunn, Kim Begley, Markus Butter Premiere: 17. Februar 2011, 19.30 Uhr TÄGLICH GEÖFFNET VON 8 - 24 UHR • KEIN RUHETAG! IDEALER TREFFPUNKT BEREITS VOR DER VORSTELLUNG. Händel rodelindA DURCHGEHEND WARME KÜCHE VON 11.30 - 22.30 UHR Köstlichkeiten für den kleinen Hunger Vorzügliche Weine und erfrischende Drinks Reservierung unter 0512.284 364 Fürstenweg • 172 Innsbruck Nutzen Sie die Möglichkeit zur Vorbestellung. Unter Vorweis Ihrer Theaterkarte laden wir Sie gerne auf einen unserer fruchtigen Prosecco-Aperitifs ein. Nikolaus Harnoncourt | Philipp Harnoncourt Concentus Musicus Wien | Danielle de Niese, Kurt Streit, Bejun Mehta, Malena Ernman Premiere: 20. März 2011, 19.00 Uhr SAiSon poulenc diAlogueS deS CAr méliTe S 2010/11 Bertrand de Billy | Robert Carsen | ORF RSO Wien Patricia Petibon, Deborah Polaski, Hendrickje Van Kerckhove, Michelle Breedt Hauptsponsor Theater an der Wien: 36 neumeier orpHeuS Ein Unternehmen der Wien Holding Hamburg Ballett | Stefan Vladar | Wiener KammerOrchester Linke Wienzeile 6 | A-1060 Wien Tel.: +43(0)1 588 30-660 | www.theater-wien.at 6DLVRQ,%7[NRPPDLQGG Premiere: 16. April 2011, 19.00 Uhr Premiere: 5. Mai 2011, 19.30 Uhr 37 ~ Libretto ~ OTTONE IN VILLA PERSONAGGI Cleonilla Caio Ottone Tullia creduta Ostilio Decio ATTO PRIMO AKT I Scena I Loco delizioso della villa imperiale con ritiri di verdure, e viali di cedro, con peschiere, e fontane, adorne di vasi di fiori. Cleonilla sola che va cogliendo fiori per adornarsene il seno. 1. Szene Ein malerischer Ort in der kaiserlichen Villa mit schattigen Lauben, Zedernalleen, mit Teichen und Brunnen, die mit Blumenvasen geschmückt sind. Cleonilla allein; sie pflückt Blumen, um sich damit zu schmücken. Cleonilla Nacqui a gran sorte, o Cieli, e nacqui è vero per aver sul mio crin d’augusti allori, qual di Cesare amante, il fregio illustre. Ma ciò che mai giovò, se ho un’alma, un core che libertà nel suo voler sol brama! Gemme ed oro io non vo’, purchè disciolta seguire io possa Amor, che da tiranno fatto ha in me la sua sede, e ognor mi sforza d’ogni vago garzon rendermi serva. Così spesso men vo di foco, in foco, sempre vaga d’aver novelli amanti. Amai di Caio il volto, e ancora io l’amo; ma appena io vidi, o Dio, del mio Ostilio gentil le bianche guancie, l’occhio, il ciglio, il bel labbro, che in nuovo ardor già mi distruggo e avvampo, né trovo incontro a lui riparo, o scampo. CLEONILLA Beim Himmel, ich bin zwar zu Großem geboren fürwahr, um mein Haupt als Cäsars Geliebte mit edlem Lorbeer zu bekränzen, doch was nützt es mir, da meine Seele, mein Herz sich einzig nach der Freiheit sehnt? Ich begehre weder Juwelen noch Gold, sondern nur frei der Liebe folgen zu dürfen, die tyrannisch in mir sesshaft ist und mich stets zwingt, jedem hübschen Jüngling zu Willen zu sein. So eile ich ohne Unterlass von einer Flamme zur nächsten, immer auf der Suche nach neuen Liebhabern. Caio liebte ich für sein Antlitz, ich liebe ihn noch immer; doch kaum erblickte ich, oh Gott, die weißen Wangen meines teuren Ostilio, seine Augen, seine Stirn, seinen schönen Mund, so überkam mich eine neue, verhängnisvolle Leidenschaft, gegen die ich keinen Schutz oder Ausweg finde. 38 ARIA ARIE Cleonilla Quanto m’alletta La fresca erbetta Quanto a me piace Quel vago fior, L’un con l’odore M’inspira amore L’altra colo verde empie di speme L’amante cor. Quanto … CLEONILLA Wie verlockt mich das frische Grün, wie reizend ist diese schöne Blume. Mit ihrem Duft spricht die eine von Liebe, mit ihrem Grün erfüllt die andere mein liebendes Herz mit Hoffnung Wie verlockt mich … SCENA II Caio, e suddetta 2. Szene Caio und Cleonilla Cleonilla Caio … CLEONILLA Caio ... Caio Cleonilla, qui sola? CAIO Bist du allein? Cleonilla O qual diletto prova l’alma in raccor questi bei fiori, per renderne al mio petto vezzo setto monil di grati odori. CLEONILLA Oh, wie es mein Herz erfreut, diese schönen Blumen zu pflücken, um meine Brust mit ihnen und ihrem süßen Duft zu schmücken. Caio Ah che t’inganni; questi ponno il vanto spiegar solo fra l’erbe; ma nel tuo bianco seno perdono il pregio lor, né quei più sono. CAIO Ach, du irrst dich; jene können ihren Reiz allein im Gras entfalten, doch an deinem weißen Busen verlieren sie ihren Zauber, sind nicht wie zuvor. Cleonilla Solite tue lusinghe che adulano il mio amor. Io t’amo, e basti che il cor sempre di te sarà sol pago. (Ah che Ostilio di te troppo è più vago!) CLEONILLA Deine üblichen Schmeichelworte, die auf meine Liebe einreden. Ich liebe dich, es genüge dir, dass mein Herz für immer nur dein sein soll. (Ach, Ostilio ist doch viel schöner als du!) 39 ~ Libretto ~ ARIA ARIE Ottone Caro mio ben gradito, credi pur ch’il mio core sempre più arde ai tuoi begl’occhi innante. OTTONE Meine teure Geliebte, glaube mir, dass mein Herz stets höher schlägt, wenn ich deine strahlenden Augen erblicke. CAIO Sole degli occhi miei l’idolo mio tu sei, e il tuo bel volto amabile tutto è scolpito in me. Quel fulgido splendore che in sen m’accende il core è tanto, e sì adorabile, ch’io vivo sol per te. Sole degli occhi miei ... CAIO Sonnenlicht meiner Augen, du bist mein Ein und Alles, und dein liebliches Antlitz ist in mein Herz gemeißelt. Diese strahlende Schönheit, die mir das Herz im Busen entfacht, ist gar so bezaubernd, dass ich nur für dich lebe. Sonnenlicht meiner Augen … Cleonilla Ah Cesare, m’inganni, né verso me pui sei quel fido amante. CLEONILLA Ach, Cäsar, du täuschst mich, du bist nicht mehr der treue Liebhaber. ARIA ARIE CLEONILLA Mit meinen erprobten Künsten will ich eifer süchtige Liebe zu ihm allein vortäuschen. (Herz, lass deine Schmeichelworte sprechen!) Cleonilla Caro bene se vuoi togliermi di pene mostra almen più amore in me. Sai che l’alma, sol trovar può la sua calma nel candor de la tua fé. Caro … CLEONILLA Geliebter, willst du meinem Schmerz ein Ende machen, dann zeige mir mehr Liebe. Du weißt, dass meine Seele ihre Ruhe nur findet, wenn deine Treue aufrichtig ist. Geliebter … Ma cesare qui vien … Doch hier kommt Cäsar. Cleonilla Con l’arti usate, fingasi solo ver lui geloso amore. (Su, le lusinghe tue risveglia, o core.) SCENA III Ottone, e sudetti 3. Szene Ottone tritt ein. Die Vorigen SCENA IV Caio, ed Ottone 4. Szene Caio und Ottone Ottone Cleonilla a te ne vengo, acciò fra questi solitari ritiri, dell’impero lasciando il grave incarco, più del tuo bel mi goda. OTTONE Cleonilla, ich komme zu dir, um in dieser friedlichen Einsamkeit die schweren Sorgen um das Reich zu vergessen und mich umso mehr an deiner Schönheit zu erfreuen. Ottone Più fida amante, e chi mirò già mai! Ogni picciol momento che al suo fianco io non son, s’adombra e crede che d’amarla già lasci. OTTONE Wer hätte je einen treueren Liebhaber gese hen? Wegen jedes Augenblicks, da ich nicht an ihrer Seite bin, wird sie ungehalten und glaubt, dass ich sie nicht mehr liebe. Cleonilla Cesare a che mentir? Forse non veggo qual cieco oblio ricopra di quel primo amor tuo la cara imago? CLEONILLA Cäsar, wofür lügen? Meinst du, ich sehe nicht das blinde Vergessen, das über das teure Abbild deiner Liebe von ehemals seinen Schatten wirft? Caio Tanto fa chi ben ama. CAIO So benimmt sich, wer wirklich liebt. Ottone Quai doglianze importune! E quale io sento frenetico parlar sul tuo bel labro? OTTONE Welch ungerechten Vorwurf! Welch rasende Worte höre ich aus deinem schönen Mund? Ottone Anch’io l’adoro e pur di lei più che sicuro io vivo. Ma tu che spesso, o Caio, hai di servirla il sì distinto onore, togli dal suo bel core quel sì freddo timor di gelosia. OTTONE Auch ich bete sie an, und doch vertraue ich ihr vollends. Doch du, Caio, der du so oft die Ehre hast, ihr dienen zu dürfen, entnimm ih rem Herzen die eisige Angst der Eifersucht. Cleonilla Forse non miro, o Dio, quanto brevi son l’ore che concedi al mio cor di vagheggiarti! Quando allor che m’amavi, ogni cura oblian do, i giorni interi meco ne stavi a raddolcir le pene del tuo tenero amor. CLEONILLA O Gott, meinst du, ich wüsste nicht, wie we nige Stunden du meinem Herzen vergönnst, seine Liebe zu erklären? Als du mich liebtest, bliebst du, alle Sorgen vergessend, tagelang bei mir, um die Schmerzen deiner innigen Liebe zu mildern. Caio L’onor de’cenni tuoi adempiti saran dalla mia fede. (Quanto Cesare è sciocco e tutto crede!) CAIO Dein Auftrag ehrt mich und ich will ihn treulich ausführen. (Wie einfältig Cäsar ist, wie leichtgläubig!) 