Die Mitteldeutsche Kolonialschau in Wien 1940
Exemplarische Darstellung einer Wanderausstellung im III.Reich
Arne Schöfert
1
Inhaltsverzeichnis
1.Einführung
2.Prolog im Jahr 1939
3.Die Wanderausstellungen des Reichskolonialbundes
3.1 Exkurs „Auch hier liegt unser Lebensraum!“
4. Die Mitteldeutsche Kolonialschau
5.Struktur der Ausstellung in Wien mit „virtuellem Rundgang“
6.Ein Filmdokument: Die „Kolonial-Wochenschau“
7.Pressestimmen
8.Bewertung und Epilog
9. Quellen und Literatur
Bildquellen, Danksagung, Zitierweise
Anhang
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3
5
9
10
23
27
31
35
37
38
39
1. Einführung
Beim Rückblick auf die Dresdener Ausstellung 1939 fällt auf, daß die Vorgänge 1939/1940 in Dresden
und Wien miteinander verwoben sind. Einflüsse und gegenseitige Rückwirkungen werden deutlich und
können eigentlich nicht isoliert betrachtet werden. Insofern kann dieser Aufsatz als Ergänzung zum
Artikel über die Kolonialausstellung in Dresden 19391 betrachtet werden.
Ganz im Gegensatz zu Dresden 1939 existiert recht wenig Material zur Wiener Ausstellung. So finden
sich zum Beispiel ständig Ausstellungsführer zur Dresdener Ausstellung im Antiquariatshandel oder in
den Bibliotheken, zur Wiener Ausstellung fand ich nur einen einzigen in der Österreichischen Nationalbibliothek! In der Bildsammlung der DKG in Frankfurt ein noch extremeres Ungleichgewicht: Dutzende
Bilder aus Dresden, aber nicht eines aus Wien. Dresden-Souvenirs gibt es zu Hauf, an die Wiener
Besucher erinnern heute nur einige Anstecker oder wenige Postkarten mit Sonderstempeln. Auf der
Suche nach einer Erklärung kommt zuerst der Termin in den Sinn: Die Wiener Ausstellung fand bereits
mitten im Krieg statt. Die Masse der Männer war eingezogen und die Stimmung in der Bevölkerung
war nicht auf unterhaltsame Ausflüge eingestellt. So fand die
Ausstellung zwar wie angekündigt statt (schließlich wurde sie
schon 1939 einmal abgesagt) und hatte auch guten Zuspruch,
erscheint aber im Ergebnisvergleich mit Dresden eher als „Flop“.
In Wien waren ca. 60.000 Besucher, in Dresden 400.000. Doch
noch viel schlimmer war es bei anderen Kolonialausstellungen, so
zog es in Linz, immerhin einer Großstadt mit ca. 160.000
Einwohnern, grad mal 1558 Besucher in die Deutsche
Kolonialausstellung im Oktober 1940…2
1
2
„Das größte Projekt des Reichskolonialbundes: Die Kolonialausstellung Dresden 1939“ Arne Schöfert, 2010
Direktionsbericht des Landesmuseum Linz für 1940
2
2. Prolog im Jahr 1939
Bereits kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 dürften die
ersten Ideen für einen demonstrativen Auftritt des Reichskolonialbundes in der „Ostmark“
aufgekommen sein. Im neuen Terrain sollte mit einer Großveranstaltung „Flagge gezeigt“ werden, so
wurde Wien als Veranstaltungsort der kommenden Reichskolonialtagung auserkoren.
Nun muß vorausgeschickt werden, daß Österreich zu diesem Zeitpunkt keineswegs ein Vakuum
kolonialer Verbände war. Bereits 1924 gründete sich ein „Bund Deutscher Kolonialfreunde“, der sich
1927 als „Gau Österreich“ der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) anschloss. Nachdem sich der
Gauverband jedoch 1932 der NSDAP-Österreich unterstellte, wurde auch er vom Verbot
nationalsozialistischer Organisationen getroffen und in der Folgezeit von der Staatspolizei
beobachtet und kontrolliert. Viele Mitglieder verließen daraufhin den Verband, um gesellschaftliche
Nachteile zu vermeiden.3 Im Oktober 1938 wurde er dann, wie noch einige andere Vereine4, im
Reichskolonialbund gleichgeschaltet. Es finden sich auch diverse Österreicher unter den bekannten
Kolonialforschern, so wie Dr. Emil Holub oder den Entdecker des Rudolfsees, Ludwig von Höhnel und
unter den Siedlern in den deutschen Kolonien. Personen wie Robert Unterwels, ein Offizier unter
Lettow-Vorbeck in Deutschostafrika waren damals ein Begriff. Österreich war demnach 1938 also
keineswegs ein Land ohne koloniale Vergangenheit und Organisationen. Richtig ist jedoch auch, daß
aus der Sicht deutscher Kolonialagitatoren, die Akzeptanz und Verinnerlichung der deutschen
Kolonialgeschichte im breiten Volk der Ostmark durchaus förderungsbedürftig erschienen sein
dürfte.
Der Reichskolonialbund konnte dabei auf die Tatkraft der österreichischen Funktionäre bauen, die
großes Engagement zeigten. Neben der Reichskolonialtagung im Mai 1939 sollte eine große
Kolonialausstellung in Kooperation mit der Messe AG in 10 Hallen des Messepalastes Wien
stattfinden, um den „neuen Reichsbürgern“ ihre plötzlich hinzu gewonnene Kolonialvergangenheit
etwas näher zu bringen5. Die Planungen begannen bereits im Dezember 1938 6. Es lagen praktisch
fertige, detaillierte Ausführungspläne in der Schublade, als offenbar wurde, daß auch der starke
Dresdener Kreisverband für eine große Kolonialausstellung plante. Der Reichskolonialbund verfügte
zwar über genug Material, um mehrere kleine Kolonialausstellungen in der Provinz zu bestücken,
aber zwei große Ausstellungen in den geplanten Dimensionen übertrafen die Möglichkeiten. Zudem
hätten praktisch zeitgleich zwei konkurrierende Veranstaltungen stattgefunden, was dem Bild eines
einheitlichen Reichsgebietes zuwider gelaufen wäre.
Dieses Dilemma löste die RKB-Geschäftsführung auf, indem man den Dresdenern die Ausstellung
zusprach, da ja Wien schon die Reichskolonialtagung ausrichtete. Aber gleichzeitig eine genau
umgekehrte Regelung für 1940 in Aussicht stellte. Die Nachricht erschien in den Wiener Zeitungen
am 20.März, wenige Tage nachdem der Dresdener Stadtrat die Finanzierung der Kolonialausstellung
abgesegnet hatte und wird sicher die Planer in Wien erheblich frustriert haben. Einziger Trost könnte
nur die Aussicht auf eine weitere Großveranstaltung im kommenden Jahr gewesen sein. So
verschwanden die Entwürfe für die große Wiener Ausstellung erst einmal wieder in der Schublade,
man plante nur eine kleine Sonderausstellung „Ostmarkdeutsche als Forscher und Sammler“ im
Naturhistorischen Museum und konzentrierte sich ansonsten auf die Ausrichtung der
3
Festschrift zur Reichskolonialtagung 1939 „Wien und der deutsche Kolonialgedanke“ W. Rothhaupt. Nach
Oppenauer „Ausstellungen und Tagungen…“ findet sich im Vereinsregister eine abweichende Jahreszahl zur
Umbenennung in DKG-Gau Österreich: nicht 1927, sondern erst 1929.
4
Zum Beispiel der 1933 gegründete „Österreichische Kolonialverein“
5
„Ausstellungen und Tagungen mit kolonialem Hintergrund in Wien 1939/1940“ I. Oppenauer, Wien 2003
6
In den Direktionsakten des Völkerkundemuseums Wien ist ein Rundschreiben der RKB- Gauverbände Wien
und Niederdonau vom 10. 12. 1938, (D38/209b), worin zu einer Besprechung der Vorarbeiten zur Ausstellung
am 14. 12. 1938 eingeladen wird.
3
Reichskolonialtagung. Auf den Ablauf der Tagung soll hier nicht weiter eingegangen werden, sie
wurde jedoch ein großer Erfolg. Mit Unterstützung der KdF-Organisation brachten Sonderzüge
Tausende Besucher nach Wien. Bei öffentlichen Veranstaltungen wurden bis zu 60.000 Teilnehmer
gezählt7. Eine Vielzahl von Zeitungsberichten und Bildern zeugen vom Besucheransturm und vollen
Straßen mit uniformierten Marschkolonnen in der Stadt.