40 41 ~ Libretto ~ ARIA ARIE Ottone Par tormento ed è piacer il veder l’amato oggetto nel sospetto e nel timor. E’ piacer perché si vede quanto amante è in lei la fede, quanto fido è in lei l’amor. Par tormento … OTTONE Es ist Pein und es ist Wonne, zu sehen, dass die Geliebte von Zweifel und Angst geplagt wird, Es ist eine Freude zu sehen, wie liebevoll ihre Treue und wie treu ihre Liebe ist. Es ist Pein … in rammentar le sue querele un pietoso pensier mi punge il seno. (Ahi che già mi discuopro, o vengo meno!) jetzt, da ich ihrer Klagen gedenke, dringt mir ein Mitleidsstrahl ins Herz. (Weh! Ich werde mich verraten oder die Sinne verlieren!) Caio Che posso far, se più di lei non curo? Forse in questo momento, guarita del suo duol lieta consola il passato martir con altro amante. CAIO Was kann ich nur tun, wenn ich sie nicht mehr liebe? Vielleicht findet sie in diesem Augenblick, von ihrem Kummer geheilt, Trost für vergan gene Schmerzen mit einem anderen Liebhaber. TULLIA Das wird nie sein, denn sie bleibt ewig treu, obwohl sie verraten wurde, liebt sie dich noch immer. (Ach, grausamer, undankbarer Lieb haber! Ach, Verräter!) SCENA V Caio, poi Tullia creduta Ostilio 5. Szene Caio, dann Tullia, der vermeintliche Ostilio Tullia Questo già mai non fia, che ognor costante, più che tradita ell’è, ti serba amore. (Ah crudo, ingrato amante, ah traditore!) Caio Quanto di donna amante sagace è il cor per ingannare altrui. Oggi solo in Cleonilla ognun l’apprenda! CAIO Wie geschickt das Herz einer liebenden Frau andere hinters Licht führen kann, das hat uns Cleonilla heute bewiesen! Caio La cagion qual ne sia dir non poss’io. (Ahi che sol Cleonilla è l’idol mio.) CAIO Den Grund dafür weiß ich wirklich nicht. (Ach, Cleonilla liebe ich allein.) Tullia Caio, fra queste erbette forse vai rimem brando di Tullia sventurata l’amor tradito e la giurata fede! TULLIA Caio, in diesem Garten gedenkst du viel leicht der verratenen Liebe an der unglück lichen Tullia und der gebrochenen Treue! SCENA VI Tullia creduta Ostilio sola 6. Szene Tullia, der vermeindliche Ostilio, allein Caio Allor che le tue voci, Ostilio, ascolto, e il tuo volto rimiro, e gl’atti, e i moti, così di Tullia io le fattezze amiro, che se uomo non fossi. Tullia ti crederei. Perciò m’è forza, sempre che teco io parlo, sentir del primo amor sovente il tarlo. CAIO Ostilio, wenn ich deine Stimme höre und dein Gesicht, dein Verhalten, deine Gesten sehe, erinnert alles mich so sehr an Tullia, dass ich, wärst du kein Mann, dich für Tullia hielte; deswegen plagt mich, wenn ich mit dir spreche, stets das schlechte Gewissen wegen meiner ersten Liebe. Tullia Ah traditor t’intendo: siegui pure l’amore di una perversa donna, ch’io ben la mia ven detta or ti preparo. Questa già voti appende al volto mio, benché da te negletto, e qual giovin garzon solo mi siegue. Io per darti un tormento in parte eguale al mio dolor, la sieguirò fedele, perché teco qual era ella non sia, e poi mori, crudel, di gelosia. TULLIA Ach! Treuloser, ich durchschaue dich: Folge nur, so viel du willst, der Liebe einer Verruchten, ich bereite schon meine Rache vor. Jetzt ist sie ganz vernarrt in meine Erscheinung, die du verschmähst; und sie stellt mir nach, als wäre ich ein Jüngling. Um dir die Schmerzen, die du mir zufügst, ein wenig zu vergelten, will ich ihr nachstellen, bis sie dich nicht mehr so liebt wie zuvor; und dann stirb, Grausamer, vor Eifersucht. Tullia Ma se questo ti punge, or dimmi o Dio, perché fido non torni a consolarla? TULLIA Wenn es dich so plagt, so sag mir doch, wa rum kehrst du nicht zurück, sie zu trösten? ARIA ARIE Caio Forza di nuovo foco il primo estinse. Ma a che tanto di quella, sempre sul labbro tuo deggio sentir qual difensore il nome? CAIO Die Macht des neuen Feuers hat das alte gelöscht. Aber warum muss ich stets aus deinem Munde ihren Namen hören, als wolltest du ihr Recht verschaffen? Tullia Sol perché la conobbi, e seco spesso fa vellando di te piansi al suo pianto. Ed ora TULLIA Nur, weil ich sie kannte, und oftmals, wenn wir von dir sprachen, mit ihr weinte; und Tullia Con l’amor di donna amante, il mio core, e l’alma mia, arti, e vezzi usar saprà. E nel sen de l’incostante, col martir di gelosia, punirò l’infedeltà. Con l’amor … TULLIA Mit der Hingabe einer liebenden Frau werden mein Herz und meine Seele Kunstgriffe und Tricks zu verwenden wissen. Und im Herzen des Unbeständigen will ich die Untreue mit Qualen der Eifersucht bestrafen. Mit der Hingabe … 42 43 ~ Libretto ~ SCENA VII Rotonda di bagni con letto di campagna, in mezzo a vago boschetto di mirti, con veduta d’acque che cascano. Cleonilla uscita dal bagno ed Ottone che la tiene per mano, e poi Decio 7. Szene Verwandlung. Ein runder Badepavillon mit einem Bett, das mit allem Komfort aus gestattet ist, inmitten eines malerischen Myrtenhaines; im Hintergrund ein Wasserfall. Cleonilla kommt aus dem Bad mit Ottone, der ihre Hand hält; später Decio ARIA ARIE Ottone Frema pur, si lagni Roma, se non vede il suo regnante, ch’ il mio ben seguir io vo’. Di quei rai l’augusta chioma, freggia sol Cesare amante, né giamai d’altro curò. Frema … OTTONE Rom mag zürnen und ungehalten sein, dass es seinen Herrscher nicht erblickt. Es zürne, ich will bei der Liebsten verweilen. Die erhabenen Brauen ihrer Augen seien der einzige Schmuck des liebenden Cäsar, nie habe ich nach anderem begehrt. Rom mag zürnen … Ottone Quanto m’alletti o cara, in veder sì scom posti su le bianche tue membra errar gli usati freggi incolti e sparsi. Onde ridir non so se per celarle o per farne delizia agli occhi miei toccan le tue bellezze. OTTONE Geliebte, wie erfreut es mich, das Hemd zu sehen, das ungeordnet deine weißen Glieder bedeckt, so charmant und so lose, dass ich nicht weiß, ob es sie verhüllen oder meine Augen ergötzen soll, wenn sie deine Schön heit streifen. SCENA VIII Decio, e poi Tullia creduta Ostilio 8. Szene Decio, später Tullia, der vermeintliche Ostilio Cleonilla Se queste a te gradite son pur qual mostri, or dimmi perché più tu non l’ami? CLEONILLA Wenn sie dir so gefallen wie du behauptest, so sag mir, warum liebst du sie nicht mehr? Cleonilla Grande ho, Decio, il desìo, saper quai cose Roma di me favella, e se contenta è del l’amor che al mio regnante io porto. CLEONILLA Decio, ich wüsste sehr gerne, was man in Rom über mich erzählt, und ob man meine Liebe zum Herrscher zu würdigen weiß. Decio Cleonilla inchino, il grande Ottone adoro. DECIO Ich verbeuge mich vor Cleonilla und bete den großen Ottone an. Decio Il dir forse che Roma tesse lodi al tuo nome, arte saria d’adulator, non di vassal fedele. DECIO Zu sagen, dass Rom deinem Namen Lor beeren streut, erforderte die Redekunst eines Schmeichlers, nicht die eines treuen Dieners. Ottone Decio, che porti? OTTONE Decio, was gibt es? Cleonilla Qual opre io fo, che di biasmar son degne!? Decio Roma, Signor, non è contenta di vedersi lontan dagli occhi tuoi. DECIO Herr, Rom ist ungehalten, weil du dich so lange nicht blicken lässt. CLEONILLA Was habe ich getan, um diesen Vorwurf zu verdienen!? Decio (Son le lascivie