7
„Völkischer Beobachter“ (Wiener Ausgabe) Nr. 139/1939
4
3. Die Wanderausstellungen des Reichskolonialbundes
Bereits kurz nach der Gründung des (neuen) RKB im Mai 1936, mit der Gleichschaltung der
Kolonialorganisationen, plante man die bereits bestehenden Kolonialausstellungen in Eigenregie zu
übernehmen. Ziel war die Hoheit über alle Kolonialausstellungen zu bekommen, eine geordnete
Struktur aufzubauen und damit die Propagandawirkung zu optimieren. Was nicht schon im Besitz
einer im RKB aufgegangenen Organisation war, bemühte man sich aufzukaufen. Im Januar 1937
waren dem Ausstellungsdienst (Abteilung IV der Werbeabteilung) vier Wanderausstellungen
unterstellt: die Deutsche Kolonialausstellung, die Koloniale Wanderschau, die Mitteldeutsche
Kolonialausstellung und die Südwestdeutsche Kolonialausstellung8. Nach dem Ankauf der privaten
Ausstellung des Heideschullehrers H. Lotse aus Sülze (bei Hannover)9 im ersten Halbjahr 1937
sortierte man wieder um und kam zu einer dreiteiligen Gliederung, die im Prinzip bis zum Ende des
RKB beibehalten wurde.10 11 Exponate waren reichlich vorhanden und in der Folgezeit kam durch
regelmäßige Spendenaufrufe an die Mitglieder auch ständig neues Material hinzu.
• Die „Deutsche Kolonialausstellung“ war mit modernstem Material für Großstädte mit einer
Ausstellungsfläche bis zu 15.000 qm konzipiert. Durch Hinzuziehen einschlägiger Firmen,
Museen und Kolonialinstitute konnte dies noch erheblich erweitert werden. Als
Mitveranstalter sollten die Kommunen gewonnen werden. Nach Kriegsbeginn wurde das
Konzept verändert. Großprojekte waren nicht zeitgemäß und durchführbar, so verlegte
man sich auf die Durchführung kleinerer Wanderausstellungen.
• Die „Norddeutsche Kolonialschau“ (im wesentlichen aus der Lotse-Ausstellung
hervorgegangen), sollte durch Städte im nord- und westdeutschen Raum ab etwa 25.000
Einwohner touren. Ihre Ausstellungsfläche war auf ca. 700 qm ausgerichtet. Die Stationen
lagen meist nördlich einer Linie von Saarpfalz bis Brandenburg.
• Die „Mitteldeutsche Kolonialschau“ war für Orte von etwa 15.000 Einwohnern gedacht und
auf eine Ausstellungsfläche von ca. 500 qm ausgelegt. Ihre Ausstellungen begannen in den
Gauen Halle-Merseburg, Sachsen und Thüringen und reichten später bis ins Sudetenland
und die Ostmark(Österreich).
Die Spuren deuten darauf, daß die Bezeichnungen anscheinend entweder nicht konsequent
durchgehalten wurden oder daß es sich eher um „Arbeitstitel“ innerhalb der zuständigen Abteilung
des Reichskolonialbundes gehandelt hat, denn Spuren einer „Norddeutschen Kolonialschau“ finden
sich im Internet beispielsweise nirgends. Ebenso wird an einzelnen Ausstellungsorten der
Mitteldeutschen Kolonialschau auch einfach für die „Deutsche Kolonialausstellung“ geworben12. Die
Ausstellung in Linz im Oktober 1940 lief unter der Bezeichnung „Große Deutsche Kolonial-Schau“,
dahinter verbarg sich die reduzierte „Deutsche Kolonialausstellung“ und nicht, wie man vermuten
könnte, die „Mitteldeutsche Kolonialschau“, die grad drei Monate vorher in Wien war. 13
Bemerkenswert ist, daß der Reichskolonialbund aus seinem reichhaltigen Fundus die Möglichkeit
hatte, Material an andere Veranstalter auszuleihen (Schulen o. ä.) und trotzdem mehrere eigene
Ausstellungen gleichzeitig zu bestücken. Oftmals wurden die dann aus den örtlichen Natur- oder
Völkerkunde Museen mit zusätzlichen Leihgaben ergänzt. Der RKB hatte sogar eigene Mitarbeiter
8
„Aufbau der Werbeabteilungen des RKB“ Koloniale Kampf 2/1937
Ausführlicher Bericht über die Privatausstellung in „Koloniale Wanderschau“ Koloniale Kampf 6/1933
10
„Das Ausstellungswesen des Reichskolonialbundes“ Paul Bohn, Deutsche Kolonialzeitung 7/1939
11
Hanswerner Nachrodt: Der Reichskolonialbund. Schriften der Hochschule für Politik - Der organisatorische
Aufbau des Dritten Reiches, Heft 30, Berlin 1939.
12
So heißt sie beispielsweise in Wien noch „Mitteldeutsche Kolonialschau“, wird aber einige Tage später nach
dem Umzug in die Wiener Neustadt mit „Deutsche Kolonialausstellung“ auf dem Poststempel beworben.
13
„Der Koloniale Ausstellungsdienst“ Koloniale Kampf 5/1941
9
5
zur Fertigung von Dioramen und Schaubildern. Anfang der 40er Jahre unterhielt er neben den
Räumlichkeiten in der Bundesgeschäftsstelle zwei zusätzliche Lager für den umfangreichen
Materialbestand der Werbeabteilungen. Hier Bilder vom Kellerlager des Ausstellungsdienstes14.
Blick in den Fundus des RKB – Bilder, Plakate und Jagdtrophäen
Blick in den Fundus des RKB: Rohstoffgläser, Bilder und Schautafeln
14
Bildquelle: http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Default.htm
6
Auch die Ausstellungsführer belegen die wechselnde Titulierung. Die vorliegenden Exemplare deuten
darauf, daß es einen Standard-Ausstellungsführer für die Wanderausstellungen gab, der nur
gelegentlich ortsabhängig abgewandelt wurde. Eine Praktik, die übrigens schon früher, vom
„Ausschuss für deutsche Kolonialpropaganda“ ab 1918 so gehandhabt wurde. Dieser Standardführer
war ein sehr allgemein gehaltenes Heftchen als Ausstellungsbegleiter mit geschichtlichen Daten und
den politischen Forderungen des Reichskolonialbundes. Hinweise auf spezielle Ausstellungsstücke,
den Aufbau der Ausstellung oder den Ort sind nicht enthalten. Die Werbung ist von überregionalen
Unternehmen.
Die ortsabhängigen Varianten für einzelne Stationen der Wanderausstellung wurden aufgelegt, wenn
zusätzliche Aussteller oder Leihgaben die Standardausstellungen ergänzten oder wenn sich genügend
regionale Sponsoren für einen Sonderdruck fanden, die dort Werbeanzeigen schalteten. Diese
Exemplare unterschieden sich durch differenzierte Vorsätze, ggfl. Grußworte und natürlich die
regionale Werbung. Aber auch dies blieben in der Regel dünne Heftchen aus billigem Papier.
Eine ganz andere Qualität boten die aufwändigen Drucke zu Kolonialausstellungen in Großstädten,
die durch örtliche Institutionen ergänzt und unterstützt wurden. Hier gab es individualisierte Führer,
teils sogar im Farbdruck. Man kennt das zum Beispiel aus Köln, Stuttgart, Dresden oder Hamburg. Als
Bespiele dienen die Titelseiten der Mitteldeutschen Kolonialschau in Wien (Seite 25) und Linz
( Anhang, Seite 38)
7
Einheitsführer 1933
Einheitsführer nach 1936
Vorsatz aus Version oben links ohne Ort und Termin
Beispiel aus Eisenach, mit Ort und Termin
8
3.1 Exkurs – „Auch hier liegt unser Lebensraum!“
Bekanntlich wurde die Propaganda des Reichskolonialbundes nach 1936 maßgeblich vom
Kolonialpolitischen Amt der NSDAP (KPA) beeinflusst. Ein wesentlicher Punkt der Ausrichtung war,
daß die Kolonien nicht mehr als potentielle Siedlungskolonien, sondern als „wirtschaftlicher
Ergänzungsraum“ beworben werden sollten, denn die Partei und Hitler forderten den „Lebensraum
im Osten“. Siedlungskolonien in Afrika wurden als irrationale Träumereien von
„Kolonialromantikern“ abgetan. Man kalkulierte mit nur mit wenigen Deutschen, die nach der
Rückgewinnung der Kolonien die Arbeiter und die Produktion in Afrika überwachen und leiten
würden. 15
So erklärt sich, warum eine ab 1933 in der Propaganda häufig benutzte Grafik erst modifiziert wurde
und schließlich doch ganz verschwand. Das Titelbild des Standard-Ausstellungsführers ziert 1933
noch das Lebensraum-Motiv, nach 1936 ist es verschwunden (siehe vorherige Seite).
Oben links die 1933er Version16, rechts die Überarbeitung nach 1936, in der die alten Reichsfarben
retuschiert wurden. In dieser Form wurde die Grafik nur
kurz in der Werbung benutzt.
Rechts unten die Abwandlung des Mottos in einer
Werbekarte, die so 1938 verausgabt wurde. Der Begriff
Lebensraum wurde durch eine allgemeine Formulierung
ersetzt.
15
16
Siehe auch Karsten Linne „Deutschland jenseits des Äquators? Die NS-Kolonialplanungen für Afrika“
Als farbige Version ist die Grafik auch auf dem Cover vom obigen Buch zu finden.
9
4. Die Mitteldeutsche Kolonialschau
Bereits 1905 entstand mit der Gründung des Städtischen Museums in Halberstadt auch eine
Kolonialsammlung, die vom Halberstädter Apotheker Johannes Maak stammte. In den Folgejahren
wuchs die Sammlung weiter durch Stiftungen an. So 1910 zum Beispiel durch eine Schenkung des
Herrn Hermann Wenzel aus Stuttgart. Im Dachgeschoß des Museum erhielt die Kolonialausstellung
ein eigenes „geräumiges Zimmer“ zur Präsentation ihrer „zum Teil sehr wertvollen Stücke aus der
Eingeborenenkultur der Kolonien“.17
Federführend bei dem Aufbau der
Kolonialschau war offenbar die Abteilung
Halberstadt der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) mit Unterstützung
kolonialfreundlicher
Stellen
und
Persönlichkeiten. In der Zeit vom 9.8. bis
8.10.1933 wurde eine erste Ausstellung
außerhalb des Städtischen Museums im
Landratsamt von Halberstadt durchgeführt.
Der Leiter des Ortsverbandes, Professor
Schäfer, konnte 13.000 Besucher melden.
Danach war geplant, daraus eine Dauerausstellung in einer ehemaligen Grundschule zu machen, was
aber offensichtlich verworfen wurde18, denn in der Verbandsleitung verfolgte man andere Ziele.
Durch Wanderausstellungen sollten die Ausstellungen zum Besucher kommen und nicht umgekehrt,
denn das versprach mehr Personen zu erreichen.
Als erste Wanderausstellung im Konzept des RKB ging die schon 1932 geschaffene „Deutsche
Kolonialausstellung“ auf Reisen. Ihr Bestand gründete sich auf das Material des Ausstellungsdienstes
der DKG, den es bereits vor dem Ersten Weltkrieg gab19. Start war in Chemnitz, vom 21.4 bis zum
21.5.1934. Von dort aus sollte es im Juli 1934 nach Köln gehen.20 Die Halberstädter Ausstellung war
zu dieser Zeit noch stationär. Es wird von einer zweiten Ausstellung ab dem 24.März 1935 in
Halberstadt, in der Gaststätte „Harmonie“, berichtet. Leiter war auch diesmal wieder der
Schriftführer des DKG-Ortsverbandes, Karl Mack. 2500 Besucher wurden diesmal gezählt.21
Nach der Klärung der Eigentumsverhältnisse im Herbst 1935 wurde die Ausstellung erweitert und zu
einer Wanderausstellung des Reichskolonialbundes umfunktioniert.22 Schriftwart Mack23 wurde
Ausstellungsleiter, da er sich schon bisher um die Kolonialschau gekümmert hatte.
Die Tour im Herbst/Winter 1935 führte durch Halberstadt, Quedlinburg, Blankenburg, Wernigerode,
Aschersleben, Bernburg und Oschersleben. In 65 Ausstellungstagen kamen 17.700 Besucher.24
Diese „Halberstädter Kolonialschau“ war Grundstock für die kleinste Wanderausstellung des
Reichskolonialbundes, die „Mitteldeutsche Kolonialschau“.
17
Informationen vom Direktor des Städtischen Museums Halberstadt, Herrn Schulze, im Juni 2010.
Der Koloniale Kampf 10/1933
19
Der Koloniale Kampf 3/1936
20
Der Koloniale Kampf 4/1934
21
Der Koloniale Kampf 5/1935
22
„Die Kolonialschau Halberstadt“ Der koloniale Kampf 1/1936
23
Die Namensähnlichkeit zum Stifter Maak von 1905 verblüfft erstmal, ist aber Zufall. Aber es handelt es sich
um zwei verschiedene Personen. Es ist überliefert, daß der Apotheker Johannes Maak früh verstarb. Der
Ausstellungsleiter Kaufmann Karl Mack hat mit dem Stifter nichts zu tun. In den Adressbüchern von Halberstadt
1936-1941 findet sich nur ein Kaufmann Karl Mack.
24
Der Koloniale Kampf 1/1936
18
10
Im März 1936 wurde über den Ausstellungsdienst des Reichskolonialbundes berichtet, der der
Abteilung Propaganda zugeordnet ist. Seine Aufgabe war „die Schaffung, Verwaltung und der
planmäßige Einsatz aller Mittel der kolonialen Ausstellungspropaganda“. Er sollte die Zentralstelle für
das gesamte Ausstellungswesen des RKB werden. „Alle vom Reichskolonialbund anerkannten
Kolonialausstellungen sollen von ihr erfasst und betreut werden. Wie die gesamte koloniale
Propaganda im Reichskolonialbund zusammengefasst ist und damit die Gewähr für Einheitlichkeit
und Schlagkraft der Propaganda gegeben ist, soll in Zukunft auch verhindert werden, daß private
Kolonialausstellungen, ohne mit dem Reichskolonialbund in Verbindung zu stehen und von ihm
autorisiert zu sein, auf eigene Faust koloniale Propaganda betreiben. Die Abteilungen und
Gauverbände sollen verpflichtet sein, dem Ausstellungsdienst des Reichskolonialbundes von eigenen
oder fremden Ausstellungsvorhaben rechtzeitig Mitteilung zu machen, damit die Einheitlichkeit der
Propaganda und des Einsatzes der Propagandamittel, besonders mit Rücksicht auf die Aufstellung der
Reisepläne der großen „Deutschen Kolonialausstellung“ und der regionalen Ausstellungen des
Reichskolonialbundes, gewährleistet ist.“25
Hieraus ist ganz deutlich die Forcierung der Gleichschaltung zu erkennen. Zu dieser Zeit befand sich
der Reichskolonialbund unter dem Gouverneur a.D. Schnee mitten im Existenzkampf mit dem NSRegime. Er mußte alles daran setzen, nicht unangenehm aufzufallen und linientreue Propaganda zu
betreiben. Private Ausstellungen mit monarchistisch geprägter Kolonialromantik wären fatal
gewesen und hätten Hess oder Ribbentrop neue Munition gegen den RKB gegeben.
Knapp vor der langen, lähmenden Phase der ungesicherten
Existenz des RKBs vom Mai bis zum Oktober 1936, wurde die
Halberstädter Kolonialschau vom Ausstellungsdienst des RKB
übernommen und eingegliedert - jetzt umgetauft zur
„Mitteldeutschen Kolonialschau“. Der bereits erwähnte Karl
Mack blieb Ausstellungsleiter bis zum Ende des
Reichskolonialbundes im März 1943. 26
Ab Juli 1936 ging die Ausstellung unter dem neuen Namen auf
Wanderschaft. Für durchschnittlich 10 Tage war sie bis zum
November meist in Turnhallen der Schulen von Gotha,
Arnstadt, Suhl, Meiningen, Sonneberg, Pößneck und Greiz zu
sehen. 35.000 Besucher konnten erreicht werden.27
Die Stationen 1937 sind leider nicht dokumentiert. Es wird
jedoch berichtet, daß die Mitteldeutsche Kolonialschau in den
Jahren 1937/38 in insgesamt 28 Orten der Gaue Sachsen,
Thüringen und Halle-Merseburg gezeigt wurde, rund 270.000 Besucher besuchten die
Ausstellungen.28 Erst für 1938 ist die Route wieder nachvollziehbar: Im Januar begann sie in
Mücheln/Geisetal.