tue pur troppo indegne.) Ottone Dunque m’invidia Roma che per brevi mo menti in questo loco un bel riposo io goda! OTTONE Also beneidet mich Rom, weil ich für kurze Zeit hier ein wenig angenehme Ruhe genieße! DECIO (Er besteht wegen deiner schamlosen Unzüchtigkeit.) Cleonilla Forse ciò fa per secondar tue voglie … CLEONILLA Vielleicht stimmt das mit deinen Wünschen überein. Tullia Qui per ornarti il fianco l’usato fregio io serbo! Tullia Hier, um deine Hüfte zu schmücken, bewahre ich die gebrauchte Verzierung auf! Cleonilla (a Tullia) A tempo or giungi. (a Decio) A miglior loco, o fido, serbiam nostri discorsi. CLEONILLA (zu Tullia) Du kommst gerade rechtzeitig. (zu Decio) Mein Freund, wir wollen unser Gespräch ein andermal fortsetzen. Decio Al tuo gran cenno lungi porto il mio piè. DECIO Ich folge deinem Befehl und will mich entfernen. Ottone Frema pur Roma, io l’idol mio sol sieguo. Resta qui Decio intanto, mentr’io scrivo al Senato. OTTONE Rom mag zürnen, ich bleibe bei der Ge liebten.Decio, warte einen Augenblick hier, während ich an den Senat schreibe. Decio Il tuo cenno ubbidisco. (Quanto dall’amor suo resta ingannato!) DECIO Ich folge deinem Befehl. (Wie doch die Liebe seinen Unverstand bestärkt!) 44 45 ~ Libretto ~ Cleonilla Basti per ora ridire a chi vil macchia cerca imporre al mio nome, che se ben non ancora ho il piè sul trono, dal regnante di Roma amata io sono! CLEONILLA Momentan genügt es, denen, die meinen Namen anzuschwärzen versuchen, zu sagen, dass ich zwar noch nicht den Thron einnehme, doch dass der Herrscher über Rom mich liebt! Tullia Più non recarmi offesa, che a la legge d’onor so quanto io deggio. TULLIA Kränke mich nicht noch mehr, ich weiß, was der Ehre gebührt. Cleonilla Sappi dunque ch’io t’amo, e fin d’allora che gli occhi tuoi mirai, per te senza riparo arsi e penai. CLEONILLA So wisse, dass ich dich liebe, und seit ich in deine Augen schaute, verzehre ich mich vor Verlangen nach dir. ARIA ARIE Decio Il tuo pensiero è lusinghiero, se ti a credere quel che non è. L’alto splendore del puro onore non si raquista set’ama un Rè. Il tuo pensiero è lusinghiero ... DECIO Deine Gedanken sind trügerisch, wenn du glaubst, was nicht stimmt. Den Glanz der Keuschheit kann man durch die Liebe eines Königs nicht zurückgewinnen. Deine Gedanken sind trügerisch … Tullia Cieli, qual alto don per me serbate! Creder poss’io tal cosa? TULLIA Himmel, welch eine Gnade erweisest du mir! Kann ich es glauben? Cleonilla Ah vezzoso mio ben, de l’alma mia a te solo il trionfo oggi s’aspetta. CLEONILLA Ach, mein Süßer, von nun an ist meine Seele ganz und gar dein. SCENA IX Cleonilla e Tullia creduta Ostilio 9. Szene Cleonilla und Tullia als Ostilio Tullia (Questo farà per ben la mia vendetta.) TULLIA (Das ist wahrlich meine Rache.) Cleonilla Porgimi il manto, o caro, ch’hai nel tuo volto Amore. CLEONILLA Reiche mir den Umhang, mein Freund, aus deinem Antlitz spricht die Liebe. Cleonilla No, no restar sospeso, e non sorprenda l’eccelso onor le tue bellezze altere. CLEONILLA Sei nicht so ängstlich; die Worte, die deine Schönheit ehren, sollten dich nicht verwundern. Tullia Scherza, che pur lo puoi. TULLIA Du scherzest, das ist dein Recht. Tullia Il dubbio che in me sento nasce … TULLIA In mir steigen Zweifel auf ... Cleonilla Ahi che scherzi non sono, ridir di tue bellezze il pregio altero. CLEONILLA Ach, es ist kein Scherz deine erlesene Schönheit zu rühmen. Cleonilla Da che? Favella! CLEONILLA Worüber? Sprich ... Tullia Deh non farmi arrossir. TULLIA Bitte, mach mich nicht erröten. Tullia Caio … TULLIA Caio ... Cleonilla Pur troppo astretta io sono a un tal rossor. Ma dimmi, o fido, poss’io teco svelare un mio pensiero? CLEONILLA Ich bin allzu empfänglich für dieses Erröten. Doch sage mir, Lieber, kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen? Cleonilla Siegui! CLEONILLA Sprich weiter! Tullia T’adora e del caro tuo amor vive geloso. TULLIA Er liebt dich und ist eifersüchtig auf deine Liebe. Tullia Basta dirmi ch’io taccia, e il tuo comando adempito sarà. TULLIA Es genügt, dass du mir Schweigen auf erlegst, und ich folge deinem Befehl. Cleonilla Ma ben rifletti, ché il tradirmi sarìa la morte tua. CLEONILLA Bedenke es wohl, denn, wenn du mich verrätst, ist es dein Tod. Cleonilla Eh che sciocco tu sei! Che se ben quello discaro a me non fu, mai poté tanto dis corger, nel mio cor, sì fiero ardore. CLEONILLA Ach, wie dumm du bist! Selbst wenn er mir einst nicht missfiel, hätte er niemals solche Leidenschaft in mir entfachen können. 46 47 ~ Libretto ~ Tullia Ma pur … TULLIA Dennoch ... Cleonilla Taci non più; ch’io ti do fede che Caio sprez zerò; quella che t’ama tanto eseguir ti dice. CLEONILLA Still, genug; ich gebe dir mein Wort, dass ich Caio zurückweisen werde; die dich liebt, sagt, dass es so kommen wird. Tullia O soave promessa, o me felice. TULLIA O süßes Versprechen, wie bin ich glücklich. Cleonilla Ma perché del mio, amor, vivi sicuro, fedel quanto ti dissi, ecco ti giuro. (Giuramento) Amor con la sua man fedele ei scriva la gran promessa, il giuramento mio. Solo Ostilio adorar, seguir vogl’io, e Caio aborrirò per fin ch’io viva. CLEONILLA Damit du meiner Liebe sicher sein kannst, will ich, was ich gesagt, beschwören. (Schwur) Amors getreue Hand soll mein Ver sprechen, meinen Schwur niederschreiben: Ich will nur Ostilio lieben und ihm folgen, und Caio verschmähen, so lange ich lebe. ARIA ARIE Cleonilla Che fé che amor per te nel cor sempre costante amante, riserberò. Non dubitar che amar sempre ti voglio, sì, e se mi ferì quel vivo cinabro del tuo labbro, ancor t’adorerò. Che fé … CLEONILLA Dir will ich treu sein, dich will ich lieben, deine treue Geliebte bin ich auf ewig. Zweifle nicht daran, dass ich dich immer lieben will, und bin ich auch verwundet vom leuchtenden Rot deiner Lippen, liebe ich dich doch, daran zweifle nicht. Dir will ich … SCENA X Caio che da parte ha inteso il giuramento, ed Tullia 10. Szene Caio, der verborgen dem Schwur gelauscht hat, und Tullia Caio “E Caio aborrirò per fin ch’io viva!” Ah, che mai gli fec’io? CAIO „Und Caio verschmähen, so lange ich lebe?“ Ach, was habe ich ihr denn getan? 48 Tullia (Già Caio intese; strappati pur quel cor, se quel m’offese.) TULLIA (Caio hat schon verstanden: Reiß dir nur dein Herz aus, da du mich so verletzt hast.) Caio Ostilio, ferma il piè! CAIO Ostilio, geh nicht fort! Tullia Non posso. TULLIA Ich kann nicht. Caio Un solo momento almen … CAIO Nur für einen Augenblick ... Tullia Seguir sol vo’ chi deggio. TULLIA Ich muss gehen, wohin mich die Pflicht ruft. Caio Ah che t’intendo, o Dio. CAIO Ach Gott, ich verstehe, was du meinst. Tullia (Il tuo grave dolor compensi il mio.) TULLIA (Möge dein Schmerz den meinen lindern.) ARIA ARIE Tullia Sì sì deggio partir, no non ti posso udir, né ti vo’ dir perché. Allor t’ascolterò quando veder potrò quel ch’or non veggo in te. Sì sì … TULLIA Ja, ja, ich muss fort, nein, ich kann dich nicht anhören, und ich will mich auch nicht erklären. Ich höre dich erst an, wenn ich in dir etwas erblicke, was ich noch nicht erkenne. Ja, ja, … SCENA XI Caio solo 11. Szene Caio allein Caio “E Caio aborrirò per fin ch’io viva!” Ostilio mio rivale! Ostilio dunque deve del mio dolor spiegar l’insegna. Ah pria ch’io mora almeno, a Cesare, all’inferno, al mondo ai cieli un sì gran tradimento oggi si sveli. CAIO „Und Caio verschmähen, so lange ich lebe?“ Ostilio mein Nebenbuhler? So soll Ostilio für meinen Kummer zahlen. Vor meinem Tod will ich noch heute vor Cäsar, der Hölle, der Welt, dem Himmel diesen abscheulichen Verrat aufdecken. 