Im späteren Verlauf dieser Arbeit wird versucht die Route der Mitteldeutschen Kolonialschau
nachzuzeichnen. Eine vollständige Übersicht aller Stationen dieser Wanderausstellung erscheint
allerdings heute nicht mehr machbar. Da das Archiv des Reichskolonialbundes und somit auch die
Unterlagen des Ausstellungsdienstes im Weltkrieg vernichtet wurden, fehlen zentrale Unterlagen.
Im Bundesarchiv finden sich nur wenige Bruchstücke aus korrespondierender Herkunft, wobei zu den
Wanderausstellungen praktisch nichts zu finden ist. Es bleiben im Prinzip nur Ausstellungshinweise in
25
Der Koloniale Kampf 3/1936
„Der Ausbau des Ausstellungsdienstes“ , Der Koloniale Kampf 6/1936
27
„Wanderausstellungen des Reichskolonialbundes“, Der Koloniale Kampf 10/1936
28
„Das Ausstellungswesen des Reichskolonialbundes“ Paul Bohn, Deutsche Kolonialzeitung 7/1939
26
11
den RKB-Publikationen (Deutsche Kolonialzeitung, Kolonie und Heimat, Der Koloniale Kampf etc.).
Allerdings sind diese Ankündigen weder regelmäßig noch vollständig erfolgt. Einige wenige,
zusätzliche Hinweise geben die Stempelkataloge der Philatelisten, da nur selten Sonderstempel
anlässlich von Kolonialausstellungen aufgelegt wurden. Es verbleibt theoretisch im Rahmen einer
enormen Fleißarbeit sämtliche, heute noch existierenden Zeitungs- und Stadtarchive der
mitteldeutschen Provinz nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen zu durchsuchen. Und dieses
gesammelte Material müßte man zuordnen, um schließlich auszuwürfeln, welche
Kolonialausstellung, unter welchem Namen nun wirklich zur Route der Mitteldeutschen
Kolonialschau gehörte…. Hier wurde darauf verzichtet.
Die Ausstellungen liefen offenbar nach einem gewissen Grundmuster ab. Im Vorfeld wurde Kontakt
zur Stadtverwaltung, sowie den örtlichen Dienststellen der Partei aufgenommen und geeignete
öffentliche Räume gesucht. Meist waren das Rathaussäle, Schulen oder Museen. Nach dem Aufbau
der Ausstellung war immer eine offizielle Eröffnung angesetzt, die für Vertreter der Stadt, der Partei
und der angeschlossenen Organisationen zum Pflichtprogramm gehörten. Für die Honoratioren
waren Empfehlungsschreiben aus Berlin nicht zu ignorieren, auch wenn kein Interesse an der
Kolonialpolitik bestand. In den folgenden Tagen wurden dann in der Regel die Schulklassen
durchgeschleust.
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Kolonialpolitisches Amt, Gruppe Berlin
8.2.1939
Betr. Empfehlung der Mitteldeutschen Kolonialschau des Reichskolonialbundes
Die Mitteldeutsche Kolonialschau, die mit Unterstützung des Kolonialpolitischen Amtes
und anderer Reichsstellen durch den Reichskolonialbund geschaffen worden ist, hat die
Aufgabe, in allen Städten des Großdeutschen Reiches die deutschen Volksgenossen über
die großen Leistungen der deutschen Kolonisation in der Vergangenheit und die
Bedeutung zukünftiger kolonialer Arbeit für das deutsche Volkstum aufzuklären.
Das Kolonialpolitische Amt würde es begrüßen, wenn die Mitteldeutsche Kolonialschau
möglichst in allen Städten des Großdeutschen Reiches gezeigt würde. Die Gliederungen
der NSDAP und ihr angeschlossenen Verbände werden jeweils von hier aus gebeten
werden, den Besuch der Mitteldeutschen Kolonialschau allen Mitgliedern zu empfehlen.
Bauszus
SS-Brigadeführer
Leiter der Gruppe Berlin des
Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP
12
In der Bildsammlung der DKG29 sind Fotos vom 15. und 17.10.1939, die eine Ausstellungseröffnung
der Mitteldeutschen Kolonialschau zeigen. Leider ist nicht überliefert, in welchem Ort dies war. Nach
den Räumlichkeiten könnte es ein Rathaus-Saal sein. Regional dürfte sich die Ausstellung zu diesem
Zeitpunkt irgendwo in Schlesien befunden haben. Vielleicht erkennt jemand den Saal oder findet in
Zeitungsarchiven Hinweise, wo sich die Ausstellung zu diesem Zeitpunkt befunden hat, so daß die
Bilder zugeordnet werden können. Aber wo auch immer es genau war, man bekommt in mit den
folgenden Bildern einen Eindruck, wie sich die Wanderausstellung in einer Kleinstadt(?) präsentierte.
Einige Exponate findet man übrigens in den Bildern aus Wien wieder. Es ist also mit Sicherheit
derselbe Ausstellungsbestand, der aber in Wien noch ergänzt wurde.
29
Bildquelle: http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Default.htm
13
14
15
Die Bilder der offiziellen Eröffnung zeigen überwiegend Uniformierte im Plenum, die sich erst
mindestens drei Reden anhören mußten, um dann anschließend gemeinsam durch die Ausstellung
geführt zu werden. Nicht unwahrscheinlich, daß Interesse oft geheuchelt wurde…
Drei uns heute unbekannte Redner….
16
Gemeinsame Führung durch den Ausstellungsleiter der Mitteldeutschen Kolonialschau, Karl Mack.
17
18
Stationen der Mitteldeutschen Kolonialschau
Von den (hochgerechnet) ca. 80 Stationen sind folgende dokumentiert:
1936
Gotha (ab Juli)
Arnstadt
Suhl
Meiningen
Sonneberg
Pößneck
Greiz
1937
(keine Daten)
1938
Mücheln/Geisetal (im Januar)
Wittenberg (ab 26.Januar)
Riesa
Mittweida
Meissen
Freiberg/Sachsen
Großenhain
Torgau
Döbeln (bis Ende April)
Heidenau (ab 14.Juni)
Pirna (22. - 29.Juni)
Limbach (14-22.Oktober)
Aue (29.Oktober bis 6.November)
Zittau
(1937/38 ca. 270.000 Besucher)
1939
Zwickau
Wurzen (6. – 19.März)
Chemnitz (17. – 30.April)
Görlitz (4. – 10.Mai)
Liegnitz (13. – 27.Mai)
Bunzlau (3. – 12.Juni)
Hirschberg (15. – 27.Juni)
(Pause wegen Schulferien)
Strehlau (August, Unterbrechung der Wanderung wegen dem Kriegsausbruch am 1.September)
Danach Einlagerung der Ausstellung. Offenbar ging aber schon am 15.Oktober die Ausstellungsfolge
weiter, denn im Bildarchiv der DKG/Frankfurt existieren Bilder einer Mitteldeutschen Kolonialschau
mit diesem Datum und einer feierlichen Eröffnung am 19.Oktober 1939. Leider ist kein Ort vermerkt,
aber nach der Abfolge muss es sich um einen Ort in Schlesien gehandelt haben. Bis Ende 1939 wurden
60 Städte der Gaue Sachsen, Thüringen, Halle-Merseburg und Schlesien besucht, bis die Ausstellung
Anfang 1940 in die Ostmark und ab 1.August 1940 ins Sudetenland weiter zog.
19
1940
Wien (10.Juni – 5.Juli)
Wiener Neustadt (14. – 28.Juli)
*Wiener Neustadt: Die Kolonialausstellung war vom 14.-21.Juli 1940
und wurde dann bis zum 28.7 verlängert.
Eger
Komtotau
Aussig (28.September – 13.Oktober)
Teplitz-Schönau (3. – 17.November)
Tetschen (27.November – 15.Dezember)
Bodenbach (angekündigt)
20
1941
Rumburg (angekündigt)
Reichenberg (angekündigt)
Gablonz (18.Januar – 2.Februar)
Trautenau (18.Februar – 2.März)
Mährisch-Trübau (5. – 17.April)
Jägendorf (29.April – 13.Mai)
Troppau (16. – 31.Mai)
Olmütz*
Mährisch-Ostrau*
Prag*
*) Die letzten Stationen waren im „Kolonialen Kampf“ 5/1941 in der Planung angekündigt. Es ist
jedoch fraglich, ob die Ausstellungen tatsächlich noch durchgeführt wurden. Im rückblickenden
Leistungsbericht 1941 der Bundesgeschäftsstelle vom Juli 1942, wird erwähnt, daß der
Ausstellungsdienst im Laufe des Jahres 1941 notwendigerweise eingeschränkt wurde und stattdessen
eine ständige Ausstellung in Berlin, im Gebäude des geplanten Reichskolonial-Ministeriums,
vorbereitet wurde.
21
22
5. Struktur der Ausstellung in Wien
Ingrid Oppenauer vergleicht in Ihrer bemerkenswerten Arbeit zu den Wiener Ausstellungen und
Tagungen 1939 – 1940 detailliert die ursprünglich geplante Ausstellung mit der tatsächlich im
folgenden Jahr Ausgeführten. Das 21seitige Konzept liegt noch im Archiv des Völkerkundemuseums
und enthält verhältnismäßig viele rassistische Ansatzpunkte, die so später nicht aufgenommen
wurden. Sie kommt zu der Einschätzung: „Ein Blick in den offiziellen Führer beweist, dass das Konzept
des Wiener Reichskolonialbund nur ansatzweise umgesetzt wurde.30 Es zeigt sich weiters, dass der
Schwerpunkt der Ausstellung, die nicht im Messepalast sondern in der Neuen Burg stattfand, auf der
wirtschaftlichen Bedeutung der Kolonien lag. Wahrscheinlich glaubte man, damit das offensichtlich
skeptische Wiener Publikum von der Wichtigkeit und der Legitimität des Anspruchs auf Kolonialbesitz
besser überzeugen zu können.“
Tatsächlich wirkt der Text des Ausstellungsführers für die damalige Zeit verhältnismäßig harmlos.
Wie die Exponate tatsächlich beschriftet waren, wissen wir leider nicht. Sehr viel Raum nehmen die
wirtschaftlichen Aspekte ein und in der Ausstellung wurde durch die breite Darstellung
„volkstümlicher Lebensbilder“ offenbar versucht, dem Besucher einen zumindest wirklichkeitsnahen
Eindruck vom Leben der Afrikaner zu geben. Die Kolonialausstellung dürfte sich in dieser Darstellung
nicht sehr von denen zeitgenössischer Völkerkunde-Museen unterschieden haben. Nicht verwundert,
daß auch in Wien die politischen Forderungen nach Rückgabe und ein Kult um die „Kolonialhelden“
natürlich nicht fehlen. Einige Ausstellungsstücke sind uns bereits von den Bildern der
Wanderausstellung bekannt.
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Ausstellungsführer „ DEUTSCHE KOLONIALAUSSTELLUNG des Reichskolonialbundes in der Neuen Burg in
Wien (Wien 1940).
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Machen wir eine Zeitreise und stellen uns anhand des Ausstellungsführers einen virtuellen Besuch
der Kolonial-Schau vor:
Es ist der 19.Juni 1940, vor wenigen Tagen sind deutsche Truppen in Frankreich einmarschiert, aber
hier in Wien ist vom Krieg nichts zu spüren - ein freundlicher Sommertag. Es hat etwas gedauert, bis
wir die ungewohnten Reichsmarkstücke abgezählt haben, aber nun ist die die Eintrittskarte gelöst.
Nachdem wir einige Treppen gegangen sind, erreichen wir eine Ehrenhalle, die zum üblichen
Konzept größerer Kolonialausstellungen im Dritten Reich gehört. Der Raum wird von einer HitlerBüste, Hakenkreuzfahnen und einem großen Afrika-Relief mit den Petersflaggen des
Reichskolonialbundes dominiert. Ein Lehrer erklärt seiner Schulklasse die Portraits von Göring und
von Epp. Geradeaus laufen im Kino wackelige Schwarzweißfilme. Wir wenden uns nach rechts zu den
Schauräumen, wo im ersten Raum (A) diverse Rohstoffe aus den Kolonien ausgestellt sind. Wir
sehen Rohstoffe und erkennen deren Weg durch Weiterverarbeitung bis zum bekannten Endprodukt.
Von kolonialer Forst- und Holzwirtschaft über Pflanzen bis zu Steinproben, die uns die geologische
Vielfalt zeigen sollen. Im Nebenraum rechts (G) wird mit Schaubildern über die Arbeit des Deutschen
Roten Kreuzes und deutsche Heilmittelforschung gegen Tropenkrankheiten informiert. Der nächste
Raum (B) beginnt mit Jagd und Waffen, viele Trophäen, ausgestopfte Tiere und Jagdwaffen erfreuten
Liebhaber, als es noch erlaubt war auf Leoparden zu schießen. Besonders auffällig ist ein
„gepanzertes Kriegspferd“ auf hölzernen Stelzen. Mit im Raum sind die kolonialen Nutzpflanzen:
lebende Pflanzen aus dem Schönbrunner Palmenhaus. Baumwolle, Kaffeesträucher, Kakao, Tee,
Bananen, Zuckerrohr etc.. Viele Besucher um uns sehen die Pflanzen, mit deren Produkten sie täglich
zu tun haben, zum ersten Mal real. Deutlich sieht man Ihnen ihr Erstaunen an. Am Rand ist ein Stand
des örtlichen Gauverbandes des Reichskolonialbund, da gucken wir evtl. später mal vorbei.
Die folgenden 3 Schauräume (C,D,E) stehen unter dem Motto „Das Gesicht unserer Kolonien“. Hier
haben erfahrene Museumsfachleute versucht, ein volkstümliches Bild aus den Kolonien zu geben. Mit
Bildern, Dekorationen und vielen Alltagsgegenständen wirkt manches wie ein lebensgroßes Diorama.
Vor geflochtenen Matten, kunstvoll gewebten Decken und einigen „Haushaltswaren“ diskutieren drei
Damen mit Hut. Ein Kind ängstig sich vor den bedrohlichen Masken an der Wand.
Interessant wird es im letzten Raum (F): Neben einer Ausstellung über koloniales Geld und die
Schutztruppe gibt es reihenweise Vitrinen mit den Originaldokumenten zur Erwerbung der Kolonien
aus dem Reichsarchiv Potsdam. Schutzverträge mit Häuptlingszeichen als Unterschrift, Bismarcks
Kanzlertelegramme, der Kaufvertrag für ein Inselreich mit Spanien mit königlichen Siegeln und viele
Bilder mit Flaggenhissungen vor tropischem Hintergrund. Sogar ein echtes Kanonenrohr aus
Großfriedrichsburg wurde herangeschafft.
Auf dem Rückweg kommen wir an einigen kleineren Räumen vorbei, wo es Kolonialbücher zu kaufen
gibt. Dann geht es um das Thema Schulwesen. Ein Raum gehört der Frauenkolonialschule
Rendsburg, der nächste der Kolonialschule Witzenhausen, wo sich ein junger Mann grad darüber
informiert, was er lernen sollte, wenn er nach Afrika auswandern möchte. Aber auch die Schulen in
den Kolonien haben ihren Platz. Einige Bilder von Schulklassen und geschriebene Texte aus dem
Unterricht geben einen Eindruck. Wir wissen aber, daß es nur viel zu wenige Schulen für alle Kinder
gab und denken uns unseren Teil. In einem Raum liegt das „Ehrenbuch“ der Gefallenen im
Weltkrieg. Wie üblich ist der Raum wirkungsvoll abgedunkelt. Die Besucher unterhalten sich leiser,
um die Würde zu wahren.
Ziemlich am Schluss ist ein kleines Postamt aufgebaut, wo man Briefmarken kaufen und sich mit
einem Sonderstempel abstempeln lassen kann. Würden wir glatt tun, aber die Postkarten gibt es in
einem anderen Raum, der Kanzlei (Raum 10), wo man sich extra anstellen muss. Ein Plakat zeigt an,
daß später ein Vortrag im „Festsaal“ sein wird, aber bis dahin haben wir keine Zeit. Wir gucken an
der Warteschlange vor uns vorbei, was es sonst noch so an Souvenirs gibt. Im Ständer sind
verschiedene Postkarten mit Kolonialthemen oder Portraits von NS-Größen und ein Metallabzeichen
für Jacke oder Mütze liegt aus. Wir zählen die verbliebenen Reichsmarkmünzen ab, denn unsere Euros
nehmen die hier sicher nicht und erstehen eine Postkarte mit dem Südwester Reiter“, die uns am
Postamt auch abgestempelt wird.
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Mit dem Souvenir in der Hand geht es in Richtung Ausgang.