49 ~ Libretto ~ ARIA ARIE Caio Gelosia, tu già rendi l’alma mia dell’inferno assai peggior. Ma se pria la vendetta io non farò, non m’uccidere no no, mio crudele aspro dolor. Gelosia … CAIO Eifersucht, du fügst meiner Seele Qualen zu, ärger als die der Hölle. Doch ehe ich mich gerächt habe, töte mich nicht, nein, nein, durch diesen grausamen, bitteren Schmerz. Eifersucht … FINE DELL’ATTO PRIMO ENDE DES ERSTEN AKTES ATTO SECONDO AKT II SCENA I Delizioso recinto di verdi piante sotto vaga collina con speco erboso e con laghetto in mezzo per diporto imperiale, con vari sedili d’erbe intorno. Decio ed Ottone 1. Szene Ein versunkener, schattiger Garten am Fuß einer sanften Anhöhe mit einer grasbewach senen Höhle: in der Mitte ein kleiner, von Gras bänken umgebener Teich, der der kaiserlichen Zerstreuung dient. Decio und Ottone Decio Spinto signor son io dal zelo del tuo onor, dalla mia fede, a dirti quel che di ridir pavento. DECIO Herr, meine Treue und die Sorge um deine Ehre drängen mich, dir etwas zu berichten, was ich mich zu erzählen scheue. Ottone Favella pur: qual tema può raffrenarti il labbro? OTTONE Sprich ruhig; welche Furcht kann deinen Mund versiegeln? Decio Il dirti cose ch’esser ponno cagion del tuo dolore. DECIO Dir etwas zu berichten, was dir vielleicht Kummer bereitet. Ottone Quest’ io non curo; allora che al carattere eccelso che splende in me onta può darsi, e scorno. OTTONE Das besorgt mich nicht, es sei denn, es wirft Schmach und Schande auf das hohe Ansehen, dessen ich mich rühme. 50 Decio Già che tu mel comandi, Cesare, io ti dis velo che colei che tant’ami fabra sarà del precipizio tuo. DECIO Da du es mir befiehlst, Cäsar, will ich dir kundtun, dass sie, die du über alles liebst, dir zum Verhängnis wird. Ottone Per qual ragion? OTTONE Aus welchem Grund? Decio Son giunte (scusa Singor), son giunte al colmo le lascive sue forme agli occhi altrui: Roma ne parla e tutti dicon “Cesare è cieco, che segue una vil donna, un empio mostro”. DECIO Es ist so weit, (verzeih mir, Herr) dass ihr unsittlicher Wandel öffentlichen Anstoß erregt; Rom verunglimpft sie und alle sagen: „Cäsar ist blind, er liebt eine Unwürdige, einen Ausbund des Lasters.“ Ottone Che ascolto! E che tu parli? Empia forse è colei, perché tropp’ama chi deve amar? OTTONE Was höre ich! Was sagst du? Ist sie laster haft, weil sie den Mann, den sie lieben soll, vielleicht allzu sehr liebt? Decio Anzi, perché dimostra tropp’amar chi non deve. DECIO Vielmehr scheint es, dass sie allzu sehr liebt, wen sie nicht lieben soll. Ottone E chi fia questi? OTTONE Und wer wäre das? Decio Chi, ridir non saprei, che folto è pure quello stuol d’amatori, a cui ben spesso vezzi, sguardi e parole, non dovute al suo onor, comparte e dona. DECIO Wer? Das kann ich nicht sagen, denn groß ist die Schar ihrer Liebhaber, mit denen sie ständig Gunst, Blicke und Worte wechselt, die mit ihrer Ehre unvereinbar sind. Ottone Dunque che far degg’io perché rimanga del torto mio, dell’error suo ben chiaro? OTTONE Was muss ich also tun, um ganz sicher zu sein, dass mir Unrecht geschieht und sie schuldig ist? Decio Da cauto invigilar su l’opre sue. DECIO Ihr Benehmen insgeheim beobachten. Ottone Decio, tu mi confondi e’l mio riposo sento in me già turbato, più che l’onda di mar per vento irato. OTTONE Decio, du verwirrst mich, ich fühle, dass meine Seele unruhiger ist als des Meeres Wellen, vom wütenden Wind gepeitscht. 51 ~ Libretto ~ ARIA ARIE Ottone Come l’onda con voragine orrenda e profonda agitata dà venti, e procelle, fremendo, stridendo, là nel seno del mare sen va; così il core assalito da fiero timore, turbato, agitato, sospira, s’aggira e geloso ritrovar più riposo non sa. Come l’onda ... OTTONE Wie sich die Welle mit ihrem furchtbaren, tiefen Schlund, aufgewühlt von Wind und Sturm, tobend, brüllend in die Arme des Meeres wirft. So ist auch mein Herz von wilder Furcht erfasst, aufgewühlt, erregt, seufzt, windet sich, von Eifersucht gepackt und weiß nicht, wie es Ruhe finden kann. Wie sich die Welle … SCENA II Decio, e poi Caio 2. Szene Decio, später Caio Decio A Cesare tradito io dir non volli che Caio è il suo rivale. Bastino i miei ricordi acciò più cauto i mancamenti ei veda, che tant’è il mio dover. Caio qui giunge. DECIO Ich wollte dem betrogenen Cäsar nicht sagen, dass Caio sein Nebenbuhler ist; meine Mahnung sollte genügen, dass er ihre Fehler genauer betrachtet, das war wenigs tens meine Pflicht. Hier kommt Caio. Caio Decio, qual duol funesto del nostr’Imperator contrista il volto? CAIO Decio, welch schwere Sorge verdunkelt das Gesicht unseres Herrschers? Decio Perché tanto mi chiedi! DECIO Wie kannst du mich das fragen! Caio In questo istante molto turbato il vidi, e tu, che sei al suo fianco ad ognor, l’alta cagione ben ridirmi potrai. CAIO Soeben sah ich ihn in großer Gemütserre gung; und du, der du stets an seiner Seite bist, kannst mir gewiss den Grund sagen. Decio Il tuo desio pago render non posso. DECIO Deinem Wunsch kann ich nicht nachkommen. 52 Caio E perché mai? CAIO Warum denn nicht? Decio Perché la fé, l’onor tanto richiede. DECIO Weil Treue und Ehre es befehlen. Caio Anch’io servo fedel di Ottone sono. CAIO Auch ich bin Ottones treuer Gefolgsmann. Decio Caio, troppo ti vanti; quel che sol posso dirti, ne di renderlo chiaro io son pentito … DECIO Caio, du überschätzt dich: Nur das kann ich dir sagen, und es reut mich nicht, es aus zusprechen... Caio E che dirai d’Otton? CAIO Was kannst du mir über Ottone sagen? Decio Egl’è tradito. DECIO Er wird betrogen. ARIA ARIE Decio Che giova il trono al Ré se poi non trova fé, nè suoi vassalli? Ch’un trionfante allor, perde il suo gran splendor, per l’altrui falli. Che giova … DECIO Was taugt dem König sein Thron, wenn er seinen Diener nicht vertrauen kann? Selbst der Lorbeerkranz des Siegers büßt seinen Glanz ein durch das Vergehen der anderen. Was taugt … SCENA III Caio pensieroso s’asside sopra un poggio, e Tullia creduta Ostilio che giunge per ascoltar cosa dice, nascondendosi dietro lo speco, rispondendogli come fosse un’eco, senza ch’egli se n’accorga. 3. Szene Caio sitzt auf einer Bank, in Gedanken ver sunken. Tullia, vermeintlich Ostilio, nähert sich, um ihn zu belauschen; sie verbirgt sich in der Höhle und antwortet ihm wie ein Echo, ohne von ihm wahrgenommen zu werden. Caio Parli Decio che vuol, ch’a me non cale udir ciò che favella. Io qui m’assido non per cer car riposo, ma sol per favellar col mio dolore. CAIO Decio mag sagen, was er will, ich brauche ihn nicht anzuhören; ich will hier sitzen, nicht, um Ruhe zu finden, sondern um mein Geschick zu beklagen. 53 ~ Libretto ~ Tullia Pena, smania t’adira, o traditore! TULLIA Schmach und Verderben über dich, Verräter! Tullia Dal dolor mio. TULLIA Aus meinen Schmerzen. Caio Qual dal collo vicin voce rimbomba e traditor mi chiama? CAIO Welch eine Stimme hallt von jener Höhe, die mich Verräter nennt? Tullia Quella che abbandonata anche pur t’ama. TULLIA Die du verließest und die dich noch liebt. Caio Ah, che dal dolor mio nascon le voci; perciò parmi sentir ciò che non sento. La crudel gelosia già di sensi mi priva; sogno, vaneg gio, e quale orror m’ingombra? Io disperar mi sento. CAIO Ach, aus meinem Kummer entsteht diese Stimme und macht mich hören, was ich nicht höre. Die grausame Eifersucht raubt mir die Sinne. Ich träume, fantasiere und bin vom Grauen überwältigt. Ich höre meine eigene Verzweiflung. Caio Chi m’ama or dunque, un traditor m’appella!? CAIO Die mich noch liebt, will mich Verräter schelten!? Tullia Faccia la mia vendetta il tuo tormento. TULLIA Dein Schmerz ist meinem Rachedurst willkommen. Tullia Chi tu ingrato tradisti, or ti favella. TULLIA Die du betrogst, Undankbarer, mit Schwüren, die nichts gelten. Caio Or ti favella? E chi? Se a Tullia solo fui mancator di fede! CAIO Meineidig, ich? An wem? Tullia allein hab Treue ich versprochen! Caio L’ombre, l’aure