Wir werfen nur noch einen kleinen Blick in das historische
Treppenhaus und den Vorsaal der Wiener Burg, bevor wir
1940 wieder verlassen…
Erinnerungsabzeichen
Ausstellungsführer
Sonderstempel
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Zeitgenössische Propaganda-Postkarte aus Wien
„Heute der Ostraum – als Nächstes: „
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6. Ein Film-Dokument: Die „Kolonial Wochenschau“
Im Bundesarchiv-Filmarchiv befindet sich ein
12-Minuten Film von 1940, die „Kolonial
Wochenschau“ aus der Produktion des
Gauverbandes Wien des Reichskolonialbundes
und ist mit dessen Eigentumsvermerk
gekennzeichnet. Diese Wochenschau dürfte im
Vorfeld der Kolonialausstellung in den Kinos
vor den Hauptfilmen gezeigt worden sein (oder
wurde zumindest dafür konzipiert).
Die Wochenschau gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird mit abgefilmten Werbeplakaten, der
Vorstellung der führenden RKB-Funktionäre und einer gestellten Szene vor RKB-Presse-Schaukästen
für den Reichskolonialbund geworben. Damals waren Zeitungskästen an den Straßen üblich. Im
zweiten Teil wird auf die kommende Ausstellung hingewiesen. Hierzu werden Innenaufnahmen der
Ausstellungsräume gezeigt, sowie einige spezielle Exponate. Mit großem Aufwand wird erklärt, wie
man mit welcher Straßenbahnlinie aus dem Stadtgebiet zur Neuen Burg kommt. Dazu wurden
Straßenszenen und Bilder aus der Stadt mit einem trickfilmanimierten Plan zusammengeschnitten.
Der letzte Teil besteht aus ziemlich primitiv aneinander gereihten Standbildern aus den Kolonien.
Diese Filmaufnahmen der Ausstellungsräume sind deshalb so wertvoll, weil weder die „Kolonie und
Heimat“, noch die „Deutsche Kolonialzeitung“ die Ausstellung in Wien mit einem Bericht würdigte.
Hier einige Screenshots mit seltenen Innenaufnahmen, die einen Eindruck der Ausstellungsräume
geben.
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7. Pressestimmen
Afrikanische Welt in den Sälen der Hofburg
Heute findet die Eröffnung der Kolonialausstellung statt
Heute, Dienstag, wird die Kolonialausstellung in Wien der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Diese
sehr sorgfältig vorbereitete Ausstellung in der Neuen Burg gibt dem Beschauer ein deutliches Bild
davon, was man uns mit den Kolonien genommen hat – ein deutliches Bild auch davon, wie
notwendig Deutschland gerade die Bodenschätze und die Erzeugnisse der Kolonien braucht.
Gleich beim Eintritt in die weiten und ausgedehnten Ausstellungsräume fällt das Auge des
Beschauers auf die Rohstoffabteilung. Wir sehen hier vor allem, was unsre Kolonien liefern:
Baumwolle, Sisal, Jute, Gummi, Kaffee, Tee, Kakao, Bananen, Mais, Reis, Tabak, Felle und Häute,
Edelhölzer, Mehlfrüchte und Gewürze, aber auch Gold aus Deutsch-Ostafrika, Kupfer, Blei und
Vanadium aus Deutsch-Südwestafrika, Diamanten, roh und geschliffen, Halbedelsteine – ein
Reichtum, von dem man kaum eine Vorstellung hat. Großphotos kolonialer Berganlagen zeigen die
Hebung der im Boden liegenden Schätze, vor allem an wichtigen Erzen, woraus sich der Beweis
ergibt, daß Deutschland auf die Weltmärkte verzichten könnte, wenn es seine Kolonien besäße. Sie
liefern so ziemlich alle Rohstoffe, die wir brauchen.
Über eine sehr instruktive Schau der deutschen Heilmittel gegen Tropenkrankheiten und der
segensreichen Tätigkeit des deutschen Roten Kreuzes in den Kolonien gelangt man zu dem Teil der
Ausstellung, der über Jagd- und Kriegsausrüstung der Eingeborenen belehrt. Man weiß ja, daß die
Gebiete der deutschen Kolonien, insbesondere Deutsch-Ostafrika, zu den wildreichsten des
afrikanischen Kontinents gehöre: hier sieht man Trophäen der wichtigsten jagdbaren Tiere, sieht
Decken von Löwen, Leoparden und anderen Großraubtieren, Hörner, skelettierte Schädel von
Elefanten, Nashörnern und anderen Ungetümen, denen wir nicht gern in der Einsamkeit des
Urwaldes begegnen möchten. Man sieht aber auch die Waffen, mit denen sie von den Eingeborenen
gejagt werden: Speere, und Lanzen vor allem, die zur Jagd und im Krieg benützt wurden. Sehr
kriegerisch sieht ein mit dicken Decken behängtes Pferdemodell aus. Das die volle Kriegsausrüstung
eines Negerfürsten trägt – es ähnelt den gepanzerten Pferden unsrer mittelalterlichen Ritter. Man
lernt auch die „Kriegstrommel“ kennen, jenes Instrument, von dem in Kolonialerzählungen so
vielleicht die Rede ist: den Telegraphen der Neger, der eine Botschaft in unglaublich kurzer Zeit über
Hunderte von Meilen tragen kann.
Von großem Interesse ist die kulturelle Schau der Ausstellung, die uns Aufschluß über die
Eingeborenenvölker in Afrika und der Südsee gibt. Man findet hier Gewebe und Stickereien,
Korbflechtereien von wirklicher Schönheit.
Die Ausstellung unterrichtet ferner über die Arbeit des Reichskolonialbundes zur Erhaltung und
Ausbreitung des kolonialen Gedankens in Deutschland und die kulturelle Betreuung der Deutschen in
den Kolonien. Die Dokumente, die über den friedlichen Erwerb der deutschen Kolonien genauest
Auskunft geben, sind ausgestellt, die Lichtbilder der deutschen Kolonialpioniere Nachtigal, Wißmann,
Lüderitz, Peters grüßen von den Wänden. Ein Raum ist dem deutschen Soldatentum in den Kolonien
gewidmet, den Kämpfern und den Toten, die während des Weltkrieges, abgeschnitten von allen
Hilfsmitteln der Heimat, in heroischem Ringen gegen eine ungeheure Übermacht gefallen sind. Auch
in koloniales Schulwesen gewinnt man auf der Ausstellung einen Einblick, und es zeigt sich, daß die
schwarzen und braunen ABCSchützen wie gestochen schreiben.
Es ist nicht möglich, alles aufzuzählen, was diese außerordentlich interessante Ausstellung dem
Besucher bietet; abschließend kann gesagt werden, daß sie ein vollständiges und hochbedeutsames
Bild der deutschen Kolonien gibt, die man selbstverständlich auch im Lichtbild genauer kennenlernt.
Eine Anzahl kolonialer Schmalfilme ergänzt wirkungsvoll die Ausstellung, die auch von sämtlichen
Schulen Wiens und von den Wehrmachtsangehörigen in größeren Gruppen besichtigt werden wird.
Welch großem Interesse die Ausstellung in Wien begegnet, geht daraus hervor, daß fünf Tage vor
Ausstellungseröffnung bereits mehr als zwanzigtausend Eintrittskarten verkauft waren.
Neues Wiener Tagblatt (11. Juni 1940, Seite 7)
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Die Petersflagge
Zur „Mitteldeutschen Kolonialschau“ in der Hofburg
Auch das war eine der großen und angenehmen Überraschungen der Ostmark nach der Heimkehr ins
Reich, daß der Gedanke, zusammengefaßt in den Worten „Deutsche Kolonien“, bei uns Landratten
hier auf ein überraschend tiefes Verständnis gestoßen ist. Das schmucke Abzeichen des
Reichskolonialbundes, die Petersflagge, hatte eine starke Werbewirkung. Die Mitgliederzahl in der
Ostmark stieg gewaltig.
Das schöne Abzeichen des RKB trägt den Namen seines Schöpfers: Dr. Karl Peters. Das ist der große
deutsche Kolonialpionier und Schöpfer der Kolonie Deutsch-Ostafrika, für die er im Jahr 1885 diese
nach ihm benannte Flagge schuf. Dr. Peters nahm hierzu das senkrechte Balkenkreuz der
Kolonisatoren des deutschen Ostens, der Deutschherren. In diese Ostafrikaflagge fügte er dann das
Sternbild „Kreuz des Südens“, das für die südliche Erdkugel die gleiche Bedeutung am Tropenhimmel
hat, wie etwa das Sternbild des „Großen Bären“ für den nördlichen.
In Wien weht nun wieder anläßlich der „Mitteldeutschen Kolonialschau“ in der Neuen Hofburg die
Petersflagge. Sie lädt zu dieser großen und reichhaltigen Ausstellung ein; jeder Volksgenosse hat
Gelegenheit, in der Zeit vom 11.Juni bis zum Schulschluß Anfang Juli sich über die ungeheuren
Schätze besonders an erstklassigen und schier unersetzlichen Rohstoffen unserer ehemaligen
Kolonien eingehend zu informieren.
Wir werden einen ausführlichen Bericht über diese Kolonialschau, die am 11. d. M. eröffnet wird,
bringen.
Willibald Bertl
Neuigkeits-Welt-Blatt (11.Juni 1940, Seite 5)
Schluß mit der Kolonialausstellung
Sechzigtausend Wiener waren in der Neuen Burg
Um eine Woche mußte die Kolonialausstellung verlängert werden – am gestrigen Freitag mittag ist
sie geschlossen worden. Ein Teil der Ausstellung geht vorerst in die Wiener Neustadt. Mehr als
sechzigtausend Wiener und Wienerinnen haben die Ausstellung, mehr als 40.000 die kolonialen
Filmvorführungen besucht, fast alle Schulen waren in der Neuen Burg, und sehr viel Militär, das ohne
Entgelt die Ausstellung besuchen konnte. Bemerkenswert ist, daß vor allem auch die Frauen sehr
starken Anteil an der Ausstellung nahmen; sie interessierten sich in erster Linie für die
Rohstoffabteilung, in der die Erzeugnisse der deutschen Kolonien zu sehen waren. Großer Andrang
herrschte während der ganzen Dauer der Ausstellung vor der Dokumentensammlung, die den Beweis
erbrachte, daß das Reich seine Kolonien nicht geraubt, sondern ehrlich erworben hat. An manchen
Tagen gab es wahre Rekordziffern des Besuches, die bis zu viertausend anstiegen.
Der Gauverband Wien des Reichskolonialbundes wird aber auch nach Schluß dieser großen
Ausstellung seine Werbetätigkeit eifrig fortsetzen. Die Reihe kolonialer Vorträge, die eine erste
Schulung für zukünftige Kolonisten sein soll und auf die deutsche Kolonialschule mit dem Sitz in Wien
vorbereitet, wird weitergeführt. Die Kurse für die Schwestern vom Deutschen Roten Kreuz in
Übersee beginnen demnächst. Wien wird der Sitz einer starken Propaganda für die koloniale Idee
werden, die Kolonialausstellung hat das Feld hierfür bereitet.
Neues Wiener Tagblatt (6. Juli 1940, Seite 6)
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Deutsche Kolonialausstellung in Wien
Der Reichskolonialbund, Gauverband Wien, hat durch seinen Kreisverband I in den Räumen der ehemaligen
Hofburg im Monat Juni eine großangelegte Kolonialschau veranstaltet. Die sowohl durch ihren Inhalt als auch
durch ihren Aufbau wie in ihrer ganzen Durchführung sehr viel Anklang fand. Die Eröffnung der Ausstellung
wurde in Anwesenheit des Bundesgeschäftsführers des RKB, SS-Oberführer Oberst Parteigenosse Peter, vom
Stellvertretenden Gauleiter Wien, SS-Oberführer Parteigenosse Scharitzer, in feierlicher Weise vorgenommen.
Vom ersten Tag an herrschte reger Besuch,
so daß die Ausstellung um eine Woche im
Juli verlängert werden mußte (eine weitere
Verlängerung war aus technischen Gründen
nicht möglich). Es hatten sich in diesen
knappen vier Wochen über 60.000 Besucher
eingefunden. Von der Wehrmacht, vom
Reichsarbeitsdienst, aus den Betrieben
und von der Schuljugend wurden große
Sondergruppen gestellt, denen sachkundige
Führung durch die sieben großen Säle und
deren Nebenräume stets zur Verfügung
stand. In eingehender Weise fand Aufklärung in dem Saal statt, der die Dokumente
über die Erwerbung der Kolonien enthielt,
so wie in dem großen Saal bei seinem eingehenden Überblick über die Rohstoffe,
welche unsere Kolonien bieten. Aber auch
alle anderen Ausstellungsräume (Kampf
gegen Tropenkrankheiten, Arbeit der Rote-Kreuz-Schwestern, wie der Abteilung IV des RKB, dann das schöne
Jagdzimmer und die drei volkskundlichen Säle, gegliedert nach Kamerun und Togo, Südost- und Südwestafrika,
Südsee, sowie die bildhafte Darstellung der Arbeit des Gauverbandes Wien und des die Ausstellung durchführenden Kreuzverbandes I) fanden aufmerksamste Beachtung. In Verbindung mit der Ausstellung stand ein
700 Personen fassender Kinosaal, in dem ununterbrochen Schmalfilme kolonialen Inhalts gezeigt wurden.
Übrigens hatten noch die I.G. Farben leihweise einen Vorführapparat mit Bedienung und einschlägigen Filmen
beigestellt. Der Kinosaal war stets dicht besetzt.
Die schöne Schau, die von der Tagespresse Wiens während der Dauer der Ausstellung eingehend besprochen
wurde, war nicht nur für alle Besucher
interessant, sie hat auch in hohem Maße
den vorgeschriebenen propagandistischen Zweck erfüllt. Dank des
ausgezeichneten Besuchs hat die
Ausstellung nicht nur die Kosten der
Durchführung gedeckt, sondern auch
einen kleinen Überschuß erbracht.
Der Koloniale Kampf 9/1940
(unveränderte Abschrift ohne Korrektur von „Südostafrika“ oder „Kreuzverband“)
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8. Bewertung und Epilog
Die Wiener Kolonialschau vom Sommer 1940 erreichte mit 60.000 Besuchern tatsächlich gerade mal
15% der 400.000 Besucher von Dresden 1939, allerdings muß man die Verhältnisse genau
betrachten, bevor man die Ausstellung als Misserfolg einordnet. Dresden fand in einem großen
Freigelände statt, wo alljährliche Veranstaltungen der Stadt viele Besucher anzogen. In das
parkähnliche Gelände ging man nicht nur wegen dem Ausstellungsthema, sondern auch einfach zum
„Lustwandeln“. Die Wiener Ausstellung dagegen war in den dunklen Räumen der Hofburg, wo es zur
Sommerzeit die Leute nicht unbedingt hinzieht. Zusätzlich herrschte im Sommer 1940 bereits seit 10
Monaten Krieg, während die Deutschen sich im August 1939 zufrieden fühlten – solange sie nicht zu
den Verfolgten des Nazi-Regimes zählten…
Die Kolonialschau in Wien war gut vorbereitet und organisiert, soweit man das heute nachvollziehen
kann. Die Werbemaßnahmen waren den eingeschränkten Möglichkeiten im Krieg entsprechend,
geringer, aber nicht schlecht oder gar dilettantisch.
Wenn man nun all das bedenkt und die Besucherzahl mit anderen Kolonialausstellungen in
Großstädten vergleicht, kann man die positiven Bilanzen der Presse und des Reichskolonialbundes
nicht als geschönte Propaganda verwerfen. Nach Wien sind nur noch zwei nennenswerte
Kolonialausstellungen in deutschen Großstädten erfolgt: in Breslau und in Linz – beide mit deutlich
geringerem Erfolg.
Die Ausstellung in Dresden 1939 war ohne Zweifel die größte Kolonialausstellung des
Reichskolonialbundes und ein Höhepunkt seiner propagandistischen Arbeit. In der Phase der
Paralyse, der eingeschränkten Tätigkeit des Reichskolonialbundes nach 1939, verbleibt Wien 1940
die Einordnung als letzter großer Öffentlichkeitsauftritt31. In der Gesamtschau aller Unternehmen
und Tätigkeiten des RKB fällt sie nur unter „ferner liefen“. Für den Historiker, der sich detaillierter mit
der Arbeit des RKB und dessen Kolonialausstellungen beschäftigt, sticht sie jedoch aus der Masse der
Ausstellungen heraus, denn sie war die Bedeutsamste unter den letzten Kolonialausstellungen und
sie war das Glanzstück
der „Mitteldeutschen Kolonialschau“, die eigentlich als kleinste
Wanderausstellung des RKB nur für Kleinstädte bis 15.000 Einwohnern konzeptioniert war. In Wien
wuchs sie über sich hinaus.