e ancora il rio, eco fanno al dolor mio; se questi solo, o Dio, qui son presenti. CAIO Die Schatten nur, die Lüfte und der Fluss, sind nur ein Echo dessen, was ich leiden muss; kein andrer Mensch ist hier, ich bin alleine, oh Gott, mit meinem Kummer. Tullia Quella de’ torti suoi ragion ti chiede. TULLIA Sie fragt, warum du ihr den Eid gebrochen. Tullia Senti, senti. TULLIA Höre, höre. Caio Qual fantasma, qual’ ombra chiede ragion del tradimento mio? CAIO Welch Schatten, welch Gespenst fragt nach dem Grund, dass treulos ich erscheine? Tullia Uno spirto infelice, e quel son io. TULLIA Ein unglücklicher Geist, und der bin ich. Caio Senti, senti? Ahi quale orror , qual affanno, qual timor sento in me! Povera la mia fé, non merti per mercé tanti tormenti. CAIO Höre, höre? Au, welch Grauen, welche Angst, welche Furcht, höre ich in mir! Treu war ich Ärmster! Bald werde ich dem Gram erliegen, verdien‘ nicht dieses Schicksal. Caio E quel son io?! Chi sei? Deh ti disvela a un’alma fida, a un infelice amante. CAIO Und der bin ich? Wer bist du? Gib dich einer treuen Seele, einem unglücklichen Geliebten zu erkennen. Tullia Menti, menti! TULLIA Lügen, Lügen! Tullia Di pur d’un empio cor, d’un incostante. TULLIA Sag lieber, du hast das böse Herz eines Treulosen. SCENA IV Tullia creduta Ostilio sola 4. Szene Tullia allein Tullia Disperato è l’infido, e in vano io cerco di renderlo pentito del tradimento suo; ma gia che nulla di conforto m’avanza, resti nel suo dolor la mia speranza. TULLIA Der Treulose ist verzweifelt, vergebens versuche ich, in ihm Reue über seinen Verrat zu wecken; da ich aber keine Aussicht auf Trost habe, liegt meine Hoffnung in seinem Gram. Caio Incostante è colei, ch’ad altri dona quel ch’a me già dono. Ma donde, o Dio, esce si mesto suon? CAIO Treulos ist sie, die anderen jetzt schenkt, was sie einst mir gab. Doch woher, oh Gott, kommt dieser Trauerton? 54 55 ~ Libretto ~ ARIA ARIE Tullia Due tiranni ho nel mio core, l’uno è sdegno e l’altro è amor. TULLIA Zwei Tyrannen leben in meinem Herzen, der eine ist die Verachtung, der andere die Liebe. Der eine fordert mich zur Rache auf, der andere rät mir, zu warten, damit ich sehe, dass der Verräter seinen Fehler bereut. Zwei Tyrannen … L’un mi invita alla vendetta, l’altro poi mi dice aspetta, che pentito del suo errore mirerai quel traditor. Due tiranni … SCENA V Gabinetto boschereccio con tavolino per accomodarsi la testa. Cleonilla a sedere guar dandosi in specchio, e Caio che giunge. 5. Szene Verwandlung. Ein Gartenhäuschen mit einem Spiegeltisch. Cleonilla betrachtet sich im Spiegel, als Caio näher tritt. Cleonilla Felice è il volto mio, non perché freggia di vaghe gemme e fiori il fronte altero, ma per ché sol de’ cori de’ sventurati amanti orna il suo crine. CLEONILLA Mein Antlitz ist heiter; nicht, weil schöne Juwelen und Blumen meine noble Stirn schmücken, sondern weil die Herzen un glücklicher Freier ihre Locken zieren. Caio Infida, or gia che sola io qui ti veggo, dimmi qual fallo io feci, che del disprezzo tuo degno mi rendi?! Forse in me più non vedi … CAIO Treulose, nun, da ich dich alleine hier finde, sag mir, welches Verbrechen habe ich begangen, dass ich mir deine Verachtung zugezogen habe? Vielleicht erblickst du in mir nicht mehr ... Cleonilla Troppo ardito favelli, e troppo chiedi. CLEONILLA Deine Worte sind zu kühn und du verlangst zu viel. Caio Tanto m’imponi, oh Dio! CAIO Oh Gott, du verlangst zu viel! Cleonilla Tanto comando. CLEONILLA Das ist mein Befehl. Caio Ma già che ubbidienza io sol ti deggio, le mie giuste querele in questo foglio almen leggi, o crudele. CAIO Wenn ich dir nichts als Gehorsam schulde, so lies wenigstens meine gerechten Klagen in dieser Schrift, du Grausame. ARIA ARIE Caio Leggi almeno tiranna infedele, in un foglio rigato col pianto, la mia fede e la tua crudeltà. E se ancor mi sarai pur crudele, di costanza in me resti il gran vanto, e lo scorno in te sol d’empietà . Leggi … CAIO Lies wenigstens, treulose Tyrannin, in diesem Brief, von Tränen benetzt, von meiner Treue und deiner Grausamkeit. Und wenn du weiterhin so grausam bist, so möge man mich für meine Treue rühmen und dich für deine Verworfenheit verachten. Lies wenigstens … SCENA VI Cleonilla che legge, ed Ottone sopraggiunge togliendole il foglio 6. Szene Cleonilla liest; später Ottone Cleonilla Che mai scrisse qui Caio?! Il suo cordoglio nulla pietà mi reca; io leggo il foglio. CLEONILLA Was hat Caio da geschrieben? Sein Kummer erweckt kein Mitleid in mir; ich will den Brief lesen. Ottone Qual foglio è questo?! OTTONE Was ist das für ein Brief?! CLEONILLA Wie kann Cäsar es wagen, so abscheulich zu handeln? (Wenn ich jetzt nachgebe, bin ich verloren!) Lies, und dann berichtige nicht meinen Fehltritt, sondern deinen eigenen. OTTONE „Der unglückliche Caio grüßt seine Angebetete.“ Ist Caio dein Liebhaber? Caio Dunque in oblio ponesti … CAIO Also hast du vergessen ... Cleonilla Ancor non odi che ascoltarti non voglio? CLEONILLA Du begreifst noch immer nicht, dass ich dich nicht anhören will! Cleonilla E tanto, con un atto sì vil Cesare ardisce? (Perduta è l’alma mia se s’avvilisce!) Leggi, e poi non l’error mio, ma il tuo correggi. Caio E quello amore che un tempo a me portasti … CAIO Und die Liebe, die du einst für mich empfandest ... Ottone “Caio infelice a l’Idol suo salute.” Caio di te l’amante! Cleonilla Taci e parti ti dico, e tanto basti. CLEONILLA Schweig und geh, sag ich dir, das genügt. 56 57 ~ Libretto ~ Cleonilla Compisci il tutto e poi la risposta avrai. (Franco svegliati cor, quanto più sai.) CLEONILLA Lies den ganzen Brief, dann findest du die Antwort. (Sei auf der Hut, mein Herz, wie du nur kannst.) Ottone ( siegue) “Già che campo non ho del mio disprezzo chiederti la cagion, almen ti parli questo foglio per me: dimmi che feci, ch’abbandoni il mio amor per altro amante? Ma se pure il mio duol non può cangiarti, per non farmi sentir sì rio tormento, svenami almeno il core, e son contento.” Dunque infedel tu sei? OTTONE (liest weiter) „Da es mir nicht möglich ist, dich zu fragen, warum du mich verachtest, soll dieser Brief für mich sprechen. Sag mir, was habe ich getan, dass du meine Liebe zugunsten eines anderen abweisest? Da meine Schmerzen dich nicht umstimmen können, damit ich nicht diese furchtbare Qual erleide, durch bohre mir das Herz, dann bin ich glücklich.“ Also bist du mir untreu? Cleonilla Troppo indegno è il tuo labbro, se incontro all’amor mio così favella. CLEONILLA Deine Worte sind deiner unwürdig, da sie so an meiner Liebe zweifeln. Ottone Qual difesa puoi far? Parla, ch’io taccio. OTTONE Kannst du dich verteidigen? Sprich, ich will schweigen. Cleonilla (All’inganno, o mio cor.) Tiranno ascolta: tu sai le promesse, che Tullia un giorno diede d’esser consorte a Caio. CLEONILLA (Sei listig, mein Herz.) Höre Tyrann. Du weißt, dass Tullia einst versprach, Caio zum Mann zu nehmen. Ottone Io spesso intesi da sua bocca il racconto. OTTONE Aus seinem Mund vernahm ich oft diese Worte. Cleonilla Or sappi ancora ch’egli ben certo al fin, che ad altro amante ella ha donato il core, in questo foglio seco si lagna, ed in mia man lo diede, perché li scriva anch’io; acciò vedendo l’infida donna sua d’una tua favorita il gran comando, pentita del suo errore , per ubbi dirmi torni al primo amore. CLEONILLA So höre weiter. Als er sicher war, dass sie einem anderen ihr Herz geschenkt hatte, klagte er in diesem Brief und gab ihn mir, dass auch ich ihr schriebe, damit die Treulose den hohen Befehl deiner Favoritin vernehme, ihr Vergehen bereue und mir gehorche, indem sie zu ihrer ersten Liebe zurückkehre. Ottone Se tanto è ver, mio bene, perdon ti chieggo. OTTONE Wenn es so ist, Geliebte, so bitte ich dich um Vergebung. 58 Cleonilla Ah, che nol merti ingrato. (Già nel teso mio laccio egl’è inciampato!) CLEONILLA Undankbarer, du verdienst sie nicht. (Er ist mir in die Falle gegangen!) Ottone La gelosia … OTTONE Die Eifersucht ... Cleonilla Che gelosia?! Ma ferma: per farti più palese il tuo gran fallo, ecco il foglio già scrivo. Io tel consegno, e di renderlo a lui fia tuo l’impegno. Si pone a scrivere Cleonilla, ma prima canta aria. CLEONILLA Eifersucht?! Doch warte: Um dir deinen Fehler noch deutlicher zu machen, will ich ihm gleich schreiben, dir den Brief geben und dir auftragen, ihn zuzustellen. Sie beginnt zu schreiben, doch zuerst singt sie die Arie. ARIA ARIE Cleonilla Tu vedrai s’io ti mancai, s’io per te sono infedel; e dirai con tuo rossore che sei tu l’ingannatore, io l’amante, io la fedel. Tu vedrai ... CLEONILLA Du sollst sehen, ob ich mich vergangen habe, ob ich dir untreu war. Und musst errötend gestehen, dass du der Betrüger bist, und ich die Liebende, die Treue. Du sollst sehen … SCENA VII Decio, ed Ottone 7. Szene Decio und Ottone Ottone Ah Decio, i tuoi ricordi troppo mi fer geloso. OTTONE Ach Decio, dein Bericht hat mich allzu eifersüchtig gemacht. Decio Ciò che mal può recarti? DECIO Wieso hat dir das geschadet? Ottone Il creder cose che a me dan scorno e a Cleo nilla offesa. OTTONE Er machte mich Dinge glauben, die mich beschämen und Cleonilla beleidigen. Decio Eh signor … DECIO Nun, Herr ... Ottone Mio fedele, pria che d’altro mi parli, a me ne venga tosto qui Caio. OTTONE Mein Freund, ehe du weitersprichst, lass Caio sofort zu mir herkommen. 59 ~ Libretto ~ Decio Il tuo gran cenno adempio (Otton per troppo amor reso è già scempio). DECIO Ich gehorche deinem hohen Befehl. (Ottone ist aus lauter Liebe töricht geworden.) Caio Io mi confondo. (Se scoperto è il mio amor, dove m’ascondo?) CAIO Ich bin verwirrt. (Wenn er über meine Liebe weiß, wo kann ich mich verbergen?) ARIA ARIE Decio Ben tal’or favella il Cielo, con il cor d’un buon vassallo a favor d’un alto Re. Ma per opra dell’Inferno spesso frode appare il zelo e si sprezza una gran fé. Ben tal’or ... DECIO Bisweilen spricht der Himmel aus dem Herzen eines treuen Vasallen, einem mächtigen König zum Nutzen. Doch das Werk der Hölle lässt oft den Eifer als Betrug erscheinen, und ergebene Treue wird missachtet. Bisweilen … Ottone Sai che Cesare sono, benché tu poco stimi il mio gran poter. OTTONE Du weißt, dass ich Cäsar bin, obwohl du meine Macht gering schätzest. Caio Favella, o sire. (Il rimorso crudel mi fa morire.) CAIO Sprich, Herr. (Die Reue bringt mir den Tod.) Ottone Leggi, questo è il tuo foglio? OTTONE Lies, ist das dein Brief? SCENA VIII Ottone con le due lettere in mano leggendo quella di Cleonilla, e poi Caio 8. Szene Ottone, beide Briefe in Händen, liest jenen Cleonillas; später Caio Caio (Cieli, Dei son perduto!) CAIO (Himmel, ich bin verloren!) Ottone Il tuo rossore già convinto ti rende. OTTONE Du errötest, das beweist es. Ottone Oh! Qual error fec’io, la mia bella fedel cre dere infida: Leggasi ciò che scrive. (Ottone legge. Lettera di Cleonilla, finta a Tullia.) “Di Cesare l’amata a Tullia scrive. Caio di te si lagna; e un mio comando vuol che a suo pro qual nostro servo adopri perché l’antico amor tu non offendi. Pensa, che tu morrai, se non m’intendi.” OTTONE Ach, wie habe ich mich getäuscht, dass ich meine Geliebte für untreu hielt! Ich will lesen, was sie schreibt. (Ottone liest den Brief von Cleonilla an Tullia.) „Cäsars Geliebte an Tullia. Caio beschwert sich über dich; und ich befehle dir, ihm, der unser Diener ist, deine Gunst zu erweisen, um die Liebe, die schon lange besteht, nicht zu kränken: Gedenke, dass du stirbst, wenn du mich nicht verstehst.“ Caio (Oh che dolore!) CAIO (O welch ein Schmerz!) Ottone Parla: tu non rispondi? OTTONE Sprich: du antwortest nicht! Caio (Ah mio destino! A perdere il respiro io son vicino.) CAIO (Mein Schicksal ist besiegelt! Ich kann kaum atmen!) Caio Cesare al tuo comando ecco qui sono. CAIO Cäsar, auf deinen Befehl bin ich zur Stelle. Ottone Molto lagnar di te mi deggio, o Caio! OTTONE Ich muss dich scharf rügen, Caio! Ottone Non è fuor di ragione il tuo spavento, men tre a Cleonilla chiedi quell’aita al tuo amor, ch’al tuo Regnante chieder solo dovresti. Ma il perdon pur vo darti: eccoti il foglio ch’ella per compiacerti a Tullia scrive, contento sei? OTTONE Mit gutem Grund bist du angsterfüllt; denn du hast Cleonilla gebeten, dir in deiner Liebschaft beizustehen, was du allein von deinem Herrscher erbitten solltest! Aber ich will dir verzeihen. Hier ist der Brief, den sie dir zuliebe an Tullia schrieb. Bist du zufrieden? Caio Signor che mai ti feci?! CAIO Herr, was habe ich getan? Caio Signor pur troppo. CAIO Herr, überglücklich. Ottone Ciò che tu non dovevi OTTONE Was du nicht hättest tun dürfen. Ottone Sol però ti ricorda che Cesrae qui regna, e allor che d’uopo hai di real favor, me sol richiedi, già che dell’amor mio le prove or vedi. OTTONE Das eine vergiss nicht, dass Cäsar hier herrscht; brauchst du Gunst von Herrscher hand, so frage keinen anderen, daran erkenne nun, dass ich dich liebe. 60 61 ~ Libretto ~ ARIA ARIE ARIA ARIE Ottone Compatisco il tuo fiero tormento e ne sento dolore e pietà. Il mio core che sa che sia amore sempre teco clemenza userà. Compatisco ... OTTONE Deinen großen Kummer fühle ich mit, ich empfinde Schmerz und Mitleid. Mein Herz, das auch die Liebe kennt, wird immer Nachsicht mit dir haben. Deinen großen Kummer … Tullia Misero spirto mio, spirami sol vendetta, più non parlar d’amor. Ma come posso, o Dio, spuntar la mia saetta, se adoro il traditore? Misero spirto ... TULLIA Unglückliche Seele, reize mich nur zur Rache auf, sprich mir nicht mehr von Liebe. Doch wie kann ich, oh Gott, die Spitze des Pfeils abbrechen, da ich den, der ihn abschoss, so innig liebe? Unglückliche Seele … FINE DELL’ATTO SECONDO ENDE DES ZWEITEN AKTS SCENA IX Caio 9. Szene Caio AT TO TERZO DRIT TER AKT Caio Quanto Cleonilla è scaltra; ella fu colta forse in leggendo il foglio mio, nel punto ch’ella al certo pentita era del mio dolor; ma pure al fine al rimedio pensò. Con trama industre fin messaggier mi fé l’istesso Augusto del suo pronto pensiero; Io che l’intesi scosso da grave affanno Campai dal rischio; oh fortunato inganno! CAIO Wie schlau Cleonilla ist! Sie wurde wohl ertappt, als sie meinen Brief las; vielleicht gerade, da sie Reue empfand über meinen Kummer. Trotzdem fiel ihr eine Ausrede ein; wohl berechnet, bewegte sie Cäsar selbst, die Nachricht mir zu bringen, die sie eilig erdachte: Ich, der meinte, er sei über das schwere Vergehen erbost, entkam der Gefahr; welch glücklicher Betrug! SCENA I Solitario passeggio con lochi nascosti di frondosi ritiri. Ottone, e Decio 1. Szene Ein einsamer Spazierweg mit dicht belaubten Nischen. Ottone und Decio Decio Signor … DECIO Herr ... Ottone Lasciami in pace; e se parlar mi vuoi, del caro ben sol parla … OTTONE Lass mich in Frieden; wenn du mit mir sprechen willst, so sprich nur von meiner Geliebten. SCENA X Tullia sola 10. Szene Tullia allein Decio Almen rifletti a la tua salvezza, ed al periglio tuo. Roma … DECIO So bedenke wenigstens deine Sicherheit und deine eigene Gefahr ... Tullia Ah che non vuol sentirmi il Traditore. Per fidissime stelle, quando del mio dolor sazie sarete!? Ancor voi contendete un picciol sfogo alle sventure mie. Che far deggio, che mi consigli Amore? deh per pietà dell’aspra mia ferita, o sanami la piaga, o dammi aita. TULLIA Ach, der Treulose will mich nicht anhören. Heimtückische Sterne! Wann gebt ihr euch mit meinen Leiden zufrieden? Verweigert ihr noch immer meinem Missgeschick eine kleine Linderung? Was soll ich tun, was rätst du mir, Liebe? Ach, aus Mitleid für mein durchbohrtes Herz, heil meine Wunde oder komm mir zu Hilfe. Ottone Roma che può? OTTONE Was vermag Rom? Decio Con sue congiure, toglierti vita, e impero. DECIO Mit seinen Verschwörungen dir das Leben und Reich zu rauben. Ottone Vil pur sarei, se un tal timor provassi. OTTONE Wenn mich das schreckte, wäre ich ein Feigling. 