Die Mitteldeutsche Kolonialschau wurde zwischen 1937 und 1941 in ca. 80 Orten gezeigt. Der
Reichskolonialbund hatte nicht nur diese eine, sondern noch mindestens zwei, zeitweise sogar drei
weitere Wanderausstellungen im Repertoire. Auch wenn man unterstellt, daß die Mitteldeutsche
Kolonialschau mehr unterwegs war, als ihre „Schwestern“, so darf man doch die Anzahl aller
Kolonialausstellungen des Reichskolonialbundes sehr vorsichtig auf über 150 veranschlagen.
Die durch Stefan Arnold32 geschätzte Anzahl aller Kolonialausstellung in Deutschland zwischen 1896
und 1940 von „rund 50“ ist deshalb deutlich zu niedrig kalkuliert.
Wie bereits angeführt, wurden die Wanderausstellungen im Laufe des Jahres 1941 „stark
eingeschränkt“, offenbar praktisch eingestellt. Die Ausstellungsbestände sind daraufhin eingelagert
worden. Ein Teil sollte später den Grundstock einer Dauerausstellung im neuen Berliner
Reichskolonialministerium bilden.
31
Die letzte Reichskolonialtagung war die 1939er in Wien. Dresden 1940 fand nie statt.
Arnold, Stefan „Propaganda mit Menschen aus Übersee. Kolonialausstellungen in Deutschland 1896 – 1940“
(in Kolonialausstellungen – Begegnungen mit Afrika?, Debusmann, IKO-Verlag, Frankfurt 1995)
32
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Es ist unklar, ob sie die Bestände im Gebäude des
geplanten Reichskolonialministeriums im Marstall
(heutiges Deutsches Historisches Museum, Unter den
Linden)33, in der neuen Bundesgeschäftsstelle des
Reichskolonialbundes (Berlin, Meinekestr.18/19) oder
in einem der Außenlager gelagert oder vielleicht auch
verteilt worden sind.
Es ist weiterhin unbekannt, welcher Teil der Bestände
die schweren Bombardierungen und späteren
Plünderungen überstanden hat und welcher Anteil
wiederum davon in Deutschland verblieb. Was gerettet
wurde und in öffentliche Hände gebracht werden
konnte, dürfte in den völkerkundlichen Sammlungen
der Museen gelandet sein. Eine Recherche nach der
Provenienz
einzelner
Museumsstücke
großer
Völkerkundemuseen könnte interessante Erkenntnisse
bringen.
Im Städtischen Museum Halberstadt wurden
Restbestände der früheren Kolonialschau in den 70er
Jahren aussortiert. Im Zuge der Bestandsbereinigung
und Profilierung wurden sie an u. a. an das Grassi-Museum in Leipzig abgegeben. Hierbei muss es
sich aber nicht um Teile der Mitteldeutschen Kolonialschau des RKB gehandelt haben. Es ist aber
wahrscheinlicher, daß es die Teile der Halberstädter Kolonialschau waren, die nicht Eigentum der
DKG waren und daher 1936 in Halberstadt verblieben sind.
Unterm Strich ergibt sich eine bedauernswerte Geschichte mehrerer Kolonialsammlungen, die von
engagierten Menschen wie dem Lehrer Lotse aus der Heide oder dem Kaufmann Mack aus
Halberstadt aufgebaut worden sind: Was in Jahrzehnten gesammelt und durch private Spenden
zusammengestellt wurde, ging erst durch verordnete Gleichschaltung in fremde Obhut über und
schließlich zum Großteil verloren. Sie teilen das Schicksal von Millionen anderer Kulturgüter im
Zweiten Weltkrieg: verschollen, vernichtet, vergessen….
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Harald Sippel: "Kolonialverwaltung ohne Kolonien –Das Kolonialpolitische Amt der NSDAP und das geplante
Reichskolonialministerium" in: Ulrich van der Heyden / Joachim Zeller (Hrsg.):Kolonialmetropole Berlin. Eine
Spurensuche. Berlin 2002. S. 256-261
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9. Quellen und Literatur
Reichskolonialbund
• Amtlicher Ausstellungsführer „Deutsche Kolonialausstellung“ (1933)
• Amtlicher Ausstellungsführer „Deutsche Kolonialausstellung“ (1936)
• Ausstellungsführer Eisenach 31.7 bis 7.8.1935
• Ausstellungsführer Mitteldeutsche Kolonialschau in Wien 10. bis 30.6.1940
• Ausstellungsführer Deutsche Kolonialausstellung in Linz 19.10 3.11.1940
• Festschrift zur Reichskolonialtagung in Wien 16. bis 18.5.1939
Arnold, Stefan „Propaganda mit Menschen aus Übersee. Kolonialausstellungen in Deutschland 1896
– 1940“ (in „Kolonialausstellungen – Begegnungen mit Afrika?“, Debusmann, R., IKO-Verlag,
Frankfurt 1995)
Ausschuss für deutsche Kolonialpropaganda Führer zur Kolonial-Ausstellung Berlin 1918
Bochmann, Julius „Katalog der deutschen Gelegenheitsstempel“ Düsseldorf, 1952
Hildebrand, Klaus
„Vom Reich zum Weltreich. Hitler, NSDAP und koloniale Frage 1919-1945“ München 1969
Linne, Karsten „Deutschland jenseits des Äquators? Die NS-Kolonialplanungen für Afrika“, LinksVerlag, Berlin 2008
Oppenauer, Ingrid „Ausstellungen und Tagungen mit kolonialem Hintergrund in Wien 1939/1940“
(unveröffentlichte Seminararbeit, Wien 2003)
Nachrodt, Hanswerner „ Der Reichskolonialbund“. Schriften der Hochschule für Politik - Der
organisatorische Aufbau des Dritten Reiches, Heft 30, Berlin 1939.
Sippel, Harald "Kolonialverwaltung ohne Kolonien –Das Kolonialpolitische Amt der NSDAP und das
geplante Reichskolonialministerium" in: Ulrich van der Heyden / Joachim Zeller
(Hrsg.):Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin 2002. S. 256-261
Schöfert, Arne „Das größte Projekt des Reichskolonialbundes: Die Kolonialausstellung Dresden 1939“
Internetmagazin des Traditionsverband ehem. Schutz- und Überseetruppen, 2010
Völkerkundemuseum Wien, Direktionsakten zur Planung einer Kolonialausstellung 1939
Zeitungen:
• Neues Wiener Tagblatt
• Neuigkeits-Welt-Blatt
• Deutsche Kolonialzeitung (DKZ)
• Kolonie und Heimat
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Bildquellen
1) Bildarchiv der deutschen Kolonialgesellschaft in der Stadt- und Universitätsbibliothek
Frankfurt am Main
2) Bundesarchiv-Filmarchiv (Screenshots aus „Kolonial-Wochenschau 1940“, Mag.Nr.795)
3) Koloniales Taschenbuch 1942 (Reichskolonialbund)
4) Zeitung „Der Koloniale Kampf“
5) Privatsammlungen des Verfassers und anderer Personen
Danksagung
Vielen Dank für die Unterstützung bei dieser Arbeit an Frau Ingrid Oppenauer für die Vorarbeit und
wichtige Hinweise, die Österreichische und Deutsche Nationalbibliothek (Frau Elisabeth Briefer und
Frau Sylvia Schönwald), dem Fernleiheteam der Stadtbibliothek Wolfsburg (Frau Maike Tschorsnig
und Frau Petra Buntzoll) sowie der Universitätsbibliothek Leipzig (Herrn Karl-Frieder Netsch) für die
Beschaffung von seltener Literatur, dem Bundesarchiv, sowie dem Stadtmuseum Halberstadt, Herrn
Direktor Schulze.
Korrekte Zitierweise:
„Die Mitteldeutsche Kolonialschau in Wien - Exemplarische Darstellung einer Wanderausstellung im
III.Reich“ von Arne Schöfert. Internetmagazin des Traditionsverband ehem. Schutz- und
Überseetruppen e.V., © 2010, 2013
www.traditionsverband.de
Version 1.1 (06.02.2013)
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Anhang
Die Kolonialausstellungen in Linz und
Breslau waren keine Stationen der
„Mitteldeutschen Kolonialschau“,
sondern waren welche der größten
Wanderausstellung, der „Deutschen
Kolonialausstellung“, die dort in reduzierter
Form gezeigt wurde.
Sie gehörten also in eine Linie nach Dresden
1939.
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Scarica

Die Mitteldeutsche Kolonialschau in Wien 1940