62 63 ~ Libretto ~ Decio Ah che viltà non è, rimedio imporre al precipizio tuo: nel labbro mio l’alta fé parla sol d’un buon vassallo. DECIO Nein, es ist nicht feig, gegen deinen Unter gang Vorsorge zu treffen: aus meinem Mund spricht nur die Ergebenheit eines treuen Dieners. Ottone Decio, se vuoi piacermi lasciami in pace, io parto per vedere il mio bene. OTTONE Decio, willst du mir gefällig sein, so lass mich in Frieden. Ich will fort, um meine Geliebte zu sehen. Decio Ah che fabbro tu sei de le tue pene. DECIO Du gräbst dir selbst dein Grab. ARIA ARIE Ottone Tutto sprezzo, e trono, e impero, pur ch’io provi il bel contento, di goder sol del mio ben. Tu che intendi il mio pensiero Non cercar con vil tormento, di turbare il mio seren. Tutto … OTTONE Ich verschmähe alles, den Thron, das Reich, so lange mir nur vergönnt ist, mit meiner Geliebten glücklich zu sein. Du, der du meinen Sinn kennst, trachte nicht mit feigen Sorgen meine Zufriedenheit zu stören. Ich verschmähe alles, ... SCENA II Decio solo 2. Szene Decio allein Decio Già di Ottone preveggo l’imminente caduta: ei più non ode, o vede i fidi avisi miei, né il gran periglio. Un infida sua donna stolido, e cieco il rende: ah se potessi fargli chiaro vedere il suo gran scorno, forse in se stesso un dì farìa ritorno: ma in questo ascoso loco Caio, con l’infedele, il piè rivolge! Cesare io vò avisar, che forse io spero; far che dell’onta sua pur vegga il vero. DECIO Ich sehe schon, dass Ottone sich bald ins Verderben stürzt; er hört oder sieht nicht mehr meinen guten Rat oder seine große Gefahr: Das falsche Weib, das er sein nennt, macht ihn dumm und blind: Ach, könnte ich ihm nur seine schandbare Lage klar machen, käme er vielleicht eines Tages zur Einsicht. Doch Caio kommt mit der Treulosen hierher, an diesen versteckten Ort! Das will ich Cäsar melden; dann sieht er hoffentlich, wie es um seine Schande steht. 64 ARIA ARIE Decio L’essere amante colpa non è, ma in un regnante si fà difetto si fa viltà. Che un regio core Tal più non è, se d’empio Amore servo si fa. L’essere … DECIO Ein Liebhaber zu sein, ist kein Vergehen, doch für einen Herrscher ist es ein Fehler, ist es eine Schwäche. Eines Königs Herz ist nicht mehr königlich, wenn es Sklave einer unzüchtigen Liebe ist. Ein Liebhaber zu sein … SCENA III Cleonilla e Caio 3. Szene Cleonilla und Caio Cleonilla Cerchi in van ch’io t’ascolti CLEONILLA Vergebens flehst du um Gehör. Caio Dimmi almen la cagion del tuo rigore. CAIO Sag mir wenigstens, warum du so grausam bist. Cleonilla Il passato periglio forse non bene ancora, saldò la tua ferita? CLEONILLA Hat die überstandene Gefahr noch immer nicht deine Wunde geheilt? Caio Anzi l’accrebbe più assai col fiero stral di Gelosia. CAIO Im Gegenteil, sie schmerzt noch mehr, vom Pfeil der Eifersucht durchbohrt. Cleonilla Se la tua non guarì, saldò la mia. CLEONILLA Bist du auch nicht geheilt, ich bin es. ARIA ARIE Cleonilla No, per te non ho più amor, ti basti sol così. Piangi nel tuo dolor, che la pietà del cor, per te sparì. No, per te … CLEONILLA Nein, ich liebe dich nicht mehr, nein, das muss dir genügen, Beklage deine Schmerzen, doch aus meinem Herzen ist das Mitleid für dich entflohen. Nein, ich liebe dich nicht mehr …. 65 ~ Libretto ~ SCENA IV Tullia creduta Ostilio, Cleonilla e Caio 4. Szene Tullia, vermeintlich Ostilio, Cleonilla und Caio Tullia Cleonilla. TULLIA Cleonilla. Caio (O che dolore!) CAIO (Ach, wie entsetzlich!) Cleonilla Ostilio, appunto desiava il mio cor di rivederti. CLEONILLA Ostilio, soeben wünschte ich mir aus ganzem Herzen, dich wiederzusehen. Tullia Al tuo cenno qui sono. TULLIA Deinem Befehl folgend bin ich hier. Caio (Io già son morto.) CAIO (Ich vergehe!) Tullia (in segreto a Cleonilla) Non mancarmi di fé. TULLIA (heimlich zu Cleonilla) Werde mir nicht untreu! Caio (accostandosi a Cleonilla) Vorrei parlarti! CAIO (tritt zu Cleonilla) Ich muss mit dir sprechen! Cleonilla (a parte, a Tullia) Non dubbitar, mio ben. (a Caio) Tu taci, e parti. CLEONILLA (beiseite zu Tullia) Hege keinen Zweifel, Liebster. (zu Caio) Schweig, und geh fort. Caio Pria ch’ubbidisca; ascolta … CAIO Ehe ich dir gehorche, höre mich an ... Tullia (a parte a Cleonilla) Non l’ascoltar se m’ami. TULLIA (beiseite zu Cleonilla) Wenn du mich liebst, hör ihn nicht an! Caio (a Cleonilla che non vuol sentirlo) Io vò pur dirti … CAIO (zu Cleonilla, die ihn nicht anhören will) Ich will dir doch sagen ... Cleonilla (a Tullia) Fida sarò per te. (a Caio) Non posso udirti. CLEONILLA (zu Tullia) Ich bleibe dir treu! (zu Caio) Ich kann dich nicht anhören. 66 Tullia (a Cleonilla) Se parlar mi dovevi, io qui t’attendo. TULLIA (zu Cleonilla) Wenn du mit mir reden willst, warte ich hier. Caio (a parte a Cleonilla) Donami pria ch’io parta un picciol sfogo. CAIO (beiseite zu Cleonilla) Ehe ich fortgehe, lass mir einen Hoffnungsschimmer. Ceonilla (a Caio) Ubbidienza io voglio. (a Tullia) Aspetta un poco. CLEONILLA (zu Caio) Ich verlange Gehorsam. (zu Tullia) Warte einen Augenblick. Tullia (a Cleonilla) Quanto cara mi sei! TULLIA (zu Cleonilla) Wie teuer bist du mir! Caio (a Cleonilla) Quanto spietato hai il cor! CAIO (zu Cleonilla) Wie herzlos bist du! Cleonilla (a Caio) Parti, non più! (a Tullia) Labbro adorato! CLEONILLA (zu Caio) Geh fort; es ist genug! (zu Tullia) Geliebte Lippen! Caio Parto già che lo vuoi (Ma qui m’ascondo: tanto mi detta in sen la Gelosia per più chiaro veder la morte mia.) CAIO Ich gehe, weil du es so willst. (Doch ich will mich hier verbergen, wie es die Eifersucht in meiner Brust gebietet, um mei nen Tod noch deutlicher wahrzunehmen.) ARIA ARIE Caio Guarda in quest’occhi, e senti Ciò che ti dice il labro, ciò che ti parla amor. Sol guardai i miei tormenti, e poi con un sospir, consola il mio dolor. Guarda … CAIO Sieh in meine Augen und höre, was dir diese Lippen sagen, was die Liebe zu dir spricht. Betrachte meine Qualen, und dann tröste meinen Schmerz mit einem Seufzer. Sieh in meine Augen … SCENA V Cleonilla e Tullia creduta Ostilio 5. Szene Cleonilla und Tullia, vermeintlich Ostilio Cleonilla Quant’ha di vago Amor nel suo gran regno, tutto negli occhi tuoi scolpito io veggo. CLEONILLA Alle Reize, über die Amor gebietet, finde ich in deinen Augen. 67 ~ Libretto ~ Tullia Ah mia diletta! Amore se nel mio volto e sul mio ciglio il miri, il perché tu non sai? TULLIA Ach, Geliebte! Wenn du die Liebe auf meinem Antlitz und meiner Stirn erblickst, verstehst du nicht, warum? Cleonilla Dimmelo, o caro, siedi qui meco alquanto. CLEONILLA Sag es mir, Teurer. Setze dich ein wenig her zu mir. Tullia Ah! Che se mai in atto tal veduto io fossi! TULLIA Ach! Wenn mich aber jemand dabei erblickte! Cleonilla Eh taci! CLEONILLA Ach, schweig still! Tullia Il negar d’ubbidirti temerario saria: ecco, m’assido. TULLIA Dir nicht zu gehorchen wäre vermessen; ich will mich setzen. Cleonilla Oh qual gioia a te presso io sento in seno CLEONILLA Welches Glücksgefühl, dir nahe zu sein! Tullia Da sì eccelso favor resto confusa. (Quanto nel suo pensier resta delusa.) TULLIA Diese hohe Gunst verwirrt mich. (Wie groß ist ihre Täuschung!) ARIA ARIE Tullia Che bel contento, io sento, or ch’il tuo braccio con dolce laccio mi stringe al seno, mio dolce amore. (Tu prendi errore.) Non così lieta, la navicella, da ria procella, campando al fine, per suo conforto, giunge nel porto, senza timor; come il mio cor, nel tuo bel petto or ch’è ristretto, gioisce, e brilla, TULLIA Welch süße Freude empfinde ich, da dein Arm mit zarter Schlinge mich an deinen Busen drückt, meine holde Geliebte. (Du irrst dich sehr.) So froh ist nicht der kleine Kahn, der endlich dem Sturm entflieht und Zuflucht findend den Hafen erreicht, dem Schrecken entkommen, wie mein Herz, das eng umschlungen an deinem Herzen jubelt und strahlt, 68 d’amor sfavilla, né prova affanni. (Quanto t’inganni) Che bel contento … von Liebe entbrannt, aller Sorgen ledig. (Wie du dich täuschest!) Welch süße Freude … SCENA VI Caio nascosto, non potendo soffrire la fortuna del suo rivale, esce con stile a la mano per ammazzar Tullia. 6. Szene Der verborgene Caio, der den Erfolg seines Neben buhlers nicht ertragen kann, kommt mit dem Dolch in der Hand hervor, um „Ostilio“ zu töten. Caio (Più soffrir non poss’io: in questo punto ven dichi un gran furore Ottone assiendo, e’l mio tradito amore!) Mori spergiuro indegno! CAIO (Ich ertrage es nicht länger: in einem Augen blick rasender Wut will ich gleichzeitig den Verrat an Ottones und meiner Liebe rächen!) Stirb, elender Wortbrüchiger! Cleonilla Ah scellerato, tanto cieco t’avanzi, ove miri il mio volto! CLEONILLA Ha, Schurke! Solch blinde Wut wagst du in meiner Gegenwart zu zeigen? Caio Di Cesare schernito vendicar ben deg’io l’offeso amore. CAIO Da Cäsar betrogen ist, muss ich den Verrat an seiner Liebe rächen. Tullia Svenami, non te’l vieto, ingannatore! TULLIA Töte mich, Treuloser, ich wehre mich nicht. Caio Contento io ti farò. CAIO Ich will deinem Wunsch nachkommen. Cleonilla Guardie, soccorso! Uccidete un sleal che tanto ardisce. CLEONILLA Wächter, zu Hilfe! Tötet den schamlosen Verräter! Tullia Ingrato, il ferro tuo non m’avilisce. TULLIA Undankbarer, dein Dolch schreckt mich nicht. SCENA ULTIMA Ottone e Decio sopraggiungono al romore. LETZTE Szene Ottone und Decio, die den Lärm gehört haben, treten hinzu. Ottone Caio infierito; e che mai tenta, o Dei! OTTONE Caio ist in Wut; Oh Gott, was tut er? 69 ~ Libretto ~ Decio Così offeso Signor dunque tu sei! DECIO So ist dir doch Unrecht widerfahren, Herr! Caio D’ubbidienza è l’alma al fin ripiena. CAIO Meine Seele ist zu gehorchen bereit. Cleonilla Cesare io vuo’ vendetta; tentò l’indegno … CLEONILLA Cäsar, ich fordere Rache: Dieser Elende trachtete... Tullia Prima Augusto m’ascolti, e poi contenta io morirò. TULLIA Cäsar, erst höre mich an, dann will ich gerne sterben. Caio Ah Cesare, me prima ascolta: io qui ne venni chiamato sol da la mia fé, che volle vendica re il tuo affronto. CAIO Nun, Cäsar, erst höre mich an: nur aus Treue zu dir kam ich hierher, um das Unrecht, das dir widerfahren ist, zu rächen. Ottone Ti ferma. Sentir vo’ sue discolpe, e poi che mora. OTTONE Halt ein! Ich will seine Ausflüchte hören, dann soll er sterben. Cleonilla Io saprò dirti l’infamie del suo cor. CLEONILLA Ich kann dich aufklären über sein sünd haftes Herz. Cleonilla (Di scusar l’error mio pur spero ancora.) CLEONILLA (Ich hoffe noch immer, mich herauszu reden!) Caio Signor, t’en priego: prima sentir da me l’in giurie tue. CAIO Herr, ich bitte dich, erst höre aus meinem Mund, wie du gekränkt wurdest. Ottone Parla: che sarà mai?! OTTONE Sprich: was geht hier vor? Caio Cleonilla l’infedele in questo istante amo reggiar l’indegno Ostilio io vidi: quante carezze, e quante … Ah! che infida ella è pur; perciò tentai per tuo onor, per mia gloria, svenargli al pié d’avante il suo vago garzone. CAIO Soeben sah ich, wie die treulose Cleonilla den elenden Ostilio liebkoste: Wie viele Zärtlichkeiten und wie viele... Ach! Sie ist wahrlich untreu; deswegen wollte ich, deiner Ehre und meines guten Namens willen, den hübschen Knaben vor ihr aufschlitzen. Tullia O di Roma, o del mondo invitto duce e regnator sovrano, non è colpa in Cleonilla. Io nel mio seno serbo di fede sol l’alto splendore, e Caio è sol l’infido, il traditore. Ah, Cesare qui vedi qual uom accarezzò l’amante tua. Io sono un’infelice che un traditor crudele sieguo, che mi lasciò. Da te pretendo che vendicato il torto mio pur sia: vedi se sol pietà merto, e perdono, già che Ostilio non più, ma Tullia io sono. TULLIA Unbesiegter Herr und Herrscher über Rom und die ganze Welt: Cleonilla ist unschuldig: Ich trage im Herzen nur die hehre Flamme der Treue: allein Caio ist der Untreue, der Verräter. Ach Cäsar, hier siehst du, welch ein Mann es war, den deine Geliebte umarmte. Ich bin eine Unglückliche, ich liebte einen grausamen Betrüger, der mich verließ; von dir fordere ich Rache für das erlittene Un recht. Sieh, ob ich nicht Mitleid und Gnade verdiene, da ich nicht mehr Ostilio, sondern Tullia bin. Ottone Qual stravaganza è questa? OTTONE Welch Schelmenstreich ist dies? Ottone Immobil sono! OTTONE Ich erstarre! Caio O Ciel che veggo! CAIO O Himmel, was muss ich sehen? Decio (O quanto vil di Roma è fatto il trono!) DECIO (Ach, wie tief ist Roms Thron gesunken!) Decio O quanto impensato è il destin DECIO Wie überraschend ist doch das Schicksal! Cleonilla (All’arti, all’ire, al pianto.) Ah mio diletto … CLEONILLA (Nun tun Künste, Zorn und Tränen not.) Ach, Geliebter ... Cleonilla (Propizia sorte, al mio scampo fedel apre le porte.) CLEONILLA (Ein freundliches Geschick hat mir einen Ausweg gezeigt!) Ottone Taci, crudel, t’ascondi: e adempi, o Caio, la tua grand’opra, e i’infdel qui svena. OTTONE Schweig, Grausame, aus meinen Augen; und du, Caio, vollende dein Werk und töte den Treulosen. Ottone Dunque, se Tullia sei, t’alza, e di Caio con sorte io vò che sii; e se pria ti stimò forse OTTONE Nun, da du Tullia bist, steh auf; ich wünsche, dass du Caio zum Mann nimmst, der, 70 71 ~ Libretto ~ infedele or conosca il suo error. Ma come o donna nulla ridir che in vil manto ascosta Tullia si stava. zweifelte er auch einst an deiner Treue, nun seinen Irrtum einsieht: doch wie kam es, dass du, Herrin, nicht sagtest, dass sich Tullia in Männerkleidung verbarg? Cleonilla Intanto l’accarezzai, la stinsi sol perché donna ell’era. (A miglior vita già l’error mio mi fa tornar pentita.) CLEONILLA Als ich sie küsste und umarmte, tat ich es, weil sie eine Frau war. (Jetzt sehe ich, dass ich gefehlt habe, und will mich bessern.) Ottone Dunque perdona, o cara, al doppio error con cui t’offesi, e cerco perdon di quanto oprai. OTTONE So vergib mir, Liebste, das zweifache Missverständnis; ich bitte dich um Verzeihung dafür. Cleonilla Ah se cangio pensier tu ben vedrai. CLEONILLA Nun, wenn ich meinen Sinn ändere, wirst du es sehen. Decio O strano evento, o inopinato giorno. DECIO Welch sonderbares Ereignis, welch seltsamer Tag! Caio Cara t’abbraccio, ed in oblio riponi delle mancanze mie l’aspra memoria. CAIO Liebste, ich umarme dich, lass meinen Fehltritt in Vergessenheit geraten! Tullia Basti sol che di fé abbia la gloria. TULLIA Es genügt, dass die Treue gesiegt hat. Tutti Grande è il contento, che prova un core, se dal tormento nasce il piacer. Dopo il furore di ria procella sembra più bella la calma al nocchier. alle Wie groß ist die Freude, die ein Herz empfindet, wenn sich der Kummer in Glück verwandelt. Nach dem Toben des wütenden Sturmes erscheint dem Schiffer die Stille noch schöner. FINE DELL’OPERA ENDE DER OPER 72 73 Impressum Herausgeber und Veranstalter: Innsbrucker Festwochen der Alten Musik GmbH, Geschäftsführung/Managing Director: Christa Redik, Historisches Rathaus der Stadt Innsbruck, Herzog Friedrich Straße 21/1, 6020 Innsbruck, Österreich, T: +43(0)512571032, F: +43(0)512563142, [email protected]. Redaktion: Rainer Lepuschitz; Redaktionelle Mitarbeit: Claudia Zoller, Andrea Erhard, Evelyn Kubik; Originalbeiträge unter liegen dem © Festwochen/AutorIn; Übersetzungen aus dem Italienischen: Veronika Abermann; Werbung: Mag. 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